Alkohol und Drogen während der Schwangerschaft: Langzeitstudien belegen schädliche Folgen

Bei der Studie zu den Auswirkungen des Alkoholkonsums handelt es sich um die weltweit längste Beobachtung an Menschen mit Fetalen-Alkohol-Spektrumsstörungen FASD (The Journal of Pediatrics, Volume 150, Issue 2). Die Studie zum Drogenkonsum kommt zum Schluss, dass die gemeinsame Rehabilitation von drogenkranken Müttern und ihren Kindern ein Erfolg versprechendes Modell ist (European Addiction Research, Volume 13, Issue 2; European Child & Adolescent Psychiatry, Volume 15, Issue 8).

Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts sind die dramatischen Auswirkungen des Konsums von Alkohol während der Schwangerschaft auf das sich entwickelnde Kind bekannt. Medizinisch werden sie heute als Fetale-Alkohol-Spektrumsstörungen (FASD) bezeichnet. Bei Fällen mit schwerer Schädigung resultieren Kleinwuchs, äussere und innere Missbildungen verschiedenen Grades, geistige Behinderung und verschiedene psychische Störungen, die sich nicht selten als Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) manifestieren.

Hans-Christoph Steinhausen, Ordinarius für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Zürich, hat in mehreren Langzeitstudien in Zusammenarbeit mit Hans-Ludwig Spohr (Professor und Kinderarzt in Berlin) an Kindern in Deutschland die Folgen für die längerfristige Entwicklung untersucht. Anknüpfend an ihre Veröffentlichung im Jahr 1993 zu Zehn-Jahres-Verläufen haben die beiden Forscher nun in Zusammenarbeit mit Judith Willms ihre Langzeitbeobachtungen über Zwanzig-Jahres-Verläufe von Patienten mit FASD publiziert.

Obwohl die charakteristischen Missbildungen im Schädel- und Gesichtsbereich sich zurückbilden, bleiben der Kleinwuchs und beim männlichen Geschlecht das Untergewicht bestehen, während bei Frauen das Körpergewicht zunimmt. Besonders bedrückend sind die bleibenden Einschränkungen der geistig-seelischen Entwicklung mit einem hohen Anteil an geistiger Behinderung, stark eingeschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten, bleibender Abhängigkeit von Versorgung und zahlreichen Verhaltensauffälligkeiten, unter denen Symptome von ADHS besonders markant sind.

Die Studie stellt Ergebnisse der weltweit längsten Beobachtung an Menschen mit FASD vor. Die Befunde sind bedeutsam, weil sie die auch durch Behandlung meist irreversiblen Schädigungen durch übermässigen Alkoholgenuss während der Schwangerschaft dokumentieren. Die Menge des täglichen Alkoholkonsums, ab dem mit Schädigungen des ungeborenen Kindes zu rechnen ist, kann zwar noch nicht zweifelsfrei bestimmt werden, doch gilt die Empfehlung, sich auf maximal ein Glas täglich zu beschränken.

Drogenkonsum, Intelligenz und Verhalten

Eine weitere Studie von Hans-Christoph Steinhausen und seiner Arbeitsgruppe widmet sich den Folgen von Drogenkonsum während der Schwangerschaft. Untersucht wurden Kinder, die gemeinsam mit ihren Müttern in zwei Schweizer Einrichtungen für drogenkranke Mütter in einem Rehabilitationsprogramm stationär betreut wurden. Nebst den Auswirkungen von sogenannt harten Drogen während der Schwangerschaft wurden auch biologische Risiken während der Schwangerschaft, der Geburt und in der Neugeborenperiode sowie einige risikoreiche Umwelt- und Lebensbedingungen erforscht. Zu letzteren zählen u.a. die Grösse des familiären Netzes, Merkmale der Drogenkarriere sowie die Intelligenz und psychische Auffälligkeiten der Mütter. Im Fokus der Fragestellung stand die Entwicklung von Intelligenz und Verhalten der Kinder.

Die mittlere Intelligenz lag in der untersuchten Gruppe von Kindern – die von Säuglingen bis zu Schulkindern reichte – unter der Norm der Bevölkerung, und der Anteil an Kindern mit unterdurchschnittlicher Intelligenz war bedeutsam erhöht. Die sogenannte Handlungsintelligenz stand in einer systematisch negativen Beziehung zum Ausmass des Drogenkonsums während der Schwangerschaft. Diese Negativ-Beziehung war vornehmlich durch den Konsum von Heroin oder Methadon geprägt. Keiner der umweltbedingten Risikofaktoren zeigte eine derartige Beziehung zur Intelligenz. Damit belegt dieser Teil der Studie die ungünstigen Auswirkungen des Drogenkonsums während der Schwangerschaft auf die geistige Entwicklung der Kinder.

Andere Beziehungen zu den untersuchten Risikofaktoren wurden im Falle von Verhaltensauffälligkeiten dieser Kinder aufgedeckt: Es zeigte sich, dass psychische Störungen der Mütter, deren niedriger Bildungsstand sowie ein kleines soziales und familiäres Netz mit Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern einhergingen. Die verschiedenen biologischen Risikofaktoren spielten dabei keine bedeutsame Rolle. Der stärkste Zusammenhang konnte zwischen kindlichen Verhaltensauffälligkeiten und mütterlichen, psychischen Störungen nachgewiesen werden. Dies spricht dafür, dass die gemeinsame Rehabilitation von drogenkranken Müttern und ihren Kindern – die in den an dieser Untersuchung beteiligten Einrichtungen praktiziert wurde – ein Erfolg versprechendes Modell ist.

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. H.-C. Steinhausen
Ärztlicher Direktor
Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Universität Zürich
Telefon: +41 (0)43 499 27 30
hc.steinhausen@kjpd.uzh.ch

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