Mediterrane Gebiete und Gebirge sind innerhalb Europas am stärksten vom globalen Wandel betroffen

Das Schadenspotenzial verschiedener europäischer Regionen gegenüber dem globalen Wandel wird in den kommenden Jahrzehnten zunehmen und zu Problemen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, im Naturschutz, der Energie- und Wasserwirtschaft sowie im Tourismus führen. Die Ursache sind sowohl der Klimawandel als auch die sich ändernde Landnutzung. Als Folge reduzieren sich viele „Dienste“, die von Ökosystemen geliefert werden, wie z.B. die Produktion von Nahrung, der Schutz der Wasserressourcen und das Erholungsangebot. Zu diesem Schluss kommt eine neue Untersuchung, die in dieser Woche im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wird. Die Studie wurde von der Europäischen Kommission gefördert, von 16 europäischen Forschungsinstituten durchgeführt, und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie der Universität Wageningen (Niederlande) geleitet.

Die Forscher entwickelten zunächst verschiedene Szenarien von sozioökonomischen Faktoren, Klima und Landnutzung für ganz Europa bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Durch Diskussion mit Experten aus der Privatwirtschaft und aus betroffenen öffentlichen Institutionen, wurden anschließend Indikatoren für die Empfindlichkeit gegenüber den Veränderungen identifiziert. Der Dialog zielte auch darauf ab, die Nutzer auf die Anwendung von Ergebnissen der Studie in ihren politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen vorzubereiten. „Es war uns besonders wichtig, Experten aus der Praxis von Anfang an in das Projekt mit einzubeziehen. Wir wollten sicherstellen, dass die Nutzer unsere Methoden mitentwickeln können, damit unser Verständnis des Mensch-Umwelt Systems, die untersuchten Problemfelder, und die Ergebnispräsentation ihre Adressaten erreichen können,“ sagt Dr. Dagmar Schröter, Erstautorin und wissenschaftliche Koordinatorin der Studie.

Unter anderem fanden die Wissenschaftler heraus, dass die europaweiten Trends in der Landnutzung durchaus Optionen für eine umweltgerechte und nachhaltige Bewirtschaftung bieten (z.B. durch den erwarteten landwirtschaftlichen Flächenüberschuss, der z.B. für die Bioenergieproduktion nutzbar wäre). Andererseits ist der Klimawandel ein wichtiger Faktor und wird in vielen Regionen Probleme bereiten. Der Klimawandel allein könnte beispielsweise dazu führen, dass bis zum Jahr 2080 zusätzliche 14 bis 38% der Bevölkerung des Mittelmeerraums in Gebieten mit erhöhtem Wassermangel leben. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung durch steigenden Wasserbedarf für Tourismus und Landwirtschaft. Die Wissenschaftler erwarten häufigere und schwerere Trockenperioden, ähnlich den Dürren in den Jahren 2003 und 2005. Solche Trockenperioden erhöhen die Waldbrandgefahr, besonders im Mittelmeerraum. Höhere Temperaturen und der Rückgang der Schneedecke verändern den Jahresverlauf und die Menge des Wassers in Flüssen: Generell wird eine geringere Wasserführung im Sommer und mehr Wasser im Winter erwartet. Dies erhöht die Gefahr von Überschwemmungen und beeinträchtigt die Schiffbarkeit, ebenso die Wasserkraftnutzung im Sommer. Der Rückgang der Schneedecke beeinträchtigt außerdem den Wintersport.

„Die Verantwortlichen für den Naturschutz werden mit erheblichen Veränderungen in der Häufigkeit und Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten rechnen müssen,“ erklärt Dr. Schröter, „besonders die Tiere und Pflanzen der Gebirge und des Mittelmeergebietes sind empfindlich; schon heute sind Veränderungen unübersehbar.“ Eine flexiblere Bewirtschaftung von Naturschutzgebieten könnte möglicherweise die Verluste reduzieren. Allerdings wiesen die eingeladenen Sachverständigen aus dem Naturschutz auch darauf hin, dass die existierenden Schutzgebietsgrenzen, angesichts der momentanen Gesetzgebung und der Eigentumsverhältnisse, nur sehr schwer zu verschieben sind.

Die Studie bestätigt auch, dass europäische Ökosysteme derzeit erhebliche Mengen Kohlendioxid (CO2) aus Treibhausgasemissionen absorbieren. Die erwarteten Zunahmen in Waldflächen und atmosphärischer CO2-Konzentration wirken sich zunächst positiv auf diese Senke aus. Aber bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich die globale Erwärmung auch durch die Freisetzung von Bodenkohlenstoff aus Europa wieder beschleunigen. Anstatt Treibhausgasemissionen zu absorbieren, werden europäische Wiesen und Wälder dann zu den Emissionen beitragen.

Vertreter aus Wirtschaft und Politik begrüßten die Studie und betonten, dass die negativen Auswirkungen des globalen Wandels für sie ein Grund zu erheblicher Sorge seien. Vor dem Hintergrund ökonomischer Veränderungen und enger gesetzlicher Regelungen müssen sie mit einer Spanne an möglichen Auswirkungen globalen Wandels rechnen, die außerdem innerhalb Europas regional unterschiedlich ausfallen. Die soeben erschienene Studie ist die erste, welche die Auswirkungen des globalen Wandels auf die vielfältigen Prozesse, die für das menschliche Wohlergehen bedeutsam sind, wissenschaftlich untersucht hat.

Zusätzliche Informationen:

Dr. Dagmar Schröter, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und George Perkins Marsh Institute, Clark University (Worcester), 59 Aberdeen Avenue, Cambridge, MA, 02138, USA. Tel. +1 617 447 8479. E-mail: Dagmar.Schroeter@gmail.com

Prof. Dr. Wolfgang Cramer, Abteilung Globaler Wandel und Natürliche Systeme, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Postfach 60 12 03, 144 12 Potsdam, Tel. 0331-288-2521, E-mail: Wolfgang.Cramer@pik-potsdam.de

Prof. Dr. Rik Leemans, Environmental Systems Analysis Group, Wageningen University, PO Box 47, 6700 AA Wageningen, The Netherlands, Tel +31-317-484919, E-mail: rik.leemans@wur.nl

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Margret Boysen PIK-Pressemitteilung

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