Stromhandel unterliegt noch vielen Hürden

Innerhalb der Region Mittel- und Osteuropa bietet Deutschland die besten Voraussetzungen für den Stromhandel. Das gilt sowohl für die Marktgröße und -struktur als auch für die staatlichen Rahmenbedingungen, stellt die neue Studie „Impediments to Electricity Trading in Central and Eastern Europe“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) fest. Deutschland und Österreich sind danach die offensten Strommärkte mit den geringsten staatlichen Restriktionen der Region. Die Studie beruht auf Befragungen von 39 europäischen Stromhandelsunternehmen, die in Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn aktiv sind.

Fazit der Untersuchung: Generell tun sich die osteuropäischen EU-Neulinge schwerer mit einem freien Strommarkt als Österreich und Deutschland. „Das ist nicht weiter erstaunlich – schließlich sind diese Länder immer noch dabei, ihre planwirtschaftliche Vergangenheit zu bewältigen“, meint Christian Liebaug, Partner bei PwC im Bereich Utilities & Regulation. Aber: „Sie sollten sich intensiv bemühen, die Hindernisse gerade in der Energiewirtschaft möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. Denn ein über die Grenzen hinweg funktionierender Strommarkt ist wesentlicher Baustein einer preiswerten und sicheren Versorgung, von der die gesamte Wirtschaft profitiert.“

Als besonders hoch empfinden die Stromhändler die bürokratischen und regulatorischen Hürden in Polen und Ungarn. Beide Länder halten – beabsichtigt oder nicht – zudem die Sprachbarriere hoch: Hier gibt es die wenigsten Informationen zum Strommarkt in Englisch, der „lingua franca“ der Energiemärkte. Auch in Slowenien und Tschechien empfinden die Unternehmen diesen Mangel als Marktzugangs-Hindernis. „Nur ein freier, allen Marktteilnehmern zugänglicher Informationsfluss gewährleistet jenes Maß an Transparenz, das für einen funktionierenden Markt unabdingbar ist“, ermahnt Liebaug die Ministerien und Regulatoren, die in den einzelnen Ländern für die Rahmenbedingungen verantwortlich sind.

Ungarn tut sich zudem damit hervor, dass es für den Stromhandel Lizenzen verlangt, die aber nur schwer zu erlangen sind. In Slowenien, der Slowakei und Tschechien stehen den Händlern ebenfalls Lizenzprozeduren im Weg. Einige Länder fordern sogar, dass lokale Töchter gegründet und ins Handelsregister eingetragen werden, ehe sie ausländische Unternehmen zum Stromhandel zulassen. Nicht zuletzt stehen Ungarn und Polen an der Spitze, wenn es um die Transaktionskosten – also die Gebühren für Lizenzen, Strombörsen und Abrechnung des Handels – geht. Deutschland und Österreich bieten hier die günstigsten Bedingungen.

Erhebliche Unterschiede gibt es auch in den Abläufen der jeweiligen Strommärkte. Hinderlich empfinden die Stromhändler zum einen die unterschiedlich komplizierten Regeln des Zugangs zu den Strombörsen (in Deutschland, Österreich, Polen und Slowenien) und anderen Handelssystemen. Zum anderen weisen sie auf Mängel in der zeitlichen Abstimmung des Informationsaustauschs zwischen Stromerzeugern, Übertragungsnetzbetreibern, Börsen und Clearingstellen hin, hier ist eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren des Strommarktes unbefriedigend gelöst.

„Es geht um die Übertragung enormer Datenmengen, die zu bestimmten Zeiten verfügbar sein müssen, um den Marktteilnehmern rationale Entscheidungen zu ermöglichen“, erläutert Folker Trepte, Partner bei PwC im Bereich CTS – Energy Trading & Risk Management. „Dieser Austausch kann nur funktionieren, wenn er nach einem genauen täglichen Zeitplan erfolgt, der die Erfordernisse aller Beteiligten berücksichtigt.“ Freilich: „Der bestorganisierte Datenfluss nützt nichts, wenn es an Vollständigkeit und Qualität der Daten mangelt.

Und hier signalisiert unsere Studie massive Probleme: Die Händler erhalten wichtige Daten zur Stromerzeugung, zu Marktpreisen oder zu grenzüberschreitenden Aktivitäten oft nur unvollständig und unregelmäßig.“

Die Befragung der Händler ergab, dass die deutsche Börse EEX und die österreichische EXAA bereits als gut koordiniert angesehen werden, während der slowenischen Borzen und vor allem der polnischen Polpex noch erhebliches Entwicklungspotenzial zugeschrieben wird. So halten die Stromhändler denn auch im gegenwärtigen Stadium den Intraday-Handel, der einen extrem schnellen Datenfluss erfordert, nur an den Börsen in Deutschland und Österreich für interessant. „Der Intraday-Handel erfordert einen sehr gut entwickelten Marktplatz.

Dann ermöglicht er sehr schnelle Reaktionen auf die Marktentwicklungen, zum Beispiel auf Engpass-Situationen“, erklärt Folker Trepte. „Er ist also ein wichtiges Instrument zum kurzfristigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage.“ Beim grenzüberschreitenden Engpass-Management liegt Deutschland an der Spitze vor Österreich und Tschechien. Erheblichen Verbesserungsbedarf orten die Händler in Slowenien, Ungarn, der Slowakei und Polen.

Ebenfalls als wenig entwickelt beurteilen die Stromhandelsunternehmen die Ausgleichsenergiemärkte der neuen EU-Mitgliedsstaaten. Nur in Tschechien erscheint einem knappen Drittel der Befragten die Preisbildung in diesem Feld marktgesteuert.

In den übrigen vier Ländern sehen sie gar keinen marktgemäßen Ansatz.
Zum Vergleich: In Österreich sind es 100 Prozent, in Deutschland fast zwei Drittel der Händler, die den Ausgleichsenergiepreisen das Attribut „marktorientiert“ zubilligen.

Eine Grundvoraussetzung des effizienten Datenaustauschs sind nicht zuletzt kompatible und zuverlässige IT-Systeme sowie einheitliche Dateiformate. Das sind noch nicht einmal in allen nationalen Märkten Selbstverständlichkeiten – vor allem Ungarn, Polen und die Slowakei haben nach Beobachtungen der Stromhändler immer noch Datenverarbeitungs-Probleme. „Soll der europäische Strommarkt zusammenwachsen, müssten die nationalen Handelssysteme aber auch grenzüberschreitend zu einer gewissen Abstimmung kommen“, fordert Folker Trepte. „Es ist unübersehbar: Auf dem Weg zu integrierten Strommärkten gibt es noch einiges an Harmonisierungsbedarf.“

Die Studie „Impediments to Electricity Trading in Central and Eastern Europe“ können Sie bei nachfolgendem Pressekontakt bestellen.

Media Contact

Christiane Jungfleisch presseportal

Weitere Informationen:

http://www.pwc.com

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