Juniorprof – quo vadis?

In der Physik hat sich die Juniorprofessur bislang nicht durchgesetzt. Zu diesem Fazit kommt eine Untersuchung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Die Studie wurde von der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung gefördert und betrachtet die Juniorprofessur erstmals aus Sicht der Physik. Demnach hat bisher nur knapp die Hälfte der Physik-Fachbereiche eine Juniorprofessur eingerichtet. Das neue Modell kann nach Einschätzung der DPG die etablierten Zugangswege zur Hochschullehrerlaufbahn ergänzen. „Allerdings muss die Ausstattung der Juniorprofessuren mit Sach- und Personalmitteln deutlich erweitert werden, um eigenständige Forschung zu garantieren“, so DPG-Präsident Knut Urban.

Die Mehrheit der befragten Physikerinnen und Physiker sah ihre Entscheidung für eine Juniorprofessur als Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl äußerten viele den Wunsch, sich im Rahmen eines „Tenure-Tracks“ für eine Professur auf Lebenszeit bewähren zu können. Diese Regelung war jedoch nur bei 15 Prozent der Juniorprofessuren gegeben. DPG-Präsident Urban befürwortet die Ausweitung des Tenure-Tracks: „Ein solches Angebot sichert der Physik den besten Nachwuchs.“

Wer hierzulande eine Hochschullaufbahn verfolgt, kommt an der Habilitation kaum vorbei. Auf der akademischen Karriereleiter gilt die mehrjährige Forschungstätigkeit unter Obhut eines Hochschullehrers – nach Diplom, Doktortitel und „Postdoc“ – als letzte Sprosse vor dem Sprung zur Professur auf Lebenszeit. Der Weg dorthin ist lang: in der Physik sind „frisch“ Habilitierte im Schnitt 37,5 Jahre alt. Und die Berufung zum Professor – sofern sie denn kommt ? erfolgt in der Regel erst jenseits der 40. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2002 die so genannte Juniorprofessur ins Leben gerufen. Sie soll Nachwuchswissenschaftlern bereits mit Anfang 30 das Forschen und Lehren in Eigenverantwortung ermöglichen und den Forschungsstandort Deutschland attraktiver machen. Juniorprofessoren sind Beamte auf Zeit, deren Stelle auf maximal sechs Jahre begrenzt ist. Währenddessen gilt es, sich für eine Professur auf Lebenszeit zu empfehlen. Eine weitere Absicht des Bundes – die Ablösung der Habilitation – wurde infolge einer Länderklage vor dem Bundesverfassungsgericht inzwischen zurückgenommen. DPG-Präsident Knut Urban begrüßt diesen Beschluss. „Die Juniorprofessur ist eine sinnvolle Alternative zur Habilitation und anderen Varianten, sich für eine Professur auf Lebenszeit zu qualifizieren“, meint der DPG-Präsident. „Eine Festlegung auf die Juniorprofessur als einzigem Weg wäre aber mit erheblichen Nachteilen verbunden.“ Insbesondere würden jene Wissenschaftler von einer Professur ausgegrenzt, die außerhalb der Universitäten tätig sind, so Urban. „Ein wesentlicher Teil unseres wissenschaftlichen Nachwuchses stünde damit vor verschlossenen Türen.“

Bislang wurde die Juniorprofessur in der Physik nur mit Zurückhaltung eingeführt. Dies belegt die DPG-Studie, an der sich 54 von bundesweit 58 Physik-Fachbereichen beteiligten. Demnach hatten bis Januar 2005 lediglich 25 Universitäten eine Juniorprofessur eingerichtet: was einer Quote von 47 Prozent gleichkommt. „Bisher hat sich die Juniorprofessor in der Physik nicht etablieren können“, wertet DPG-Präsident Urban die Ergebnisse der Studie. Allerdings sei zu bedenken, dass während des Zeitraums, in dem die befragten Juniorprofessoren berufen wurden, unsichere Verhältnisse herrschten. „Diese Lage hat nicht nur manche Fachbereiche, sondern auch viele Nachwuchswissenschaftler davon abgehalten, eine Juniorprofessur in Betracht zu ziehen“, meint Urban. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und dass einige Bundesländer noch keine Juniorprofessur in ihren Hochschulgesetzen vorgesehen hatten, habe eine „nicht unwesentliche“ Rolle gespielt. Die Verteilung zwischen den Bundesländern zeigt Abbildung 1.

Frauenanteil und Berufungsalter: Bundesweit wurden 52 Juniorprofessuren ermittelt, von denen sich 48 an der Untersuchung beteiligten. Nur vier der Juniorprofessuren waren mit Frauen besetzt. Demzufolge hat das neue Modell im Fach Physik bislang zu keiner Steigerung des Anteils an Frauen geführt, die eine Hochschulkarriere anstreben. Während von insgesamt rund 850 Juniorprofessoren etwa 28 Prozent Frauen sind, ist der Frauenanteil in der Physik mit acht Prozent so gering wie bei der Habilitation.

Die befragten Juniorprofessoren hatten im Mittel mit 29,5 Jahren promoviert und ihre Stelle im Durchschnittsalter von 33,5 Jahren angetreten. Da von einem Ruf auf eine Lebenszeitprofessur erst gegen Ende der auf sechs Jahren angelegten Juniorprofessur auszugehen ist, sind „berufbare“ Juniorprofessoren nicht unbedingt jünger als ihre „frisch“ habilitierten Kolleginnen und Kollegen. Damit ist zumindest bei den bisherigen, relativ spät nach der Promotion ernannten Juniorprofessoren zu rechnen (s. Abb. 2). „Das mittlere Habilitationsalter liegt bei 37,5 Jahren“, erläutert DPG-Präsident Urban. „Das neue Modell wurde erst 2002 eingeführt und so haben wir noch wenig Erfahrung damit, wann Juniorprofessoren eine Professur auf Lebenszeit erwarten können. Bislang deutet sich jedoch an, dass die Juniorprofessur den Weg dorthin nicht unbedingt verkürzt.“

Personal und Finanzen: Fast zwei Drittel der Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren hatten keine oder nur eine halbe Mitarbeiterstelle. Den meisten Juniorprofessoren standen zur Anschubfinanzierung nur Fördergelder des BMBF zur Verfügung, im Durchschnitt knapp 80.000 Euro. Viele Experimentalphysiker wiesen darauf hin, dass ihre finanzielle Grundausstattung nicht ausgereicht habe, um Experimente aufzubauen und die Forschungsarbeit aufzunehmen. Einige Juniorprofessoren beklagten zudem, dass wegen der mangelnden Grundausstattung eine völlig eigenständige Arbeit nicht möglich sei. Im Schnitt und pro Jahr konnten die befragten Juniorprofessoren auf 3.800 Euro aus dem Haushalt ihrer Universitäten zurückgreifen. Die Ausnahme waren vier Juniorprofessuren der Universität Frankfurt, die vom Land Hessen für drei Jahre 50.000 Euro jährlich erhielten. Zum Zeitpunkt der Befragung hatten 25 Prozent der Nachwuchsforscher keine Drittmittel und 50 Prozent weniger als 100.000 Euro zur Verfügung. „Die Ressourcen, die den Juniorprofessoren zur Verfügung stehen, sind völlig unzureichend“, so DPG-Präsident Urban. „Die finanzielle Grundausstattung reicht häufig nicht einmal für die Begleichung der jährlichen Telefon- und Kopierkosten.“

Evaluation: Ebenso wie eine Habilitation ist die Juniorprofessur keine Garantie für eine spätere Berufung auf Lebenszeit. Jeder Juniorprofessor muss sich nach zweieinhalb Jahren einer Evaluation unterziehen. Bei positivem Bescheid wird die Stelle auf maximal sechs Jahre verlängert, ansonsten läuft sie spätestens nach einem weiteren Jahr aus. Viele der Befragten, insbesondere die Experimentalphysiker, traten dafür ein, dass die Begutachtung später erfolgt, etwa nach vier Jahren. Denn es sei unrealistisch, in kürzerer Zeit ein anspruchsvolles Experiment aufzubauen. Auch sei es schwierig, Doktoranden zu gewinnen – sie müssten befürchten, bei negativer Evaluation ihres Juniorprofessors, plötzlich ohne Betreuer dazustehen.

Tenure-Track: Bei etwa 68 Prozent der Experimentalphysiker und rund 80 Prozent ihrer Kollegen aus der Theorie stand die Einführung des „Tenure-Tracks“ an erster Stelle der Wunschliste. Mit dem Tenure-Track verpflichtet sich eine Universität, einem von ihr beschäftigten Nachwuchswissenschaftler, eine Professur auf Lebenszeit anzubieten, sofern er am Ende seiner Juniorprofessur hervorragend bewertet wird. Diese Regelung ist jedoch die Ausnahme: Nur bei knapp 15 Prozent aller Fälle war ein Tenure-Track vorgesehen. DPG-Präsident Urban plädiert für eine Ausweitung dieses Modells. „Bietet ein Tenure-Track die Möglichkeit, Nachwuchsforscher langfristig zu binden, so werden die Universitäten angehende Juniorprofessoren nicht nur besonders sorgfältig auswählen. Sie wären auch eher dazu bereit, diese mit substanziellen Finanzmitteln auszustatten“, schätzt Urban. Für potentielle Bewerber wäre die Juniorprofessur damit wesentlich attraktiver. „Auf dem internationalen Markt um die hellsten Köpfe entscheidet letztlich das beste Angebot“, meint Urban. „Für den Forschungsstandort Deutschland wäre die Kombination von Juniorprofessur und Tenure-Track ein deutlicher Pluspunkt.“

Media Contact

Dr. Marcus Neitzert idw

Weitere Informationen:

http://www.dpg-physik.de

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