Mehr Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt durch neues Energiewirtschaftsgesetz

Die derzeit hohen Strom- und Gaspreise in Deutschland geraten schon bald deutlich unter Druck. Hauptgrund dafür ist der durch staatliche Regulierung erzwungene Veränderungsprozess im Netz- und Vertriebsbereich, wie der aktuelle „Branchenkompass 2005 Energieversorger“ der Unternehmensgruppe Steria Mummert Consulting und des F.A.Z.-Instituts zeigt. Was den Kunden freut, setzt die Unternehmen indes unter erheblichen Zugzwang. Hohe Kosten schmälern schon heute die Erträge der Energieversorger. Die Folge: Nahezu neun von zehn Entscheidern halten in Zukunft Effizienzsteigerungen durch Standardisierung und Automatisierung für bedeutend.

Basis der Untersuchung ist eine Forsa-Umfrage unter 100 Spitzenmanagern deutscher Energieunternehmen. Nur 14 Prozent von ihnen rechnen damit, dass die Energiewirtschaft stärker zulegt als das allgemeine Wirtschaftswachstum. Der Vergleich mit dem Branchenkompass des Jahres 2002 zeigt, dass sich das Klima damit deutlich verschlechtert hat. Weniger als die Hälfte der Entscheider sieht heute die Entwicklung der Energiebranche parallel zum erwarteten Konjunkturaufschwung – damals waren es noch fast drei Viertel der Befragten. Das Verhältnis von Optimisten zu Pessimisten hat sich darüber hinaus umgekehrt.

Vor allem der politische Rahmen ist es, der die Branche skeptisch stimmt. Die Bundesregierung drängt auf Preissenkungen, macht Druck über die neue Regulierungsbehörde und hat mit der Umsetzung der EU-Vorgaben im neuen Energiewirtschaftsgesetz Leitplanken gesetzt, die den Handlungsspielraum der Energieversorger einschränken und die Transparenz erhöhen. Kernpunkt ist das so genannte Unbundling: Die Versorger sind verpflichtet, für den Strom einerseits und das Stromnetz andererseits getrennt zu kalkulieren und die jeweiligen Kosten offen zu legen. Vorbei sind also die Zeiten, in denen möglichst hohe Sätze für die Durchleitung die Konkurrenz klein hielten und für den Verbraucher am Ende hohe Preise bedeuteten. Die extremen Preisunterschiede bei der Durchleitung von mehr als 100 Prozent in verschiedenen Bundesländern lassen sich den Wettbewerbshütern schwerlich nur mit anderen Kostenstrukturen erklären, heißt es in der Studie.

Branchenentwicklung in den kommenden drei Jahren im Vergleich zur Gesamtwirtschaft:

  • Besser: 14 Prozent
  • In etwa gleich: 48 Prozent
  • Schlechter: 21 Prozent
  • Unvorhersehbar: 17 Prozent

Der Verbraucher dürfte von diesen Entwicklungen profitieren, zumal die Netznutzungsentgelte in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert sind. Nach Angabe der Regulierungsbehörde stiegen sie zwischen 2001 und 2005 um bis zu 46 Prozent, während sie etwa in Schweden und Großbritannien nur bei der Hälfte der aktuellen deutschen Preise liegen. Für Haushaltskunden machen diese Entgelte bis zu 40 Prozent des Strompreises aus. Experten zufolge könnten sie in den kommenden drei bis fünf Jahren ohne Strukturänderungen um 15 Prozent gesenkt werden – was eine Senkung der Endpreise für Strom um 5 Prozent bedeuten würde. Und auch die Gaspreise geraten zunehmend unter Druck. Denn sieben Jahre nach der Liberalisierung gibt es auf dem Gasmarkt keinen echten Wettbewerb. Das neue Energiewirtschaftsgesetz betrifft jedoch auch die Gasversorger. Ein stärkerer Wettbewerb wird Druck auf die Margen ausüben. Trotzdem ist aufgrund einer anderen Versorgungsinfrastruktur nicht mit einem solch starken Preisrutsch zu rechnen, wie es zu Beginn der Liberalisierung beim Strom der Fall war.

Das Unbundling, das im neuen Energiewirtschaftsgesetz festgeschrieben ist, ist derzeit größtes Diskussionsthema der Branche in Deutschland. Auf die offene Frage nach den größten Herausforderungen und Handlungsfeldern bis 2007 nannten 44 Prozent der Befragten diese Trennung der Geschäftsfelder Netz und Vertrieb. Bei der Befragung vor drei Jahren stand der Preiswettbewerb mit 43 Prozent der Befragten noch deutlich an erster Stelle der Herausforderungen – 2005 spricht davon kein Versorger mehr. Auch der Konzentrationsprozess in der Branche, der 2002 noch Problem Nummer vier war, findet keine Erwähnung mehr.

Planung nennenswerter Investitionen in einzelne Bereiche:

  • Regulierungs- und Informationsmanagement: 67 Prozent
  • Ausbau bzw. Aufbau des Stromnetzes: 63 Prozent
  • Technische Infrastruktur Wasser: 60 Prozent
  • Marketing und Vertrieb: 58 Prozent
  • Technische Infrastruktur Gas: 57 Prozent
  • Stromvertrieb an Endkunden: 56 Prozent
  • Controlling/Rechnungswesen, IAS/IFRS: 52 Prozent
  • Stromerzeugung allgemein: 41 Prozent
  • Erzeugung von Ökostrom: 34 Prozent
  • Stromgroßhandel: 15 Prozent
  • Emissionshandel lt. Kioto-Protokoll: 14 Prozent

Die Energienovelle wird die Margen der Branche senken – und bedeutet zugleich erhebliche Kosten. So planen zwei Drittel der Energieversorger „nennenswerte“ Investitionen in ihr Regulierungs- und Informationsmanagement. Dieser Posten steht somit an erster Stelle der Investitionsprojekte. Grund: Im Rahmen der Regulierung müssen die Unternehmen exakt abstimmen und kontrollieren, was sie an Daten nach draußen geben, sei es an die Regulierungs- oder Steuerbehörden, an Investoren oder die Presse.

Um dennoch die Stellung am Markt halten zu können, setzt die Branche auf eine verstärkte Kundenwerbung. Mehr als jeder zweite Versorger beabsichtigt nennenswerte Investitionen in Marketing und Vertrieb. Für Kundenbindung und Kundenwertentwicklung wollen die Versorger bis 2007 durchschnittlich mehr als 7 Prozent ihrer Investitionsbudgets aufwenden. Die Bindung der Bestandskunden und die Erhöhung des Kundenumsatzes sind für die Energieentscheider in den kommenden Jahren noch wichtiger als die Verbesserung der Effizienz: Knapp 70 Prozent der Topentscheider halten Kundenbindung und Kundenwertentwicklung für ihr Unternehmen bis 2007 für sehr wichtig, weitere 26 Prozent für wichtig.

Intern setzen die Unternehmen vor allem aufs Controlling: Die Steigerung der Kosteneffizienz ist nach Ansicht der befragten Topmanager die beste Strategie, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Praktisch alle Führungskräfte verfolgen in ihrem Unternehmen diesen Kurs. 93 Prozent wollen die Kosten flexibilisieren, konkret heißt das, dass sie an Aus- und Verlagerung von Aufgaben denken. 97 Prozent streben danach, ihre Servicequalität anzuheben. Auf dem Weg zu mehr Effizienz, Flexibilität und Service schauen sich die Unternehmen bei Wettbewerbern oder auch Unternehmen anderer Branchen um, die hier Vorbildliches geleistet haben. Mehr als 90 Prozent der Topmanager wollen von Best Practices lernen. Knapp 70 Prozent der Versorger wollen neue Alleinstellungsmerkmale aufbauen.

Nutzen von Strategieansätzen in den kommenden Jahren:

  • Kosteneffizienz steigern: 99 Prozent
  • Servicequalität verbessern: 97 Prozent
  • Von Best Practices anderer Unternehmen lernen: 94 Prozent
  • Kostenstrukturen flexibilisieren: 93 Prozent
  • Neue Geschäftsmodelle entwickeln: 76 Prozent
  • Neue Alleinstellungsmerkmale gegenüber Kunden aufbauen: 68 Prozent
  • Wachstum durch Akquisition: 56 Prozent
  • Spezialisierung auf bestimmte Leistungen: 56 Prozent
  • Fokussierung auf bestimmte Kundensegmente: 45 Prozent

Der „Branchenkompass 2005 Energieversorger“ der Unternehmensgruppe Steria Mummert Consulting und des F.A.Z.-Instituts zeigt, wie sich die Energieversorger in Deutschland in den kommenden Jahren aufstellen wollen. Mit welchen Maßnahmen begegnen sie den derzeitigen Herausforderungen? Wo werden sie verstärkt investieren? Was tun sie für die Kundenbindung? Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Januar 2005 100 Topentscheider aus 100 der größten Energieversorger Deutschlands nach ihren Strategien bis 2007 befragt.

Media Contact

Jörg Forthmann presseportal

Weitere Informationen:

http://www.mummert-consulting.de

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