Hauptamtliche Aufsichtsräte statt La-Paloma-Mentalität

In vielen Kapitalgesellschaft findet nur eine Pseudokontrolle statt

Nach einer Studie der Unternehmensberatung Heidrick & Struggles fehlt es den Aufsichtsräten häufig an Kompetenz, Unabhängigkeit, Erfahrung und Zivilcourage. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) schlägt deshalb die Installation von hauptamtlichen Aufsichtsräten vor, um sich von der „La-Paloma“-Mentälität vieler Gremienvertreter zu verabschieden. Zudem wird eine höhere Vergütung angeregt. Wenn der Aufsichtsrat gerade einmal das Jahresgehalt einer Putzfrau erhalte, dann dürfe man sich über miserable Arbeit auch nicht wundern. Aktuelle Überlegungen gehen daher in der Richtung, einen professionellen Aufsichtsrat mit dem halben Gehalt eines Vorstandsvorsitzenden auszustatten. Der Wandel vom „klassischen Jasager-Gremium und devoten Abnickverein zu einem kritischen Begleiter der Unternehmensentwicklung“ sei aber noch lange nicht vollzogen, schreibt der Managementexperte Christof Schössler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Wirtschaftsbild. Früher sei häufig dasjenige Mitglied am besten vorbereitet gewesen, das die längste Anreise hatte.

Ein weiteres Manko: In vielen Aufsichtsräten werde zu viel präsentiert und zu wenig diskutiert. „Das Verhältnis zwischen Vortrag und Diskussion liegt bei zwei Drittel zu einem Drittel – eine genau umgekehrte Verteilung wäre effektiver“, so der Autor. Außerdem seien viele Aufsichtsräte zu groß und daher schwerfällig. „Gerade mitbestimmte Gremien sind mit zwölf, 16 oder gar 20 Mitgliedern für ein effizientes, zügiges Arbeiten einfach zu groß. Wasserkopfartige, überdimensionierte Gremien sind oft nicht besonders leistungsstark. Die Qualität der Arbeit hängt also nicht von der Quantität ab, ganz im Gegenteil: Die Gesetzesvorschriften erzwingen Vertretungen der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften in den Aufsichtsräten. Dies führt teilweise zu Gremien mit 20 Personen. Ein solches Gremium ist nur noch eingeschränkt leistungsfähig. Deutschland kann in Sachen Mitbestimmung keinen Sonderweg oder deutschen Weg beschreiten“, kommentiert der Bonner Rechtsanwalt Markus Mingers von der Kanzlei Mingers & Land. Kein Land verfüge über ein derartiges Modell wie Deutschland.

Doch wenn manche Aufsichtsräte als „Pseudokontrolleure“ bezeichnet werden können, so lässt sich das auch auf die Zurückdrängung der Aktionärsrechte übertragen. Dadurch fällt ebenfalls Kontrolle weg. In der aktuellen Debatte über die Auswüchse des Kapitalismus wird nach Ansicht von Hannjörg Hereth, der 23 Jahre als Top-Manager beim Metro Handelskonzern tätig war, zu wenig über die Demontage der Aktionärsrechte diskutiert. Entscheidend sei die Stärkung des Eigentumsprinzip, besonders bei Aktiengesellschaften. „Die Kontrollrechte und Anfechtungsrechte der Minderheitsaktionäre müssen gestärkt werden. Die derzeitige Aktienrechtsnovelle hat in Verkennung der Situation genau das Gegenteil getan“, kritisiert Hereth.

Die Minderheitsaktionäre müssten zwingend im Aufsichtsrat vertreten sein. „Zudem sollten die Organe für den Vermögensschaden zur Verantwortung gezogen werden, der durch vorsätzliche, aber auch grob nachlässige Wahrnehmung ihrer Pflichten entsteht. Entsprechendes gilt für Abschlussprüfer“, fordert Hereth. Es müsste, je nach Zugehörigkeit zum Dax 30, M-Dax oder S-Dax ein schnelles Einschreiten durch die entsprechende Wertpapierbörse und das Bundesamt für Finanzaufsicht bei Verletzung wesentlicher Berichtspflichten und der Vorlage falscher Abschlüsse vorgesehen sein. „Als Sanktionsinstrument eignen sich die vorübergehende oder endgültige Entlistung, die Untersagung der Wahrnehmung von Vorstandsaufgaben temporär oder endgültig – ähnlich der Zuverlässigkeitsprüfung bei Bankvorständen“, so Hereth.

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Gunnar Sohn pressetext.deutschland

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