Streber – oder wenn Leistung bestraft wird

An deutschen Schulen steht den Anforderungen unserer Gesellschaft nach Leistung ein Phänomen entgegen: die Etikettierung von leistungsstarken Schülern als Streber.

Die Chemnitzer Professorin für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik, Prof. Dr. Astrid Schütz, und die Diplomandin Katrin Rentzsch wollen diesem Widerspruch auf den Grund gehen und starteten im Juni 2005 ihr Forschungsprojekt „Streber“.

Angeregt wurden sie auch von der Untersuchung des einstigen Chemnitzer Soziologieprofessors Dr. Klaus Boehnke (jetzt International University Bremen), der sich dem deutschen Streber-Phänomen kulturvergleichend im Rahmen des DFG- Forschungsprojekts „Die Bildungsqualität von Schule“ widmete. Bereits 2002 zeigte er, dass die Angst als Streber diffamiert zu werden, mit besseren Zensuren steigt. Prof. Schütz und Katrin Rentzsch untersuchten nun das Streber-Phänomen genauer und prüften, durch welche Faktoren Akzeptanz und Beliebtheit beeinflusst werden.

Folgende Untersuchungsfragen standen im Mittelpunkt: Was wird mit dem Begriff „Streber“ verbunden? Wie häufig wird dieses Etikett zugeschrieben? Durch welche Persönlichkeitseigenschaften zeichnen sich Schüler, die häufig Streber genannt werden, aus? Stehen diese Eigenschaften in Zusammenhang mit den zugeschriebenen Eigenschaften? Welche Faktoren beeinflussen die Beliebtheit von leistungsstarken Schülern? Dazu befragte Katrin Rentzsch 317 Mädchen und Jungen der achten Klasse an sechs Chemnitzer Mittelschulen und Gymnasien. 30 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bereits mit abfälligen Bemerkungen von Mitschülern auf Grund ihrer guten Schulleistungen konfrontiert waren. Fast ein Viertel der Schüler hat zumindest bisweilen Angst davor, als Streber bezeichnet zu werden und gut 20 Prozent gaben an, dass sie manchmal bis häufig Streber genannt werden. Dabei ist die Bezeichnung nicht geschlechtsspezifisch. Jungen und Mädchen sind gleichermaßen betroffen. „Zudem geht die Etikettierung nicht nur von einer kleinen Minderheit aus“, so die 22-jährige Psychologiestudentin Katrin Rentzsch. „Fast ein Drittel der befragten Acht-Klässler bezeichnet andere als Streber.“

Schüler, die oftmals als Streber bezeichnet werden, sind introvertierter und gewissenhafter als der Rest der Klasse. „Außerdem haben sie einen höheren Leistungsselbstwert und einen niedrigeren Selbstwert in Bezug auf Sportlichkeit und physische Attraktivität“, so Katrin Rentzsch. „Präventiv bedeutsam sind die Ergebnisse, weil sie auf der Basis hypothetischer Szenarien Hinweise darauf geben, wann Leistung mit Beliebtheit einhergeht und wann nicht“, so die Studentin weiter. „Wir haben festgestellt, dass als Streber bezeichnete Schüler trotz guter Noten dann beliebt in der Klasse sind, wenn sie ihre schulischen Anstrengungen nicht offen präsentieren, ihre Leistungen eher bescheiden darstellen, sportlich engagiert sind und sich den Mitschülern gegenüber gesellig verhalten.“

Um dem Streber-Phänomen entgegenzuwirken, empfehlen Prof. Dr. Schütz und Katrin Rentzsch Lehrkräften den Datenschutz z.B. bei der Rückgabe von Arbeiten noch ernster zu nehmen, damit leistungsstarke Schüler nicht als Streber und leistungsschwache nicht als Versager gebrandmarkt werden. Ein individuelles Gespräch zum Notenstand sei zumindest in dieser kritischen Phase der Jugend die bessere Alternative. „Informationen über die Bedingungen, die zur Beliebtheit von so genannten Strebern beitragen, können außerdem von Schulpsychologen oder Mediationsteams an Hilfe suchende Schüler weitergegeben werden“, erklärt die Professorin.

Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Astrid Schütz, Telefon (03 71) 5 31 – 36 366, E-Mail astrid.schuetz@phil.tu-chemnitz.de und Katrin Rentzsch, E-Mail katrin.rentzsch@s2002.tu-chemnitz.de.

(Autorin: Janine Mahler)

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Mario Steinebach Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

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