Sicherer aber gestresster: Unbefristet und befristet
Beschäftigte im Vergleich
Europäische Studie PSYCONES untersucht die Situation befristet und unbefristet Beschäftigter. Überraschendes Ergebnis: „Unbefristet Beschäftigte berichten häufiger über schlechteres Allgemeinbefinden als befristet Beschäftigte.“, so Prof. Dr. Gisela Mohr vom Institut für Psychologie II der Universität Leipzig.
In einer groß angelegten systematischen Studie wurde die Gesundheit, Zufriedenheit sowie das Verhältnis zu Arbeitgebern von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in temporären Arbeitsverhältnissen untersucht und diese den unbefristet Beschäftigten gegenübergestellt. Es handelt sich bei der Studie um das EU-Forschungsprojekt PSYCONES (Psychological Contracts across Employment Situations), das in Deutschland unter Leitung von Prof. Dr. Gisela Mohr, Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie II der Universität Leipzig, in Kooperation mit sieben weiteren Forschungseinrichtungen in Schweden (Projektleitung: Prof. Kerstin Isaksson), England, Spanien, den Niederlanden, Belgien sowie Israel durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 5289 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus über 200 Organisationen des produzierenden Gewerbes (vorrangig der Lebensmittelindustrie), des Einzelhandels sowie des Bildungswesens sowie Personalverantwortliche der Unternehmen befragt.
Hintergrund der Studie: Das Interesse nach einer „just-in-time“ Nutzung der menschlichen Arbeitskraft hat durch zunehmenden globalen Konkurrenzkampf und Dienstleistungsorientierung, weitreichenden technologischen Entwicklungen sowie einer angespannten Arbeitsmarktsituation in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen
Mehr Zeitdruck bei Unbefristeten
Entgegen den ursprünglichen Annahmen berichteten unbefristet Beschäftigte über schlechteres allgemeines Befinden als ihre befristet eingestellte Kolleginnen und Kollegen. Festangestellte berichten zwar über mehr Freiheiten in der Ausführung ihrer Tätigkeit und können ihre Fähigkeiten vor allem in höher qualifizierten Tätigkeiten besser einbringen, gleichzeitig denken sie aber auch häufiger über Probleme bei der Arbeit nach und leiden deutlich stärker unter Zeitdruck als temporär Beschäftigte.
Der potentielle Verlust des Arbeitsplatzes stellt für unbefristet Beschäftigte eine weitere bedeutende Belastung dar, die als gravierender empfunden wird, als bei einem von vornherein befristeten Arbeitsverhältnis.
Der Psychologische Vertrag: Bedeutender Faktor für die Arbeitszufriedenheit
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass Psychologische Verträge einen sehr bedeutenden Faktor in der Erklärung von Zufriedenheit, Motivation und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellen. Der psychologische Vertrag beinhaltet die „Spielregeln“ der Zusammenarbeit, die selbstverständlich vorausgesetzt, aber nicht formal festgehalten sind. Er enthält die gegenseitigen Erwartungen, Versprechen und Verpflichtungen im Hinblick auf Arbeitszeiteinhaltung (z.B. immer pünktlich sein) Arbeitsinhalte und Karriereaussichten, aber auch Aspekte der Arbeitssicherheit und Entlohnung.
Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, wie viele Versprechen oder Verpflichtungen wahrgenommen werden, sondern ob diese auch tatsächlich eingehalten werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mehr eingehaltene Versprechen erhalten, sind zufriedener mit ihrer Arbeit, stärker an die Firma gebunden und zeigen eine geringere Kündigungsabsicht. Individuelle Bedeutung erfährt der Psychologische Vertrag auch in den Auswirkungen auf Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensqualität der Beschäftigten.
Unbefristet Beschäftigte haben höhere Erwartungshaltung
Arbeitgeber gaben am häufigsten an, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine faire Behandlung, ein angenehmes Arbeitsklima, einen sicheren Arbeitsplatz sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu versprechen – dies allerdings häufiger Unbefristeten. Aus Sicht der Arbeitgeber, versprach die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängig von einer Befristung des Vertrages Normen zu respektieren, pünktlich zu sein sowie die an sie gerichteten Leistungserwartungen zu erfüllen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nehmen aus Ihrer Sicht jedoch weniger häufig Versprechen bezüglich Karrieremöglichkeiten wahr, was zu einem erlebten Ungleichgewicht führt. So entsteht der Eindruck, dass Sie mehr in die Arbeit investieren, als sie zurück bekommen. Unbefristet Beschäftigte scheinen zudem höhere Erwartungen als befristetet Beschäftigte zu haben. Sie nehmen häufiger eine Verletzung des Psychologischen Vertrages wahr und bringen daher im Durchschnitt auch den Arbeitgebern gegenüber geringeres Vertrauen entgegen.
Gründe der Arbeitgeber für die Befristung von Arbeitsverhältnissen
Es wurden 202 Personalverantwortliche aus den beteiligten Unternehmen befragt. Die drei häufigsten Gründe für die Befristung eines Arbeitsvertrages waren:
1. Zeitlich begrenzter höherer Bedarf an Arbeitskräften durch die momentane Auftragslage
2. Ersatz für kurz- oder langfristige Ausfälle fest angestellter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
3. Probezeit vor einem unbefristeten Vertragsverhältnis
Deutsche Arbeitgeber: Gleichstellung von befristet und unbefristet Beschäftigten
Insgesamt gaben nur knapp über die Hälfte der Arbeitgeber an befristet und unbefristet Beschäftige gleich zu behandeln, wobei die deutschen Arbeitgeber im internationalen Vergleich häufiger angeben, keine Unterschiede bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Arbeitsverträgen zu machen. Festangestellte erhalten im Durchschnitt vor allem mehr Fortbildungsangebote sowie häufiger Leistungsrückmeldungen.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gisela Mohr
Telefon: 0341 97-35952
E-Mail: mohr@uni-leipzig.de
Dipl. psych. Thomas Rigotti
Telefon: 0341 97-35928
E-Mail: rigotti@uni-leipzig.de
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