Netzneutralität ökonomisch ineffizient

Eine Studie vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule St. Gallen (HSG) spricht sich gegen eine Gleichbehandlung der Datenpakte im Sinne der Netzneutralität aus. Applikationen wie Video on Demand, VoIP oder gehostete Anwendungen würden sehr hohe Anforderungen stellen, was die Qualität und Übertragungsgeschwindigkeit betrifft. Die Forscher unter der Leitung von Wolfgang Brenner sprechen sich in der Studie für Prioritätsklassen aus, um die Servicequalität (Quality of Service – QoS) aufrechterhalten zu können. „Dienste wie Video-Downloads oder Internettelefonie benötigen eine bestimmte Qualität, die nicht durchgehend für alle mit dem derzeitigen Best-Effort-Modell geliefert werden kann“, so Brenner im Gespräch mit pressetext.

Als Beispiel für die negativen Auswirkungen der Neutralitätsstellung führt Brenner die durch Seebeben zerstörten Unterwasserkabel in Südostasien an. Vor Taiwan wurden sechs von acht Kabeln zerstört. Die verbliebene Bandbreite wurde von hochvolumigen, aber wirtschaftlich wertlosen Anwendung blockiert. Einfache Transaktionen wie die Authentifizierung von Kreditkarten funktionierten nicht mehr. Das Best-Effort-Modell gilt für die Forscher als innovationshemmend. Indem die nach kommerziellen Gesichtspunkten geringwertigen, aber datenintensiven Applikationen immer mehr zunehmen, verdrängen sie die bereits vorhandenen hochwertigen Anwendungen und verhinderten möglicherweise sogar das Entstehen neuer Geschäftsmöglichkeiten im Internet, so die Forscher.

Sowohl die Bereitstellung der maximalen Bandbreite aber auch die Abschaffung der Flatrate würden keine optimale Lösung bringen. Als sinnvollster Ansatz wird die Erweiterung des Best-Effort-Modells durch kostenpflichtige Zusatzangebote gesehen. Als Vorbild wird der Paketdienst DHL genannt, der alternativ zum Standarddienst mit dem Express-Services eine Lieferung bis zum Mittag des folgenden Tages garantiere. Die Grundversorgung wird zwar nach wie vor zum Standardtarif angeboten – wünscht ein Kunde jedoch eine Qualitätsgarantie, so kann er diese bei den Anbietern kaufen.

Drei Geschäftsansätze zeigen die Studienautoren auf. „Zum einen kann der User die Qualitätssicherung beim Contentanbieter buchen. Dieser garantiert dafür, dass die Daten in einer nachvollziehbaren Qualität geliefert werden. Bei Viedeo-Downloads in HDTV-Qualität gibt es dann kein Ruckeln und keine Verzögerungen“, meint Brenner. Weiters wäre es denkbar, dass der Konsument einen Qualitätsvertrag mit dem ISP abschließt oder die garantierte Qualität über Werbung finanziert wird. Spätestens wenn datenintensive Anwendungen den Massenmarkt erreichen, werden Konsumenten einsehen, dass Qualität aufgrund der begrenzten Kapazitäten einen Wert hat, ist Brenner überzeugt.

Bevor solche Modelle in der Praxis jedoch erfolgreich sein können, müssten noch einige Hürden genommen werden. Zum einen fehlt ein industrieweiter QoS-Klassenstandard. „Dem Endkunden muss man nachweisen können, dass die bezahlte Qualität tatsächlich geliefert wird“, sagt Brenner. Des weiteren ist ein Mechanismus notwendig, der die Weiterleitungsvereinbarungen zwischen den Netzbetreibern kontrolliert. Dem Einwand, dass ohne Kauf von Zusatzleistungen ausschließlich schlechte Qualität geliefert werde, sind sich die Forscher bewusst. Jedoch werde dies der Markt durch Konkurrenz regeln. „Eine Mindestqualität wird es auch weiterhin zum Standardtarif geben. Die Kapazitäten für hochklassige Qualität sind jedoch begrenzt – ähnlich wie First-Class-Sitze in einem Flugzeug“, so Brenner abschließend gegenüber pressetext. Am Donnerstag wird die Studie auf der Homepage der HSG veröffentlicht.

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Andreas List pressetext.schweiz

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