Erneuerbare Energien: Zuwachs um jeden Preis?

Nach Ansicht von Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat die unter der Federführung der Deutschen Energieagentur (dena) erarbeitete und nach längerem Streit verabschiedete Studie zur Netzintegration der erneuerbaren Energien („dena-Netzstudie“) gezeigt, dass die „Schwarzmalerei“ gegen den Ausbau der Windenergie keine sachliche Grundlage habe. Die Windenergie ließe sich auch bei sehr schnellem Ausbau relativ kostengünstig in das Stromnetz integrieren. Demgegenüber sieht der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ein weiteres „Aus dem Ruder laufen“ des Fördersystems für die erneuerbaren Energien, das generell in Frage gestellt werden müsse. Auch der Verband der Elektrizitätswirtschaft fordert eine Überarbeitung des Fördersystems. Die staatliche Förderung der regenerativen Energien müsse endlich wegkommen von reinen Mengenzielen und dem „Zuwachs um jeden Preis“.

Die Expansion der erneuerbaren Energien hält an. Die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien werden weiter dramatisch ansteigen – nach einer Prognose des Verbandes der Netzbetreiber auf rd. 7,3 Mrd. Euro im Jahr 2010. Das in den gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen enthaltene Subventionsäquivalent übersteigt mit 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2005 nicht nur je kWh sondern auch absolut die gesamten öffentlichen Absatz- und Stilllegungshilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau. Diese sind bereits seit Jahren degressiv und werden bis 2012 weiter reduziert.

Die anhaltend hohen Ölpreise haben bei den erneuerbaren Energien zu einer neuen Argumentation geführt. Nicht mehr allein die CO2-Neutralität ist die Begründung für die mittlerweile von vielen als zu exzessiv empfundene Förderung der Windkraft einschließlich privater Gewinnmitnahmen, sondern der Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsplätze schafft, und die Abhängigkeit von Importenergien. Auch bei den hohen Ölpreisen sind erneuerbare Energien unwirtschaftlich. In der Stromerzeugung, dem Schwerpunkt ihres Einsatzes, hat die „Weg vom Öl“-Strategie bereits vor 30 Jahren mit Kohle und Kernenergie stattgefunden. Die deutsche Steinkohle, oft genug Gegenstand polemischer Attacken des Windenergieverbandes, würde bei weiter steigenden Preisen für Importkohle weit vor dem Abbau der Mehrkosten des EEG wettbewerbsfähig.

Die Bedeutung der erneuerbaren Energien wird weltweit steigen. Sie haben aber wie alle Energieträger Vor- und Nachteile. Ihr grundsätzliches Problem liegt neben der eingeschränkten zeitlichen Verfügbarkeit und dem außerordentlichen Flächenbedarf für Wind, Sonne und Biomasse in ihrer weiterhin mangelnden wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit. Sie werden deshalb nur einen begrenzten Beitrag zur Stromerzeugung leisten können. Deren Rückgrat muss die Kohle sein. Auf keinen Fall machen erneuerbare Energien den Neubau hoch effizienter und umweltschonender Kohlekraftwerke überflüssig.

Wesentliche Folgerungen aus der dena-Netzstudie

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 von heute 9 % auf mindestens 20 % zu erhöhen. Der Löwenanteil des Zuwachses wird dabei auf die Windenergie an Land und im Küstenbereich auf See entfallen. Die Deutsche Energieagentur hat die wesentlichen Fragestellungen und Auswirkungen der Integration der erneuerbaren Energien in das Versorgungsnetz und auf die Sicherheit der Stromversorgung untersucht. Die wichtigsten Folgerungen aus der dena-Studie sind:

1. Der Ausbau der Windenergie ist ohne ambitionierte Investitionen in die Netzinfrastruktur nicht möglich. Insbesondere die für das Jahr 2020 prognostizierte Windleistung von 48 GW kann nicht ohne massive Erzeugungsbeschränkungen und Anpassungsmaßnahmen im Erzeugungssystem integriert werden. Der Zeithorizont der Studie musste daher auf das Jahr 2015 begrenzt werden.

2. Zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit – die Studie identifiziert hier eine Reihe von Gefährdungspotenzialen insbesondere bei Schwachlast und gleichzeitigem Starkwind – sind bereits jetzt tief greifende Maßnahmen (Nachrüstung von Altanlagen, Repowering , Maßnahmen zur Netzstützung, u.a.m.) notwendig.

3. Der Zugewinn an gesicherter Leistung durch den Ausbau der Windenergie („Leistungskredit“) beträgt lediglich 6 %. Bei einer installierten Windkapazität von 36 GW im Jahr 2015 können damit etwa drei Steinkohlenkraftwerke mit einer Leistung von je 700 MW ersetzt werden. Die Gesamtkapazität des Kraftwerksparkes erhöht sich durch den Windenergieausbau von heute etwa 120 GW auf über 140 GW. Bei einer etwa konstanten Jahreshöchstlast von 80 GW muss damit eine unverhältnismäßig hohe Zahl von Kraftwerken in Reserve gehalten werden.

4. Statt Atomkraft zu ersetzen verdrängt die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auch eine kostengünstige Erzeugung aus Kohlenkraftwerken. Den damit verbundenen Einsparungen stehen deutlich höhere Mehrkosten durch die garantierten Einspeisevergütun-gen, den Netzausbau und den wachsenden Bedarf an Reserve- und Regelenergie gegenüber. So erhöht sich die Vergütung für Windenergie von 2,1 Mrd. Euro im Jahr 2003 auf 5,4 Mrd. Euro im Jahr 2015 und bei den übrigen Erneuerbaren auf 2,9 Mrd. Euro.

5. Die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien verursachten gesamtwirtschaftlichen Mehrkosten, gemessen als Differenz zwischen den Einspeisevergütungen und den durchschnittlichen Strompreisen am Wettbewerbsmarkt, belaufen sich – je nach Brennstoffkosten – im Jahr 2015 auf 3,6 bis 4,8 Mrd. Euro bzw. 8,1 bis 9,9 Ct/kWh. Hinzu kommen bis 2015 rd. 1,1 Mrd. Euro für den Netzausbau.

6. Steigende Preise für fossile Brennstoffe verringern zwar die Mehrkosten der erneuerbaren Energien, ohne dass damit für Verbraucher und die Volkswirtschaft eine Entlastung verbunden wäre. Insgesamt wird so Strom immer teurer.

Die erneuerbaren Energien spielen bisher in der deutschen Energieversorgung nur eine additive Rolle. Die dena-Netzstudie zeigt, dass insbesondere der massive Ausbau der volatilen Windenergie die deutsche Energiewirtschaft vor bisher nicht gekannte Herausforderungen stellt. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist der Neubau konventioneller Kraftwerke unverzichtbar. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten der erneuerbaren Energien werden noch auf lange Zeit erheblich sein – bei zugleich zweifelhaftem ökologischem Nutzen. Der langjährige Chef des Kölner Energiewirtschaftlichen Instituts, Professor Carl Christian von Weizsäcker forderte daher schon im vergangenen Jahr „von dem sehr teueren Heiligenschein“ der erneuerbaren Energien Abstand zu nehmen.

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Dr. Detlef Riedel presseportal

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