Kapitalkosten als strategisches Entscheidungskriterium

  • Optimale Kapitalverteilung wird für Unternehmen immer wichtiger
  • Fehlallokation von Kapital durch mangelnde Differenzierung von Kapitalkosten mindert bei rund einem Drittel der Unternehmen Geschäftsergebnis bzw. Unternehmenswert um zehn Prozent und mehr
  • 63 Prozent der Unternehmen differenzieren ihre Kapitalkosten nicht nach Bereichen, Regionen oder Projekten – 82 Prozent wollen dies aber künftig tun

Wie können Unternehmen die knappe Ressource Kapital einsetzen, um den größten unternehmerischen Erfolg zu erzielen? Inwieweit nutzen sie dabei Kapitalkosten als strategisches Instrument? Diesen Fragen geht eine Studie von Roland Berger Strategy Consultants in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rudolf Volkart von der Universität Zürich nach. Dazu wurden 72 Konzerne aus Deutschland und der Schweiz befragt, darunter zwölf der 20 größten deutschen und vier der zehn größten Schweizer Unternehmen. Ein wesentliches Ergebnis: Obwohl die Unternehmen ihre Finanzmittel je nach Risiko- und Renditechancen auf einzelne Geschäftsbereiche verteilen müssten, unterstellen 53 Prozent der Befragten für alle Bereiche eine identische Risiko-Rendite-Situation und gleiche Kapitalkosten. Durch diese Fehlallokation verschlechtern sich bei rund einem Drittel der Unternehmen Geschäftsergebnis bzw. Unternehmenswert um mindestens zehn Prozent. Immerhin planen 82 Prozent der Befragten, ihr Kapital künftig abhängig vom Risiko des jeweiligen Geschäftsfeldes einzusetzen.

Der Wettbewerb um die Ressource Kapital nimmt zu, seit Renditen international vergleichbar sind und Kapital den lukrativsten Anlagechancen rund um den Erdball folgen kann. „Die optimale Verteilung von Kapital auf Basis differenzierter Kapitalkosten ist für die Mehrheit der befragten Unternehmen (78 Prozent) von großer und noch wachsender Bedeutung“, fasst Beatrix Morath, Partnerin bei Roland Berger Strategy Consultants in Zürich, die Ergebnisse der Studie zusammen.

Für die Untersuchung wurden 72 CFOs beziehungsweise Verantwortliche für Accounting und Controlling der Top-500-Unternehmen in Deutschland und der Top-100-Unternehmen in der Schweiz befragt. 86 Prozent der Firmen aus verschiedenen Branchen erzielen mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Rund 80 Prozent haben mindestens drei strategische Geschäftsbereiche. Knapp zwei Drittel der Befragten erzielen ihren Umsatz auch in Medium-Risk-Ländern, wie etwa China; ein Viertel sogar in Ländern mit hohem Risiko, wie dem Irak. Dennoch planen 63 Prozent ihre Kapitalkosten nicht differenziert nach Geschäftsfeldern, Regionen oder Projekten.

Kapitalkosten immer wichtiger

Fehlallokationen von Kapital durch mangelnde Differenzierung der Kapitalkosten führen bei rund einem Drittel der Unternehmen zu einer Verschlechterung des Ergebnisses um zehn Prozent und mehr. Sie wirken sich „signifikant negativ auf das Ergebnis aus“, sagen 75 Prozent der Befragten in der Lebensmittelindustrie, 50 Prozent der Teilnehmer aus Maschinenbau, Hightechbranche und der Metall verarbeitenden Industrie sowie 40 Prozent der Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, IT, Medien und Energie.

Bisher werden Kapitalkosten vorwiegend (89 Prozent) ermittelt, um etwa bei Fusionen, Unternehmenskäufen oder Börsengängen den so genannten Discounted Free Cash Flow festzulegen, das heißt die abgezinsten Einzahlungsüberschüsse, die ein Unternehmen erwirtschaften wird. Für knapp 80 Prozent der Unternehmen stehen strategische und operative Investitionsentscheidungen im Vordergrund, zum Beispiel bei aktivem Portfoliomanagement oder geplanten Ersatzinvestitionen. 63 Prozent wenden Kapitalkosten zur wertorientierten Unternehmensführung an; dies gilt vor allem für die Chemie- und Pharmabranche sowie die Automobilindustrie. Die befragten Unternehmen gehen allerdings davon aus, dass die Bedeutung von Kapitalkosten künftig generell zunehmen wird; beim strategischen Risikomanagement sogar um 20 Prozentpunkte.

Probleme bei der Umsetzung

In der Praxis bereitet der Einsatz differenzierter Kapitalkosten jedoch Schwierigkeiten. „Rund drei Viertel der von uns befragten Unternehmen sprechen von signifikanten Problemen bei der Umsetzung“, sagt Joost Geginat, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants in Zürich. Fast der Hälfte der Unternehmen (49 Prozent) fällt es schwer, eine risikogerechte Mindestverzinsung zu ermitteln. Das zweitgrößte Problem besteht in der geringen Vergleichbarkeit der Investitionsvorhaben. Die Vertreter von Firmen in der Maschinenbau- und Metall verarbeitenden Industrie sowie Handelsunternehmen führen zudem „beschränkte Ressourcen“ als Hindernis an; in den Branchen Transport und Logistik sowie Dienstleistung überwiegen firmeninterne Probleme.

Möglichkeiten der Differenzierung

65 Prozent der Befragten setzen auf allgemeine Informationen über länderspezifische Probleme, die jeweilige Branchenentwicklung und Zins-, Inflations- und Währungsrisiken, um ihren Kapitaleinsatz zu differenzieren. 54 Prozent favorisieren durchschnittliche Kapitalkostensätze zwischen acht und zehn Prozent. In Deutschland scheinen diese Sätze tendenziell etwas höher zu liegen als in der Schweiz, was am unterschiedlichen Zinsniveau beider Länder liegen könnte. Überdurchschnittlich oft werden einheitliche Kapitalkostensätze heute noch bei Lebensmittelfirmen (75 Prozent) angewendet, im Automobilbereich (66 Prozent), in Transport und Logistik (63 Prozent), im Maschinenbau- und in der Metall verarbeitenden Industrie (60 Prozent) sowie bei Dienstleistungsunternehmen (60 Prozent). Grund: Es fehlt an Informationen für eine differenziertere Verteilung.

73 Prozent der Befragten nutzen Marktrisikoprämien zwischen vier und fünf Prozent. Mit den höchsten Durchschnittssätzen arbeiten Maschinenbau und Metall verarbeitende Unternehmen. Unternehmen in der Chemie- und Pharmabranche sowie in Transport und Logistik verwenden die niedrigsten Sätze. Firmen mit Umsätzen und Vermögenswerten in risikoreichen Ländern arbeiten mit einem Satz von rund 5,2 Prozent.

Kapitalkosten mit WACC bestimmen

Um die Kapitalkosten zu definieren, wenden 83 Prozent der Befragten den WACC-Ansatz (Weighted Average Cost of Capital) an. WACC beruht auf der Idee, die Kosten für Eigen- und Fremdkapital separat zu bestimmen und entsprechend dem Anteil am Gesamtkapital zu gewichten. 79 Prozent der Befragen setzen sogar ausschließlich WACC ein. Um die Eigenkapitalkosten im Rahmen des WACC zu ermitteln, nutzen die Unternehmen vor allem das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Dabei orientieren sich 83 Prozent der Unternehmen an Benchmarks vergleichbarer börsennotierter Unternehmen.

Die Umsetzung dieser theoretischen Konzepte führt allerdings oft zu erheblichen Problemen, wenn sie auf einzelne Geschäftsbereiche angewandt werden.

Die WACC-Treiber müssen konkret für das jeweilige Unternehmen ermittelt werden. „Nur branchen- oder landesübliche Durchschnittswerte anzusetzen, kann leicht zu Fehleinschätzungen führen“, sagt Roland Berger-Partnerin Beatrix Morath. Für größere Transparenz und mehr Akzeptanz sollten alle Annahmen, die der Kapitalkostenkalkulation zu Grunde liegen, in einem WACC-Modell erfasst werden. Da die verschiedenen Determinanten beträchtlichen Schwankungen ausgesetzt sein können, empfiehlt es sich, die Kapitalkosten regelmäßig – mindestens jährlich – zu überprüfen.

Zudem sollte ein Unternehmen, das seine Kapitalkosten differenziert einsetzt, die Financial Community darüber informieren; zum Beispiel mittels einer detaillierten WACC-Berechnung im Geschäftsbericht. Morath betont: „Das Unternehmen signalisiert damit Risikobewusstsein, was Analysten grundsätzlich positiv bewerten.“

Pläne für die Zukunft

82 Prozent der befragten Unternehmen planen immerhin, ihre Finanzmittel künftig je nach Risiko einsetzen. Bisher finden sich differenzierte Kapitalkostenrechnungen vor allem in der Chemie- und Pharmaindust-rie (70 Prozent), bei Hightech-Unternehmen (66 Prozent), sowie in der Telekom-, IT- und Medienindustrie (60 Prozent). Die jeweilige Organisationsstruktur bestimmt dabei häufig die Ebene der Differenzierung: So unterscheiden zum Beispiel Chemie- und Pharmafirmen meist nach Regionen (86 Prozent) und Bereichen/Divisionen (71 Prozent), Hightech-Unternehmen hingegen nach Projekten (100 Prozent).

Motivation der Führungskräfte zentral

Hat sich ein Unternehmen für eine differenzierte Kapitalkostenbestimmung entschieden, gilt es, auch die firmenpolitische Dimension zu beachten. Denn die Bestimmung der Kapitalkosten ist nur scheinbar objektiv. Tatsächlich werden oft Mitarbeiter begünstigt, die in Geschäftsfeldern arbeiten, die für den Kapitaleinsatz besonders interessant sind. Andere Mitarbeiter, darunter auch altgediente Manager, können auf Grund dieses Ansatzes an Einfluss verlieren. Häufig wird auch die Stellung der Konzernleitung gegenüber den Bereichen gestärkt.

„Das Topmanagement muss sich ausdrücklich zu diesem Prozess bekennen und dem Projektteam den Rücken stärken“, betont Rudolf Volkart, geschäftsführender Direktor des Instituts für Schweizerisches Bankenwesen, der zudem Betriebswirtschaft an der Universität Zürich lehrt. In der Praxis habe es sich bewährt, das Projektteam durch neutrale externe Berater zu ergänzen, die zwischen den Interessengruppen vermitteln.

Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, zählt zu den weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 31 Büros in 22 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Über 1.600 Mitarbeiter haben im Jahr 2004 einen Honorarumsatz von rund 530 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von mehr als 130 Partnern.

Media Contact

Susanne Horstmann presseportal

Weitere Informationen:

http://www.rolandberger.com

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