Jeder zweite Bundesbürger sieht Deutschland im Kreis der Weltmächte

Jeder zweite Bundesbürger hält Deutschland für eine Weltmacht. Auch in Zukunft erwarten 46 Prozent der Deutschen, dass das Land eine Führungsrolle in der Welt spielen kann. Gleichzeitig sehen die Deutschen eine Kräfteverschiebung in der internationalen Mächtekonstellation zu Lasten der USA und Großbritanniens und zugunsten von China, Indien und Brasilien.

Mit ihren Erwartungen über die künftige weltpolitische Lage liegen die Deutschen im weltweiten Trend. Danach sinkt insgesamt das Ansehen der USA als Weltmacht dramatisch, während China, Indien und in jüngerer Zeit auch wieder Russland an Stärke gewinnen. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die ökologische Bedrohung in fast allen Regionen der Welt – zum Teil sogar sprungartig. Dies sind die Ergebnisse einer internationalen, repräsentativen Befragung der Bertels­mann Stiftung zur Rolle der Weltmächte unter weltweit 9.000 Menschen.

Danach liegen die USA zwar heute noch mit 81 Prozent als Weltmacht weit vor China mit 50 Pro­zent der Nennungen. Dieser Vorsprung schmilzt jedoch dahin. Schon im Jahr 2020 sehen nur noch 61 Prozent die USA in dieser unangefochtenen Führungsrolle, während China dann mit 57 Prozent fast auf gleicher Augenhöhe liegt. Mit einigem Abstand folgen Russland (37 Prozent), die Europäische Union (33 Prozent), Japan (33 Prozent) und Indien (29 Prozent). Insbesondere Russland konnte in den vergangenen zwei Jahren sein Ansehen als Großmacht wieder erheblich steigern. Vor allem in China (plus 24 Prozentpunkte), in Großbritannien (plus 22 Prozentpunkte), und in Deutschland (plus 20 Prozentpunkte) zogen die Werte für Russland deutlich an.

Die internationale Stellung Deutschlands bewerten die Deutschen mit großem Selbstbewusstsein. Danach sehen 49 Prozent Deutschland als eine Weltmacht; für das Jahr 2020 erwarten dies nur drei Prozent weniger. Im weltweiten Durchschnitt dagegen sehen nur 30 Prozent der international Befragten Deutschland heute in dieser Position, für die Zukunft erwarten dies sogar nur noch 25 Prozent. Die höchsten Werte erzielt Deutschland dabei in den europäischen Ländern. Deutlich geringer ist sein Weltmachtimage bei Amerikanern, Russen, Chinesen, Brasilianern oder Japa­nern.

Im Vergleich erwarten in den meisten befragten Staaten die Menschen einen Bedeutungszuwachs des eigenen Landes. Besonders ausgeprägt ist diese positive Selbsteinschätzung in China, Russ­land, Indien und Brasilien. Die Europäer und Japaner bewerten die Zukunftschancen ihre Nationen eher pessimistischer. Auch die Bürger der USA erwarten einen internationalen Bedeutungsverlust ihres Landes.

Eine sprunghafte Veränderung lässt sich in den vergangenen Jahren in der Wahrnehmung der weltweiten Bedrohungen und Herausforderungen und den Aufgaben feststellen, die sich hieraus für die Weltmächte ergeben. Gegenüber dem Jahr 2005 ist das Bewusstsein für die Umweltprob­lematik um über zehn Prozentpunkte stark angewachsen, während dem internationalen Terrorismus im Vergleich keine höhere Bedeutung beigemessen wird. Der Anteil derjenigen, die Klimawandel und Umweltzerstörung als globale Bedrohung wahrnehmen, ist dabei in allen befragten Ländern gestiegen, besonders stark in den USA (plus 22 Prozent), in China (plus 17 Prozent) und in Japan (plus 16 Prozent). Im Durchschnitt betrachten weltweit 54 Prozent aller Menschen heute Umweltzerstörung als wichtigste Bedrohung. Lediglich in Russland mit 31 Prozent und Indien mit 28 Prozent wird dieses Problem nur von einer Minderheit als große Bedrohung empfunden. Auch in Deutschland steht mit 63 Prozent die Umweltzerstörung an erster Stelle. Es folgt auf Platz zwei mit 52 Prozent der internationale Terrorismus sowie Armut und Überbevölkerung mit 50 Prozent.

Die Deutschen setzen heute ihre Hoffnungen, erfolgreich den globalen Herausforderungen begeg­nen zu können, insbesondere auf die EU (86 Prozent), die UNO (80 Prozent), aber auch auf die USA (66 Prozent) und Russland (62 Prozent). Immerhin 73 Prozent wünschen sich einen größeren Beitrag Deutschlands bei der Lösung der anstehenden Probleme. Dass damit kein deutscher Al­leingang gefordert wird, sieht man daran, dass eine große Mehrheit von 68 Prozent der Deutschen den besten Rahmen für die Verwirklichung von Frieden und Stabilität im Rahmen der Vereinten Nationen sieht. Nur 21 Prozent setzen auf die Zusammenarbeit verschiedener Regionalmächte und nur zehn Prozent wollen, dass wieder eine Weltordnung unter der Führung einer oder von zwei Weltmächten entsteht.

Zusammenfassend folgert Josef Janning, Leiter des Themenfeldes Internationale Verständigung der Bertelsmann Stiftung: „Die Zukunftserwartungen der Menschen haben großen Einfluss auf die Politik. Überall sehen die Menschen die heutige Vormachtstellung der USA schwinden und gleich­zeitig China aufsteigen. Für die künftige Weltordnung erwarten sie aber kein harmonisches Gleich­gewicht, das etwa von den Vereinten Nationen im Sinne einer Weltregierung gelenkt würde. Die Menschen in fast allen Ländern setzen vielmehr auf eigene Stärken im globalen Wettbewerb und wünschen sich jeweils für das eigene Land eine bedeutsamere Rolle bei der Sicherung von Frie­den und Stabilität. Wenn diese Perspektive und Erwartung für die Politik weltweit bestimmend wird, birgt dies die Gefahr eines nationalistischen Wettlaufs zwischen den heutigen und zukünftigen Weltmächten, wie wir sie verhängnisvoll im Europa des 20. Jahrhunderts erlebt haben. Allerdings scheint es so, dass sich die Bedrohung durch den Klimawandel zu einer neuen politischen Klam­mer der internationalen Ordnung entwickelt.“

Für die Studie der deutschen Bertelsmann Stiftung wurden kürzlich durch das Meinungsfor­schungsinstitut Gallup International/TNS-EMNID weltweit 9.000 Menschen zur Rolle und Funktion der Weltmächte heute und im Jahr 2020 befragt. Die repräsentative Erhebung fand in den USA, Russland, Brasilien, China, Indien, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien statt. Als Vergleich diente eine Vorgängerstudie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2005.

Die Ergebnisse der Weltmachtumfrage wurden im Oktober auf dem zweiten Treffen des Global Policy Councils der Bertelsmann Stiftung in Berlin beraten. Der Council bringt hochrangige Exper­ten aus verschiedenen Teilen der Welt und mit unterschiedlichem Hintergrund zusammen, um die Herausforderungen und Chancen zu analysieren, die die Dynamik der Globalisierung, das Aufstre­ben neuer Mächte und das Entstehen neuer Sicherheitsbedrohungen begleiten.

An den Beratungen nahmen u.a. teil: der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO, General James Jones, der das Institute for 21st Century Energy leitet und erst jüngst den Vorsitz der „Unabhängi­gen Kommission über die Streitkräfte im Irak“ innehatte; Mark Leonard, der den von George Soros gerade neugegründeten European Council on Foreign Relations leitet; die ehemaligen Außenmi­nister von Bulgarien und Mexico, Prof. Dr. Jorge Castaneda und Dr. Solomon Passy; die langjähri­gen außenpolitischen Berater der japanischen Regierung Hitoshi Tanaka und Yukio Okamoto; der Publizist und ehemalige Herausgeber des Economist Bill Emmott; der Chefvolkswirt der Deutschen Bank Prof. Dr. Norbert Walter sowie die Direktoren der führenden Think Tanks für globale Strate­giefragen in China, Prof. Xia Liping und Prof. Dr. Yan Xuetong. Aus Indien reiste der Präsident der einflussreichen Strategic Foresight Group, Sundeep Waslekar, an.

Rückfragen an: Stefani Weiss, Projektleiterin, Bertelsmann Stiftung
Tel.: 00 32 (2) 280-2830; E-Mail: stefani.weiss@bertelsmann.de

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