Studie zum Saaleausbau zeigt Schwachstellen auf

Wissenschaftler kritisieren Bundesverkehrswegeplanung

Der Bundesverkehrswegeplanung mangelt es an Transparenz. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) und der Universität Kassel. Die Wissenschaftler hatten beispielhaft die seit 15 Jahren laufenden Planungen für den Ausbau der Unteren Saale zur Wasserstraße südlich von Magdeburg untersucht. Es sei oft nicht nachvollziehbar, weshalb ein Bauprojekt in den so genannten „Vordringlichen Bedarf“ eingeordnet werde oder nicht, kritisieren die Wissenschaftler. Zwar werden umfangreiche Bewertungen der wirtschaftlichen, ökologischen und raumordnerischen Wirkungen unternommen. Aber wie diese Bewertungen zustande kommen, welche Abwägungen zwischen den einzelnen Bewertungskriterien getroffen und wie sie zu einem Gesamturteil verknüpft werden, bleibt auch bei genauem Hinschauen unklar. Das aktuelle Verfahren berge zudem die Gefahr, dass negative Umweltauswirkungen der Baumaßnahmen unterschätzt würden. „Der Bundesverkehrswegeplanung fehlen eine Gesamtbetrachtung und ein umfassendes Verkehrskonzept, an dem sich die einzelnen Projekte ausrichten“, mahnen Dr. Daniel Petry und Dr. Bernd Klauer vom UFZ an. „Es geht fast immer nur um einzelne Projekte. Doch wie viele Autobahnen, Bahnstrecken oder Wasserstraßen sollen es insgesamt werden? Da die Gesamtziele nicht klar definiert sind, ist es unmöglich zu beurteilen, welchen Anteil ein einzelnes Bauprojekt für das Ganze überhaupt leistet.“

Um die kritisierten Schwachpunkte für die künftige Bundesverkehrswegeplanung zu beheben, schlagen die Wissenschaftler drei Korrekturen vor: Nicht nur die Ergebnisse von Bewertungen für Verkehrsprojekte wie den Saaleausbau, sondern die vollständigen Bewertungsgutachten müssen rechtzeitig vor dem Beschluss des Bundesverkehrswegeplans der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, denn der Teufel steckt im Detail. Eine Begründung der Einstufung in die verschiedenen Bedarfskategorien würde für deutlich mehr Transparenz sorgen. Es sollte dabei deutlich werden, wie wirtschaftliche und ökologische Interessen gegeneinander abgewogen werden. Und schließlich sei es unbedingt notwendig, ein Gesamtkonzept für Mobilität in Deutschland zu entwickeln und Gesamtziele für den Bundesverkehrswegeplan zu definieren. Dann wäre es nämlich möglich die einzelnen Projekte nicht isoliert voneinander, sondern in ihrem spezifischen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu bewerten. Eine Vorgehensweise, wie es im Übrigen auch seit Juli 2004 die Strategische Umweltprüfung für bestimmte Pläne und Programme öffentlicher Stellen nahe legt.

Der Ausbau der Saale zur Schifffahrtsstraße ist nach wie vor umstritten. Die in den BVWP 2003 aufgenommenen Pläne sehen vor, die Ausbaulücke im Unterlauf der ansonsten staugeregelten Saale durch einen Seitenkanal zu schließen. Dieser soll die ökologisch sensible Untere Saale umgehen und eine fast ganzjährige Nutzung der Saale als Transportweg ermöglichen. Für diesen Ausbau sind im aktuellen Bundesverkehrswegeplan rund 80 Millionen Euro vorgesehen. Die Befürworter argumentieren mit der Entlastung von Straßen und Schienen durch die Schifffahrt und mit Impulsen für die Wirtschaft in dieser Region. Die Gegner verweisen auf hohe Baukosten, auf eine mögliche Gefährdung der Auen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe und auf Restriktionen für künftige Verbesserungen des Hochwasserschutzes. „Leider sind viele Teile des Entscheidungsprozesses chronisch intransparent“, kritisiert Privatdozent Dr. Thomas Döring von der Universität Kassel.“Beispielsweise ist für die Nutzen-Kosten-Analyse und damit für die Bedarfseinstufung die Verkehrsprognose eine entscheidende Ausgangsgröße. Doch die wird vom Bundesverkehrsministerium nur auf Bundesebene publiziert. Die abgeleiteten Prognosen für die Schifffahrt auf der Saale sind nicht öffentlich zugänglich.“ Die Untersuchungen der Wissenschaftler ergaben, dass die bestehenden Gutachten und veröffentlichten Bewertungen die Zweifel an der Vordringlichkeit des Saaleausbaus nicht völlig ausräumen.

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist das zentrale Instrument zur Steuerung und Lenkung der Investitionen des Bundes in die Erhaltung sowie den Aus- und Neubau der Verkehrsinfrastruktur. Er wurde zuletzt 2003 beschlossen und steuert Investitionen in einer Gesamthöhe von 150 Milliarden Euro. Einerseits gilt der Verkehr als eine der bedeutendsten Ursachen von Umweltproblemen – anderseits herrscht ebenfalls Konsens darüber, dass eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur eine entscheidende Vorraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und damit für gesellschaftlichen Wohlstand ist. Die Bundesverkehrswegeplanung versucht nun, diese beiden Aspekte bei der Bewertung potentieller Verkehrsprojekte zu berücksichtigen und bei Konflikten gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung wird durch drei Bewertungsverfahren unterstützt: Die Nutzen-Kosten-Analyse (NKA) erfasst die ökonomischen Effekte von Verkehrsprojekten in Euro. In der Umweltrisikoeinschätzung (URE) werden Auswirkungen auf Natur und Landschaft beurteilt. Die Raumwirksamkeitsanalyse (RWA) berücksichtigt raumordnerische und städtebauliche Ziele und untersucht die Netzeffekte von Verkehrsprojekten.

Die Studie „Verkehr und Umwelt – Die Bundesverkehrswegeplanung zwischen wissenschaftlicher Methodik und politischer Auseinandersetzung“ erscheint voraussichtlich im August als Buch im Metropolis Verlag Marburg. Sie ist in ein langfristig angelegtes Forschungsverbundprojekt des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle eingebunden. Seit 2001 beschäftigen sich dort Natur- und Sozialwissenschaftler mit dem Thema „Integriertes Flusseinzugsgebietsmanagement am Beispiel der Saale“. Ziel dieser interdisziplinären Forschung ist es, nicht nur die Umwelt zu untersuchen, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die die Umwelt beeinflussen. Die Studie ist zugleich das erste gemeinsam realisierte Projekt im Rahmen einer zukünftig engeren Zusammenarbeit zwischen dem Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle und der Universität Kassel, die beide Einrichtungen im Dezember des vergangenen Jahres zur stärkeren Vernetzung ihrer umweltwissenschaftlichen Kompetenzen vereinbart haben.

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Doris Böhme idw

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