Mercer-Studie Autoelektronik / Elektronik setzt die Impulse im Auto

Elektronik ist der zentrale Treiber für beinahe alle neuen Funktionen im Auto. Bis 2015 wird der Markt für Elektrik und Elektronik im Auto daher weltweit um 5,9 Prozent pro Jahr auf 230 Milliarden Euro wachsen und schließlich über 30 Prozent des Fahrzeugwertes ausmachen. Besonders gefragt sind elektronische Funktionen, von denen der Fahrer direkt profitiert: Sicherheit, Unterhaltung, Information und Bequemlichkeit.

Dies sind Ergebnisse der Mercer-Studie Autoelektronik, die neben den Trends in der Elektronik auch die Auswirkungen auf Automobilzulieferer untersucht. Eine Herausforderung für die Industrie liegt in den geplanten Elektronik-Architekturen und -Standards. Wie und wann sie kommen, ist derzeit noch offen. Die Mercer-Studie empfiehlt eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Zulieferern. Aufgrund weltweiter Überkapazitäten und des steigenden Wettbewerbs aus Schwellenländern wird der Kostendruck auf die Zulieferbranche weiter zunehmen.

Erfolgreiche Strategien setzen deshalb auf Kostensenkung, aber auch auf Wege, dem Kostendruck zu entgehen. Der Endkunde, so ein weiteres Ergebnis der Studie, wird zunehmend wichtiger für die Elektronik-Zulieferer – einerseits, um die Bestellraten von neuen Funktionen und Sonderausstattungen besser einschätzen zu können, andererseits, um kundenorientierte Produkte auf den Markt bringen zu können. Über mechatronische Komponenten können sich Zulieferer besser vom Wettbewerb differenzieren.

Ob Motor, Bremse, Radio oder Klimaanlage – kaum eine Funktion des Autos kommt heute ohne elektronische Regelung aus. Der Wertanteil der Elektrik und Elektronik im Auto wächst daher kontinuierlich. Heute machen elektrische und elektronische Bauteile sowie Software weltweit bereits durchschnittlich 20 Prozent des Autowertes aus. Bis 2015 wird dieser Anteil laut der Mercer-Autoelektronik-Studie auf über 30 Prozent anwachsen. Da die Zahl der produzierten Autos in diesem Zeitraum voraussichtlich nur um 1,5 Prozent pro Jahr wächst, sind die Automobilzulieferer auf die Wachstumsimpulse der Elektronik angewiesen.

Bereits heute haben Autoelektronik-Zulieferer eine deutlich höhere Profitabilität als der Durchschnitt der Automobilhersteller. Während die Branche insgesamt eine Umsatzmarge von vier Prozent erzielt, liegt der Gewinn von Elektronik-Zulieferern teilweise bei über sieben Prozent vom Umsatz. Champions wie Gentex, der Spezialist für automatisch abblendende Spiegel, oder der Infotainment-Hersteller Harman Int. liegen sogar noch deutlich darüber. „Durch den konstanten Strom an Neuerungen im Fahrzeug wird die Autoelektronik auch in Zukunft deutlich überdurchschnittliches Wachstum und gute Margen ermöglichen“, sagt Dr. Guido Hertel, Automobilexperte von Mercer und Autor der Studie.

Überdurchschnittliches Wachstum für Elektronik-Anwendungen

Insgesamt kann der Markt für Autoelektrik und -elektronik weltweit bis 2015 um 5,9 Prozent pro Jahr wachsen – dies vor allem dadurch, dass sich bereits existierende Anwendungen der Oberklasse in untere Marktsegmente ausdehnen. Darüber hinaus kommen innovative Features hinzu. Das stärkste Wachstum zeigt dabei die Elektronik für den Innenraum, die laut Mercer-Studie um sieben Prozent jährlich zulegen kann. Der Begriff Innenraum umfasst in erster Linie Infotainment-Anwendungen, Displays und verschiedene Komfortfunktionen. In Zukunft werden beispielsweise Navigationssysteme nicht nur den Weg kennen, sondern auch Verkehrslast, Baustellen und Verkehrszeichen berücksichtigen.

Ein mit knapp sechs Prozent ebenfalls noch gutes Wachstum wird es in den Segmenten Chassis und Karosserie geben. Hier finden sich Elektronik-Anwendungen wie aktive Federung, ABS, ESP und adaptive Lenkung sowie intelligente Scheinwerfer, aktive Sicherheits- und Fahrerassistenzsysteme. Die Systeme in Chassis und Karosserie erhöhen neben dem Komfort insbesondere die Sicherheit. Bald werden Autos selbstständig einparken können und für die Autobahn wird es Spurhalte- und Spurwechselassistenten geben. Künftige Stop-and-go-Automatiken werden in Stausituationen automatisch dem vorausfahrenden Auto folgen können.

Aber auch die Segmente Elektronik für Antriebsstrang und Motor sowie Elektrik und Bordnetz wachsen mit 4,9 bis 5,5 Prozent deutlich stärker als der Rest des Automobilbaus. Haupttreiber der Entwicklung ist der Trend zu treibstoffsparenden und umweltfreundlicheren Antrieben, allen voran die Hybridtechnologie. Durch ihren zusätzlichen Elektroantrieb benötigen Hybridautos zahlreiche neue Elektrik- und Elektronik-Komponenten.

Den Endkunden besser verstehen

Die Innovationen bei Hard- und Software treiben den Fortschritt im Auto an. So werden heute die meisten neuen Funktionen durch Elektronik überhaupt erst möglich. Über zwei Drittel der Innovationen werden durch die Elektronik ermöglicht oder von ihr maßgeblich beeinflusst. Elektronik-Zulieferer leisten einen Großteil der dafür notwendigen Forschung und Entwicklung. Während im Jahr 2005 der Branchendurchschnitt für F&E-Aufwendungen der Zulieferer allgemein bei 4,3 Prozent vom Umsatz lag, gaben viele Elektronik-Zulieferer mehr als acht Prozent vom Umsatz hierfür aus.

Zahlreiche neue Funktionen sind zunächst als Sonderausstattungen verfügbar, von elektrisch verstellbaren Sitzen bis zu Scheinwerfern, die sich der Fahrtrichtung automatisch anpassen. Über die Hälfte der Sonderausstattung eines Wagens der oberen Mittelklasse wird durch Elektronik beeinflusst und die Tendenz ist weiter steigend. Die durch die Elektronik entstandene Funktionsvielfalt erfordert aber auch eine stärkere Auseinandersetzung mit den zukünftigen Endkundenbedürfnissen. Gerade Zulieferer, die den Großteil der Forschung und Entwicklung durchführen und oft keinen direkten Kundenzugang haben, müssen hier aktiver werden. „Viele deutsche Zulieferer nehmen im Bereich Elektronik-Innovationen weltweit eine führende Position ein. Allerdings wird zukünftig Innovation im Zusammenhang mit dem Endkundenverständnis immer wichtiger. Hier gibt es noch Handlungsbedarf bei Elektronik-Zulieferern, um das Absatzrisiko besser beherrschen zu können“, so Automobilexperte Hertel.

Neben Elektronik-Funktionen, die originär bei Automobilherstellern und -zulieferern entstehen, wird eine zweite Quelle zunehmend wichtiger, die außerhalb des klassischen Fahrzeugbaus liegt. Neue Entwicklungen aus der Konsumgüterelektronik, dem Internet und der Kommunikationstechnik, die kontinuierlich unseren Alltag verändern, drängen immer mehr in das Fahrzeug. iPods, WLAN und elektronische Mautsysteme sind nur einige Beispiele. Dies erhöht nicht nur die Funktionsvielfalt, sondern führt zu neuen Herausforderungen bei der technischen Integration und Pflege dieser Systeme im Fahrzeug.

Europa und Japan werden in der Automobilelektronik in den nächsten Jahren führend bleiben. Der asiatische Markt wird jedoch in Zukunft immer wichtiger werden. In China wird sich aufgrund des starken Wachstums im Bereich Elektronik (PC, Konsumgüterelektronik, Halbleiter etc.) und durch das hohe Interesse an Automobiltechnologie der Bereich Automobilelektronik dynamisch entwickeln. Bislang dominieren hier noch die etablierten Zulieferer. Aber in den nächsten Jahren ist mit neuen Anbietern aus dieser Region zu rechnen. „Das bedeutet, dass ein Asien-Engagement für die meisten Hersteller von Autoelektronik Pflicht ist. Es bedeutet aber auch, dass mittelfristig mit dem Auftauchen asiatischer Wettbewerber gerechnet werden muss“, kommentiert Mercer-Berater Hertel.

Standardisierung und Kooperationen werden immer wichtiger

Ein zentrales Branchenthema stellt die zukünftige Standardisierung der Elektronik-Architektur im Auto dar. In den letzten 20 Jahren ist die Elektronik im Auto von System zu System gewachsen. In der Vergangenheit hat dies zu massiven Qualitätsproblemen durch die hohe Funktionsvielfalt und Komplexität geführt. In den letzten ein bis zwei Jahren gelang jedoch die Kehrtwende. Viele neue Fahrzeugmodelle – insbesondere von deutschen Herstellern – erreichen sehr gute Werte bei der Zuverlässigkeit. Dennoch kommen bestehende Architekturen immer mehr an ihre Grenzen. Selbst in einem Kleinwagen finden sich mittlerweile an die 20 Steuergeräte, in der Oberklasse sind es bis zu 70. Sie steuern den Motor oder regeln die Stoßdämpferabstimmung, kontrollieren Funktionen wie die Fensterheber oder halten das Autoklima konstant. Die Mehrzahl der von Mercer im Rahmen der Studie befragten Experten glaubt derzeit, dass sich die Zahl der Steuergeräte in den nächsten Jahren annähernd halbieren lässt.

Eine Reihe von Standardisierungsinitiativen erarbeiten zurzeit Grundlagen für einheitliche Schnittstellen und Softwarearchitekturen, wie etwa AUTOSAR im Bereich Software. Die Autohersteller versprechen sich durch solche Standards eine geringere Entwicklungsredundanz, höhere Qualität und mehr Innovationen. In der Vergangenheit waren oft die Standardisierungsbemühungen erfolgreicher, die direkte Endkundenvorteile und dadurch bessere Absatzchancen versprachen. Neue Märkte wie die Hybridtechnologie oder Fahrerassistenzsysteme erschließen zwar zusätzliche Kundenvorteile, erfordern aber gleichzeitig ein enges Kostenmanagement, um erfolgversprechend zu sein. Dieses Kostenmanagement lässt sich durch Kooperationen und Standardisierung verbessern. „Hier geht es um Zukunftsmärkte, an denen jeder partizipieren möchte“, so Mercer-Berater Hertel. Eine Standardisierung oder Kooperationen, die ausschließlich auf Kosten fokussieren, verfügen über eine weitaus geringere Durchsetzungskraft.

Durch den Einzug der Elektronik in das Auto erhalten Zulieferer und Hersteller die Chance, aus dem Massenprodukt Auto ein noch individuelleres Produkt zu machen – etwa durch persönliche Abstimmung von Motor, Federung, Schaltung, Klima, Sitzposition und Information. In der Praxis sind jedoch vor allem die Funktionen erfolgreich, die keine Einstellung und Bedienung benötigen. Zwischen diesen zwei Polen verbirgt sich eine Fülle künftiger Geschäftsmodelle, vom „neuen“ Systemlieferanten über Mechatronik-Spezialisten bis zu verschiedenen Softwaregeschäftsmodellen. Allerdings rechnet sich noch nicht jedes dieser neuen Geschäftsmodelle. „Der Schlüssel liegt in der richtigen Einschätzung des Endkunden, den darauf aufbauenden Innovationen und dem dazu am besten passenden Geschäftsmodell“, so Automobilexperte Hertel.

Strategische Anforderungen für Elektronik-Zulieferer

Komplexität beherrschen: Die zunehmende Vernetzung der einzelnen elektronischen Systeme bedeutet eine immer weiter wachsende Komplexität. Um sie besser zu beherrschen und um Komponenten für mehrere Funktionen nutzen zu können, müssen die Zulieferer untereinander stärker kooperieren. Elektronik-Zulieferer, die übergreifende Probleme lösen und vernetzt denken können, werden in den nächsten Jahren die Nase vorn haben. Die Autohersteller suchen verstärkt nach Systemanbietern, die ihnen Aufgaben abnehmen.

Anhaltender Kostendruck: Auch künftig werden Systementscheidungen vorrangig unter Kostenaspekten gefällt. Zunehmend werden sich westliche Anbieter auch bei Hightech-Produkten der wachsenden Konkurrenz aus Billiglohnländern stellen müssen. Das bedeutet, dass weiterhin die gesamte Bandbreite an Maßnahmen zur Kostensenkung genutzt werden muss, einschließlich der Möglichkeiten zur Standardisierung sowie zum Outsourcing und Offshoring. Eine Teilung der Entwicklungsaktivitäten ist allerdings nur bei sehr großen Zulieferern sinnvoll.

Kundenorientierte Elektronik-Funktionen: Neue Extras werden auch weiterhin die Positionierung kommender Automodelle prägen und ihren Herstellern weit überdurchschnittliche Gewinnmargen ermöglichen. Der Erfolg neuer Funktionen wird sich in Zukunft vor allem an der Schnittstelle Mensch – Auto beweisen. Neue Funktionen dürfen den Fahrer nicht überfordern, sondern müssen seine Tätigkeit erleichtern. Bisher werden viele neue Funktionen zu stark durch Technik getrieben, es fehlt ihnen die Orientierung an den Kundenbedürfnissen.

Mechatronische Komponenten: Sinnvolle Kombinationen aus elektronischen und mechanischen Bauteilen sparen nicht nur Platz, sondern eröffnen neue Funktionen und verbessern die Kostenposition. Sie bilden eine wichtige Barriere gegen den Wettbewerb. Mechatronische Komponenten erfordern komplexere Kompetenzen in der Entwicklung wie auch in der Fertigung. Die Folge ist, dass sich Mechatronik-Hersteller besser im Wettbewerb differenzieren können.

Vier zentrale Aufgaben für Autoelektronik-Zulieferer

Auf den Endkunden fokussieren

Noch immer wird die Entwicklung neuer Features mehr vom Machbaren getrieben als vom Bedarf. Wer den Kundenbedarf richtig interpretiert, kann wettbewerbsdifferenzierende Produkte entwerfen und die Bestellrate von Sonderausstattungen besser einschätzen.

Mit Mechatronik Differenzierung schaffen

Einen eindeutigen Trend zur reinen Elektronik gibt es bislang nicht. Viele elektronische Funktionen lassen sich sinnvoll direkt mit mechanischen Bauteilen kombinieren. Dies bietet durch die schlüssige Integration zu einem Gesamtsystem eine gute Differenzierung im direkten Vergleichswettbewerb.

Die Diskussion um Standards und Fahrzeugarchitekturen eng verfolgen

Dem Trend zur Standardisierung und zu neuen Architekturen kann sich kein Zulieferer entziehen. Allerdings ist derzeit nicht abzusehen, welcher Standard wann und wie kommen wird. Schnelle Entscheidungen sind nur dort zu erwarten, wo neue Endkundenbedürfnisse geweckt werden. Wichtig ist, sich frühzeitig und optimal in einer sich verändernden Fahrzeugarchitektur zu positionieren.

Die Kosten im Griff behalten

Zulieferer aus Schwellenländern holen rapide auf. Elektronik-Zulieferer aus Asien werden den Kostendruck auf die Branche in den nächsten Jahren noch verstärken. Westliche Hersteller müssen daher die gesamte Klaviatur der Kostensenkung beherrschen.

Die Mercer-Studie Autoelektronik

Die Autoelektronik-Studie zeigt aktuelle Trends bei Autoelektrik und -elektronik auf und gibt handlungsrelevante Denkanstöße für Zulieferer. Sie entstand im Laufe der Jahre 2005 und 2006 aus knapp 50 Experteninterviews mit Entwicklungsingenieuren und Führungskräften der ersten und zweiten Führungsebene sowie mit Branchenexperten. Zudem ging die Erfahrung aus zahlreichen Beratungsprojekten für Automobilzulieferer und Automobilhersteller in die Studie ein.

Mercer Management Consulting, eine der führenden internationalen Unternehmensberatungen mit 190 Büros in 40 Ländern, ist Teil des Beratungszweigs von Marsh & McLennan Companies. Weltweit erwirtschaften 15.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar. Die Büros in München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Zürich tragen mit 545 Mitarbeitern zu diesem Erfolg bei.

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Weitere Informationen:

http://www.mercermc.de

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