Mitbestimmung in IT-Firmen – Neue Studie erschienen

Wie die laufenden Auseinandersetzungen um eine Betriebsratswahl bei SAP zeigen, ist Mitbestimmung in IT-Unternehmen ein brandaktuelles Thema. Wie kommt das? Hat sich bei Software-Firmen und ihren Beschäftigten etwas verändert? Die Sozialwissenschaftler Andreas Boes und Katrin Trinks (ISF München) haben über Mitbestimmung und Interessenhandeln im IT-Bereich geforscht. Ihre eben erschienene Studie wirft Licht auf die Hintergründe: wie die Branche ihre „Zeitenwende“ nach dem IT-Boom verarbeitet und wie hoch qualifizierte Beschäftigte heute ihre Interessen verstehen.


„Theoretisch bin ich frei!“ – so lautet der Titel einer empirischen Untersuchung von Andreas Boes und Katrin Trinks (ISF München) über Interessenhandeln und Mitbestimmung in der IT-Industrie, die eben als Buch in der edition sigma erscheinen ist. Die Sozialwissenschaftler haben in den Jahren 2003 und 2004 in sechs ausgewählten IT-Firmen Beschäftigte sowie Vertreter von Management und betrieblichen Interessenvertretungen befragt. Sie konstatieren eine „Zeitenwende“ in der Branche, die mit dem Ende des IT-Booms eingesetzt hat, aber noch in vollem Gange ist. Das hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie vor allem die „Kerngruppen“ der Beschäftigten, die Software-Entwickler und Berater, ihre Interessen verstehen und artikulieren.

In der Boomphase bis zum Jahre 2000 galten die Unternehmen der IT-Industrie in der öffentlichen Debatte vielfach als wegweisend für eine neue Kultur der Selbstbestimmung, die die herkömmliche kollektive Interessenvetretung überflüssig gemacht habe. Nach der New-Economy-Krise ist es um diese These stiller geworden.

Boes und Trinks zeigen: Mittlerweile stehen für IT-Beschäftigte individuelles Interessenhandeln und kollektive Interessenwahrnehmung zunehmend weniger im Widerspruch zueinander. Unverändert steht bei ihnen das Interesse an Selbstbestimmung und gemeinschaftlicher Selbstverwirklichung in der Arbeit hoch im Kurs. Aber gerade in diesem Punkt erleben sich die Beschäftigten inzwischen häufig im Konflikt mit der Shareholder-Value-Orientierung und den Kostensenkungsstrategien der Unternehmen. Dazu kommt ein gestiegenes Interesse, die „Übergriffe“ der Arbeit auf das Leben zu begrenzen. Vor allem die hoch qualifizierten Beschäftigten verändern ihre Einstellung zu den Unternehmen. Sie orientieren sich stärker als früher am Leitbild des Arbeitnehmers – und suchen nach neuen Möglichkeiten, wie sie ihre Interessen artikulieren und wahren können.

Wie Andreas Boes in zwei weiteren Veröffentlichungen zeigt, ist ein wichtiges Moment der „Zeitenwende“ in der IT-Industrie ein neuer Internationalisierungsschub. Im Zuge von Offshoring werden auch komplexe Tätigkeiten etwa in der Softwareentwicklung zunehmend in anderen Ländern, vor allem in Indien ausgeführt. In dem Buch „Herausforderung Offshoring“ bietet Boes Material zu den aktuellen Internationalisierungsstrategien der IT-Unternehmen ebenso wie zum Stand der Offshoring-Entwicklung. Der von Andreas Boes und Michael Schwemmle herausgegebene Sammelband „Bangalore statt Böblingen?“ beleuchtet wirtschaftliche und soziale Aspekte von Offshoring. Er enthält zudem eine Reihe von Beiträgen zu der Frage, wie betriebliche Interessenvertretungen und Gewerkschaften mit Offshoring umgehen.

Das ISF München ist ein unabhängiges, seit 1965 bestehendes Sozialforschungsinstitut mit gut 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und spielt eine führende Rolle auf den Gebieten der Arbeits- und Industriesoziologie.

Weitere aktuelle Texte der Verfasser zum Thema (Zeitschriften- und Sammelbandartikel) sind auf Anfrage erhältlich. Die Autoren stehen auf Wunsch für Hintergrundgespräche oder Interviews zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich bei Anfragen oder Rückfragen an die Pressestelle des ISF München: Frank Seiß, Fon 089/272921-78, Fax 089/272921-60, frank.seiss@isf-muenchen.de

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