Heroingestützte Behandlung findet immer mehr Befürworter

Nach zahlreichen Experten appellieren nun auch die Kirchen, die schwerstabhängigen Patienten nicht zu vernachlässigen. Die Entscheidung für eine diamorphingestützte Behandlung sei eine Frage der Menschenwürde – nicht nur der Studienteilnehmenden, sondern aller schwerstopiatabhängigen Menschen.

Ein Zusammenschluss der SPD-Bundestagsabgeordneten aus Städten mit Heroinambulanzen um Johannes Jung, MdB aus Karlsruhe, wirbt engagiert um eine „Große Koalition der Vernunft und Menschlichkeit“ zur Fortsetzung der Diamorphinbehandlung – auch bei den Abgeordneten der Union.

Die an der so genannten Heroin-Studie beteiligten sieben Städte lassen sich durch die Absage der Unionsfraktion im Bundestag zur diamorphingestützten Behandlung nicht entmutigen. Beim heutigen Treffen in Frankfurt bekräftigten sie ihr ungebrochenes Interesse, die Diamorphinbehandlung fortzusetzen und über die derzeit noch ca. 300 behandelten Patienten hinaus auszuweiten. Anlässlich des Treffens sicherte Bätzing den Kommunen ihre Unterstützung zu: „Den Städten darf nicht länger verweigert werden, lokale Drogenprobleme mit neuen Methoden anzugehen. Die Diamorphinbehandlung ist ein sinnvoller und erwiesenermaßen wirksamer Bestandteil einer modernen städtischen Drogenpolitik.“

Bätzing beruft sich auf neue wissenschaftliche Ergebnisse des Modellprojekts zur diamorphingestützten Behandlung Opiatabhängiger. Aktuell hat das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen die Auswertung von Polizeidaten der 1.020 Studienteilnehmenden des Modellprojekts vorgelegt. Sie bestätigen die bereits bekannten Ergebnisse aus den Selbstangaben der Patienten: Die Kriminalität unter den mit Diamorphin behandelten Patienten nahm deutlich stärker ab als in der mit Methadon behandelten Gruppe. Nach einjähriger Behandlung sank der Anteil der Patienten, die von der Polizei registriert worden war, in der Diamorphingruppe von 55 % auf 39 %. In der Methadongruppe verringerte er sich nur geringfügig von 58 % auf 55 %.

Neben der gesunkenen Zahl von Rauschgiftdelikten ist besonders erfreulich, dass in der Diamorphingruppe zwei Drittel weniger Gewaltdelikte registriert wurden.

Nicht nur weniger Personen verübten Delikte, sondern auch die Zahl der Taten ging zurück: Waren für alle Studienteilnehmenden der Diamorphingruppe im Vorjahr der Behandlung von der Polizei beispielsweise noch rund 230 Ladendiebstähle registriert worden, waren dies im ersten Behandlungsjahr nur noch rund 20 Delikte.

„Die neuen Ergebnisse zeigen nochmals, dass die Gesellschaft insgesamt von der Diamorphinbehandlung profitiert“, so die Drogenbeauftragte. „Sie macht unsere Städte sicherer, indem sie nachhaltig und wirkungsvoll Drogenkriminalität bekämpft. Die überwiegend CDU-regierten Kommunen mit Heroinambulanzen haben dies längst erkannt. Die Vertreter der Union auf Bundesebene dagegen ignorieren bislang sowohl sicherheitspolitische als auch ethische Aspekte und stellen sich so gegen ihre eigene Basis.“

Hintergrund:

Die Ergebnisse im deutschen Modellprojekt hatten für die Patientengruppe der schwerst Opiatabhängigen eine signifikante Überlegenheit der diamorphingestützten Therapie gegenüber der Methadonbehandlung gezeigt. Trotz positiver fachlicher Beurteilung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kann das Medikament jedoch erst zugelassen werden, wenn zuvor eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes erfolgt. Das Gesetz verbietet derzeit das Verschreiben von Diamorphin.

Die Patienten des Projekts werden noch bis zum 30.06.2007 mit Diamorphin behandelt. Für eine geregelte Weiterbehandlung dieser Patienten ist es dringend erforderlich, in den nächsten Monaten eine entsprechende Gesetzesinitiative zur Änderung des Betäubungsmittelgesetztes zu starten. Zahlreiche Experten und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe fordern für eine sehr kleine Gruppe von 1.000 bis 3.000 schwerst Opiatabhängiger die diamorphingestützte Behandlung als Regelversorgung. Hamburg strebt derzeit eine Bundesratsinitiative an. Bisher lehnen CDU und CSU im Bundestag eine ebenfalls mögliche Gesetzesinitiative ab und blockieren damit ein Handeln der Bundesregierung.

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