Ernährungsberatung für übergewichtige Kinder

Ernährungswissenschaftler erforschen Prävention und Ursachen von Leberschäden/ Suche nach 300 übergewichtigen Kindern

Ob in Getränken oder im Brotaufstrich – Fruchtzucker befindet sich heutzutage in immer mehr Nahrungsmitteln, besonders in denjenigen für Kinder. Dass Fruchtzucker oder Fructose Leberschäden verursacht, darauf deuten mittlerweile mehrere Untersuchungen hin. In einer Pilotstudie änderten Hohenheimer Forscher die Essgewohnheiten einer Gruppe von übergewichtigen Kindern mit dem Ziel, die Rolle von Fruchtzucker in der Entstehung von Leberschäden zu untersuchen.

Das ermutigende Ergebnis: Nach drei Monaten konnten sie bei fast allen Kindern eine Gewichtsabnahme und eine deutlich verminderte Aufnahme von Fruchtzucker feststellen. Nun suchen die Forscher 300 übergewichtige Kinder zwischen fünf und acht Jahren für eine vierjährige Langzeitstudie. Die „Hohenheimer Fructose Interventionsstudie“ ist das Herzstück des Forschungsprojektes „Nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung (NAFLD): molekulare Mechanismen und ernährungsbasierte Prävention“, das vom Bundesministerium für Forschung und Bildung mit 1,3 Millionen Euro gefördert wird.

An der Spielzeug-Angel baumelt ein Schoko-Riegel. „Kein gutes Essen“, kräht die fünfjährige Anja: Die anderen Kinder nicken und fischen – wie beim bekannten Angelspiel – weiter mit ihren Spielzeugangeln nach Lebensmitteln aus der Kiste und bewerten sie danach. Sie alle sind Teilnehmer einer Pilotstudie der Universität Hohenheim, die zum Ziel hatte, Beratungsstrategien zur Verminderung der Fruchtzuckeraufnahme für übergewichtige Kinder zu entwickeln.

Über drei Monate beobachtete ein Forscherteam aus Ernährungswissenschaftlern elf übergewichtige Kinder, schulten sie und deren Eltern im Umgang mit Lebensmitteln: „Bei fast allen elf Kindern konnten wir nach der Studie eine deutlich verminderte Aufnahme von Fruchtzucker feststellen – und außerdem haben neun von ihnen trotz Wachstum nicht zugenommen“, erzählt die Leiterin des Projekts Dr. Ina Bergheim.

Ermutigende Ergebnisse bei Pilotstudie

Der Schlüssel zu diesem Ergebnis war, die Aufnahme von Fruchtzucker – einem Hauptbestandteil von Haushaltszucker- zu reduzieren. Da genügte es schon, wenn die Kinder auf den heißgeliebten Kaba, den Saft oder die Cola verzichteten. „Die Ergebnisse waren sehr ermutigend“, urteilt Dr. Bergheim. „Jetzt wollen wir sie in einer großangelegten Studie testen und suchen dafür 300 Kinder mit Übergewicht.“

Konkret geht es in der Langzeitstudie um die Frage, ob weniger Fruchtzucker eine Prävention vor Leberschäden bewirkt: „Das ist auch der Grund, weshalb wir die Studie mit übergewichtigen Kindern im Grundschulalter durchführen“, erklärt die Ökotrophologin: „Bei ihnen können wir zwei Risiko-Faktoren ausschließen: das Rauchen und den Alkohol.“

Langzeitstudie mit Kindern von 5 bis 8 Jahren

Ab April will die Nachwuchsforschergruppe 300 übergewichtige Kinder vier Jahre lang untersuchen. Die 5-8 Jahre alten Kinder werden in zwei Gruppen eingeteilt. Zum einen eine Interventionsgruppe, deren Essgewohnheiten aktiv auf fructosearme Lebensmittel umgestellt werden. Die zweite Hälfte fungiert als Kontrollgruppe, die keine aktive Umstellung, sondern nur auf Wunsch eine Ernährungsberatung nach den Regeln der DGE erhält.

„Bei der Interventionsgruppe haben wir das Ziel, den Fructose-Anteil um 50% zu verringern“, erklärt Dr. Bergheim. Das Problem mit Fruchtzucker sei, dass er inzwischen nicht nur in Form von normalem Haushaltszucker, der sich aus den Zuckern Glucose und Fructose zu gleichen Teilen zusammensetzt, sondern auch als reiner Fructosesirup oder Fructose-Glucosesirup zur Süßung von Lebensmitteln verwendet wird. „Vor allem Kinderlebensmittel sind oft Zuckerbomben“, weiß Frau Bergheim, „häufig steht deshalb auf den Etiketten die Aussage „gesund gesüßt“, „ohne Kristallzucker“ oder „mit der Süße aus Früchten“.

Schon letztes Jahr hat das Forscherteam um Dr. Bergheim in einer Studie mit Mäusen festgestellt, dass sich die Aufnahme von Fructose auf die Gesundheit der Leber auswirkt. Den Mäusen wurden verschiedene Zucker als Getränke gegeben. Das Ergebnis: „Bei den Mäusen, die fructose- und saccharosehaltige Getränke bekommen haben, konnten wir im Gegensatz zu den mit Wasser oder Glucose gefütterten Tieren eine deutliche Leberverfettungen feststellen“, erzählt Frau Bergheim. In einer Pilotstudie bei Erwachsenen konnte die Arbeitsgruppe von Frau Bergheim in Kooperation mit der Uniklinik Tübingen weiterhin nachweisen, dass Patienten mit Leberschädigung deutlich mehr Fruchtzucker aufnahmen als gesunde Kontrollpersonen.

Kindgerechter Ansatz ermöglicht größeren Erfolg

Da im Rahmen der Studie mit Kindern gearbeitet wird, suchen die Forscher nach möglichst kindgerechten Ansätzen, um Alternativen für die fructosereiche Ernährung aufzuzeigen. „Das A und O ist, dass die Kinder Spaß haben und gerne wiederkommen möchten“, erklärt die Forscherin. Nach dem Brettspiel bekommt jedes Kind einen Korb und kann im Büro des Forscherteams, das dieses in einen Supermarkt verwandelt hat, einkaufen was es gerne möchte. Anschließend wird das Eingekaufte besprochen und bei schlechter Wahl Alternativen aufgezeigt. Danach zeigen die Forscherinnen den Kindern Gläser, die mit unterschiedlich vielen Zuckerwürfeln gefüllt sind. Daneben liegen mehrere Lebensmittelattrappen und die Kinder müssen diese den Gläsern mit der richtigen Anzahl von Zuckerwürfeln zuweisen.

Neben den Kindern stehen auch die Eltern im Fokus der Forscher. „Oft kämpfen die Eltern von übergewichtigen Kindern mit den gleichen Problemen. Die Kinder übernehmen dann die Essgewohnheiten der Eltern.“ Deshalb erhalten nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern eine Schulung über fructosearme Ernährung: „Nur durch ein familienorientiertes Konzept können wir sicherstellen, dass die Kinder ihre Ernährung auch wirklich umstellen“, erklärt Dr. Bergheim.

Neben dem Elternhaus versucht die Forschergruppe herauszufinden, wer die meiste Zeit mit den Kindern verbringt und dafür verantwortlich ist, ein Auge auf die Ernährung zu werfen. Den Kindern und den Verantwortlichen kann dann eine individuelle Beratung geliefert werden, die dafür sorgt, Essgewohnheiten effektiv zu verändern.

Tipps für Eltern und enge Zusammenarbeit mit Kinderärzten

Dafür sollen neben den Spielen auch das reichhaltige Info-Material für die Kinder und deren Eltern sorgen. Hier listen die Forscher fructosereiche und fructosearme Lebensmittel auf, geben Tipps für den Restaurantbesuch und die Frühstücksbox und zeigen Möglichkeiten, den Zucker in Gerichten durch Traubenzucker zu ersetzen.

Dr. Bergheim und ihr Team arbeiten eng mit Kinderärzten in der Region Stuttgart zusammen: „Bei unserer Pilotstudie hat sich bewährt, dass die Ärzte an die Eltern von übergewichtigen Kindern herangetreten sind und ihnen von unserer Studie erzählt sowie sie mit Infomaterial versorgt haben und diese sich dann bei uns melden konnten“, erklärt die Leiterin der Studie. „Deshalb möchten wir das bei unserer großangelegten Studie gerne wieder so machen und suchen noch eifrig nach Kindern, die teilnehmen möchten. Die Eltern können sich ganz unkompliziert bei uns melden.“

Hintergrund BMBF-Nachwuchsforschergruppe

Die Langzeitstudie zur Reduktion des Fruchtzuckerkonsums bei Kindern erfolgt durch die BMBF-Nachwuchsforschergruppe „Nicht – alkoholbedingte Fettlebererkrankungen: Molekulare Mechanismen und ernährungsbasierte Prävention“. Dieses Projekt wird im Rahmen des Nachwuchswettbewerbs „Molekulare Grundlagen der humanen Ernährung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Es ist das Projekt mit dem höchsten Drittmittelanteil, das 2008 an der Universität Hohenheim eingeworben wurde.

Kontakt für interessierte Eltern

Dr. Ina Bergheim
Universität Hohenheim
Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention und Genderforschung
Tel.: 0711 459-23622
E-Mail: fruchtzucker.info@uni-hohenheim.de
Ansprechperson:
Dr. Ina Bergheim, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention und Genderforschung

Tel.: 0711 459-24102: E-Mail: bergheim@uni-hohenheim.de

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Florian Klebs idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-hohenheim.de

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