Hohenheimer WM-Studie: Stimmungsbarometer für Deutschlands Großstädte

Eine Bevölkerungs-Umfrage in deutschen Großstädten zeigt: Kurz vor dem Anpfiff ist die WM-Euphorie ungebremst. Der „Begeisterungsindex“ zur WM der Universität Hohenheim belegt aber auch: Die Partylaune ist nicht immer dort am größten, wo die Stadien stehen – die größte Begeisterung findet sich in den deutschen Großstädten Hamm, Braunschweig und Halle. Darüber hinaus zeigt die Untersuchung: Bei ihrem Rahmenprogramm treffen nicht alle Städte die Vorstellungen ihrer Bevölkerung, teilweise klaffen diese auseinander. Bundesweit einheitlich ist das hohe Sicherheitsgefühl der Bevölkerung: Die Gefahr von Ausschreitungen wird nur als mittelmäßig, die Vorbereitung der Sicherheitskräfte hingegen als überdurchschnittlich gut eingeschätzt.


1.780 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet haben Mitarbeiter des Lehrstuhls für Marketing von Prof. Dr. Markus Voeth an der Universität Hohenheim im Mai 2006 telefonisch zu ihrem Interesse an der Fußball-WM und dem lokalen Rahmenprogramm, ihrem Sicherheitsbedürfnis und ihrer Zahlungsbereitschaft für Schwarzmarkttickets befragt. „Generell haben wir uns auf die 50 größten Städte Deutschlands sowie auf Kaiserslautern, als einzige WM-Stadt mit unter 100.000 Einwohnern, konzentriert. Dabei haben wir die Stichproben so verteilt, dass wir mit der üblichen Genauigkeit der Marktforschung individuelle Aussagen für jede Großstadt treffen können“, erklärt der Leiter der Studie, Prof. Voeth.

In einer vorherigen Teilstudie hatten die Marktforscher bereits Konzepte, Ziele, Budget und Sponsoring-Anteil am WM-Rahmenprogramm bei Deutschlands Großstädten erhoben. „Auf diese Weise konnten wir berechnen, wie weit sich Angebot und Ziele der einzelnen Städte mit den Erwartungen der Bevölkerung decken“, erläutert Prof. Voeth.

AUS DEN ERGEBNISSEN

Generell bewegt sich die Begeisterung in der Bevölkerung kurz vor dem Anpfiff auf konstant hohem Niveau: „Laut unseren Jahresumfragen, die wir seit 2001 durchführen, liegt die Zahl der WM-Befürworter beinahe unverändert bei 82 Prozent. Die Zahl der WM-Gegner dagegen ist noch einmal auf nun nur noch sechs Prozent gesunken“, sagt Prof. Voeth, der Initiator der Langzeitstudie.

„Die größte Zustimmung findet sich in Hamm, Braunschweig und Halle mit über 95 Prozent“, berichtet Isabel Tobies, eine der beiden Projektleiter (s. Anlage). Unter den WM-Städten führten Hannover, München und Hamburg mit über 90 Prozent. Schlusslicht in Sachen WM-Euphorie sei erstaunlicherweise Berlin – dabei würde die Hauptstadt Berlin bundesweit als Stadt mit dem umfangreichsten Rahmenprogramm gelten und stelle nach eigenen Angaben auch das größte Budget in Höhe von vier Millionen Euro.

Ranking zum Begeisterungsindex in den WM-Städten: Hannover, München und Hamburg (91-95 %), Gelsenkirchen und Dortmund (86-90 %), Kaiserslautern, Stuttgart und Frankfurt/Main (81-85 %), Köln, Nürnberg und Leipzig (76-80 %), Berlin (71-75 %)

Sicherheitsbedenken scheinen die WM-Euphorie jedenfalls kaum zu trüben: „In allen Städten wird die Gefahr von Ausschreitungen nur als mittelmäßig eingeschätzt: Auf einer Skala von 1 bis 6 platzierten die Bürger ihre Sicherheitsbedenken fast exakt in der Mitte“, erklärt Christian Niederauer, der zweite Projektleiter der Studie. Gleichzeitig stünde dem ein überdurchschnittliches Vertrauen in die Sicherheitskräfte gegenüber, zitiert Isabel Tobies: „Als Antwort auf die Frage: „Wie gut sehen Sie die Sicherheitskräfte für ein Ereignis wie die WM gerüstet?“ ergab sich auf einer sechsstufigen Skala von „sehr schlecht“ (1) bis „sehr gut“ (6) im Mittel über alle Befragten eine 4,2.“

Interessant sei allerdings, dass sich die WM-Euphorie nicht in einer besonders hohen Zahlungsbereitschaft für Schwarzmarkt-Tickets äußert. Wären Tickets über den Schwarzmarkt zu beziehen, so würde die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft für Tickets der geringsten Kategorie je nach Stadt mit 62 bis 88 Euro nur selten über dem doppelten des Originalpreises liegen. Hohe Zahlungsbereitschaft zeigten dabei vor allem die Bewohner von Augsburg (88,33 €), Wiesbaden (86,25 €), Hannover (82,65 €), Mannheim (77,31 €) und Nürnberg (75,38 €); sparsam seien hingegen die Bewohner in Lübeck (62,14 €), Stuttgart (62,29 €), Kiel (63,52 €), Mönchengladbach (64,79 €) und Essen (65,46 €).
vollständige Liste siehe www.wm-studie.de

Mit ihren Zielen scheinen viele Städte allerdings nicht genau die Vorstellungen ihrer Bevölkerung zu treffen. So wünscht sich die Bevölkerung häufig in erster Linie ein Programm, das an ihren Interessen ausgerichtet ist – z.B. die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Tatsächlich geht es den Städten aber stärker um Medienpräsenz, Tourismusförderung und Imagebildung“, berichtet Christian Niederauer.

„Durch einen Vergleich der Angaben der Städte zu den Zielen ihres Rahmenprogramms und den Angaben der Bevölkerung haben wir einen Abweichungsindex berechnet, der zeigt, wie treffgenau die Ziele der Planer mit den Zielen der Bevölkerung übereinstimmt“, sagt Prof. Voeth. Überragend sei die Übereinstimmung dabei in Osnabrück (Abweichung weniger als 1 %), Gelsenkirchen (Abweichung von 1,0 %), Lübeck (Abweichung von 1,9 %) und Leipzig (Abweichung von 2,0 %).

„Spannend wird nun die Frage, wie die Beteiligten das Programm und die Konzepte tatsächlich erleben“, meint Marketing-Experte Prof. Dr. Voeth. Deshalb plant das Forscherteam eine weitere Bevölkerungsbefragung im unmittelbaren Anschluss an die WM.

Hintergrund

In einer groß angelegten Langzeitstudie zur FIFA Fußball-WM 2006 misst der Lehrstuhl für Marketing von Prof. Voeth in jährlichen Befragungsrunden unter anderem die Begeisterung, Präferenzen und Vorstellungen der Bevölkerung für die WM 2006. Daneben erfassen jährlich wechselnde Sonderschwerpunkte Themen wie die WM als Chance für Städte und Regionen, Vermarktungspotenziale, Sicherheit, Ticket-Pricing, Merchandising und Standortwahl der Stadien. Die Studie soll einerseits Stimmungsindikator, andererseits auch konstruktiver Beitrag für eine erfolgreiche Organisation sein.

Die aktuell vorliegenden Ergebnisse wurden im Mai 2006 mithilfe eines standardisierten Fragebogens per Telefoninterview ermittelt. Insgesamt wurden 1.780 Einwohner deutscher Großstädte befragt.

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Florian Klebs idw

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