Betriebsräte tragen zu besseren Innovationen bei

Arbeitgeber wollen Kosten sparen und größere Marktanteile erobern. Betriebsräte sind vor allem an besseren Arbeitsbedingungen und sicheren Jobs interessiert. Innovationen, die beiden Seiten nützen, sind oft das Ergebnis harter Verhandlungen.

Trotzdem haben Unternehmen mit einer partizipativen Innovationskultur Wettbewerbsvorteile: In den Innovationsprozess fließen durch die Arbeitnehmerbeteiligung mehr Informationen ein. So lassen sich Fehler vermeiden. Zudem führt gelungene Mitbestimmung dazu, dass Innovationen im Betrieb breiter akzeptiert werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forscherinnen und Forscher des Stuttgarter IMU Instituts in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung.

Wie funktioniert das Zusammenspiel von Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung im Innovationsprozess? Um das zu erforschen, befragten Martin Schwarz-Kocher, Dr. Jürgen Dispan, Ursula Richter und Bettina Seibold vom IMU Institut herausgefunden Manager und Betriebsräte in 14 Industriebetrieben, in denen der Betriebsrat bei Innovationen mitredet. Ergänzt wurden die Fallstudien durch Interviews mit Experten aus Wissenschaft, Innovationsberatung und Gewerkschaften. Ihre Ergebnisse fassen die IMU-Forscher in den WSI Mitteilungen zusammen:*

– Betriebsräte wissen mehr. Nicht nur die Betriebsräte selbst, sondern auch die Geschäftsführer der untersuchten Betriebe halten die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter für wichtig. Denn Betriebsräte haben einen kürzeren Draht zur Basis als die Betriebsleitung, die mit den konkret von Neuerungen betroffenen Arbeitnehmern meist auf dem Umweg über mehrere Ebenen des mittleren Managements kommunizieren muss. So konnten Betriebsräte oft praktische Verbesserungsvorschläge anbringen und Lösungen für Probleme anbieten, die das Management völlig übersehen hatte.

– Betriebsratskonzepte verbinden wirtschaftliche Ziele mit guten Arbeitsbedingungen. Am Innovationsprozess beteiligte Arbeitnehmervertretungen bemühen sich, die Vorhaben der Geschäftsführung in verträgliche Bahnen für die Beschäftigten zu lenken. Negative Wirkungen von Reorganisationsplänen konnten die Arbeitnehmervertretungen in den untersuchten Betrieben begrenzen, etwa indem sie einseitige körperliche Belastungen oder allzu kurze Taktzeiten am Fließband verhinderten. In einigen untersuchten Betrieben traten Betriebsräte selbst als „Innovationstreiber“ auf: Sie setzten bloßen Kostensenkungsprogrammen des Managements eigene Alternativprogramme entgegen. So konnte ein Betriebsrat durch Verbesserungen der Arbeitsorganisation die Verlagerung eines Fertigungsabschnitts an einen ausländischen Standort abwenden. Andere Vorschläge zielten gerade nicht auf die Kostenseite, sondern standen unter dem Motto „besser statt billiger“.

– Betriebsräte stellen sicher, dass Veränderungen für die Belegschaft akzeptabel sind. Die Arbeitnehmervertretung „entschleunigt“ Innovationsprozesse oft, haben die Wissenschaftler beobachtet. Das wirkt sich meist positiv aus: Es verringert die Zahl der Planungsfehler und führt zu „größerer Legitimation bei den Beschäftigten“ – die Belegschaft fühlt sich nicht überrollt. Wichtig für die Akzeptanz von Neuerungen bei den Beschäftigten ist, dass Änderungsvorschläge der betroffenen Arbeitnehmer von der Geschäftsführung ernst genommen und berücksichtigt werden. Hierbei kann der Betriebsrat als Vermittler auftreten und die Belegschaft für Veränderungsprozesse gewinnen.

– Ohne Konflikte geht es nicht. Betriebsräte sind gerade beim Thema Innovation starken Rollenkonflikten ausgesetzt, beobachten die Forscher: Gehen sie zu weit auf das Management zu und betätigen sich als Co-Manager, laufen sie Gefahr, die Unterstützung der Belegschaft zu verlieren. Vor allem, wenn es nach Einführung neuer Produkte oder Prozesse nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer in der Belegschaft gibt. Bleiben Betriebsräte hingegen passiv und versuchen in erster Linie Veränderungen abzuwehren, verlieren sie „ihre gestaltende Funktion“, schreiben die Forscher. Die Fallstudien zeigten, dass Betriebsräte immer dann eigenständige Innovationsbeiträge liefern können, wenn sie dabei konsequent die Interessen der Beschäftigten vertreten. Dabei muss sich die Kooperation von Betriebsrat und Geschäftsführung nicht auf klassische Win-win-Situationen beschränken, in denen die Interessen von Beschäftigten und Kapitalgebern ohnehin zusammenfallen. Konfliktbereiten Betriebsräten gelingt es darüber hinaus, aus Arbeitnehmersicht problematische Innovationsvorhaben des Managements sozial zu regulieren.

Die IMU-Experten resümieren: Partizipative, „arbeitsorientierte“ Innovationsprozesse könnten „einen entscheidenden Vorteil im globalisierten Wettbewerb darstellen, weil dadurch zusätzliche Innovationspotenziale erschlossen werden können.“ Und fügen hinzu: „Entscheidend wird sein, inwieweit Politik und Arbeitgeber bereit sind, eine Partizipationskultur zu unterstützen, die die Innovationspotenziale des deutschen Modells der industriellen Beziehungen nutzt, statt über deren angebliche Belastungen zu klagen.“

* Martin Schwarz-Kocher, Jürgen Dispan, Ursula Richter, Bettina Seibold: Betriebsratshandeln im Modus arbeitsorientierter Innovationsprozesse. In: WSI Mitteilungen 2/2010, Schwerpunktheft Innovation und Mitbestimmung

Infografik zum Download im Böckler Impuls 3/2010: http://www.boeckler.de/32014_102951.html

Ansprechpartner in der Hans-Böckler-Stiftung

Dr. Marc Schietinger
Abteilung Forschungsförderung
Tel.: 0211-7778-127
E-Mail: Marc-Schietinger@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
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