Wie Mitarbeiter zur Nutzung von Datenbanken motiviert werden können

Medienpsychologie: Netzbasierte Datenbanken lassen sich in Firmen als „Wissenspool“ nutzen, in den die Mitarbeiter Informationen einspeisen oder wieder daraus abrufen. Denn häufig ist das Wissen eines Unternehmens auch sein Kapital. Als größtes Problem der Techniknutzung hat sich die Motivation der Mitarbeiter erwiesen. Die Tübinger Psychologin Dr. Ulrike Creß und ihr Forschungsteam haben untersucht, wie sich der effiziente Datenbankeinsatz fördern lässt.

Strategien gegen Trittbrettfahrer – Praktische Regeln zur effizienten Nutzung von geteilten Datenbanken in Unternehmen

Die Möglichkeiten zur Nutzung von Internet, Intranet und netzbasierten Datenbanken haben sich schnell weiter entwickelt. Technisch gesehen ist es kein Problem, zum Beispiel in internationalen Unternehmen Wissen schnell über weite Strecken und ohne direkte Zusammenkunft von Menschen zu teilen. Doch so groß die technischen Möglichkeiten im Wissensmanagement auch sind – solche Kommunikationssituationen sind nicht mit einem Gespräch von Mensch zu Mensch zu vergleichen. In der Anonymität, so hat die Praxis gezeigt, ist die Motivation gering, gemeinsame Datenbanken mit Inhalten zu füllen. Dr. Ulrike Creß vom Psychologischen Institut der Universität Tübingen und ihre Arbeitsgruppe am Institut für Wissensmedien haben in dem Projekt „Wissensaustausch mittels einer geteilten Datenbank“ in Experimenten mit insgesamt rund 800 Versuchspersonen anwendungsnahe Ansätze erarbeitet, durch die sich die Motivation der Mitarbeiter verbessern lässt.

„In einen Wissenspool können je nach Art der Firma Projektberichte, Protokolle oder Ergebnisberichte von Arbeitssitzungen eingebracht werden. Bei einer Rechtsberatung zum Beispiel auch Präzedenzfälle oder Gerichtsurteile, die für die Beurteilung neuer Fälle interessant sein können“, erklärt Ulrike Creß. In Entwicklungsabteilungen technischer Betriebe sei es oft sinnvoll, eine erarbeitete Problemlösung weiterzureichen, auch wenn sie sehr speziell erscheine. Doch seien in einzelnen Fällen etwa die Entwicklungen, die einen Schlagbohrer sicher in der Handhabung gemacht haben, vielleicht auf neue Konzepte für Sicherungssysteme im Auto übertragbar. Durch Eintrag in eine gemeinsame Datenbank werden solche Informationen für Kollegen auch in anderen Arbeitsbereichen nutzbar. „Wir suchen nun Ansatzpunkte dafür, wie sich die Mitarbeiter motivieren lassen, denn sie haben bei der Eingabe von Informationen einen gewissen Zeitaufwand“, sagt die Forscherin. Und schließlich kann geteiltes Wissen – subjektiv oder objektiv – einen Machtverlust bedeuten. Andererseits könnte der Mitarbeiter auch Informationen nutzen, die andere eingegeben haben. Es entstehe eine Situation, so Ulrike Creß, die in vergleichbaren Zusammenhängen in der Wissenschaft als soziales Dilemma bezeichnet wird, wie es etwa in Umweltfragen zum Tragen kommt: Zum Beispiel wolle jeder Auto fahren, aber keiner die Abgase einatmen. Zu unterscheiden seien die von den Medienpsychologen untersuchten Situationen etwa vom Handel im Internetbereich, beim Wissensaustausch in Chatrooms oder in Gesundheits-Newsgroups. „Bei Interesse am direkten gegenseitigen Austausch oder bei einem sehr starken Gruppengefühl gibt es in der Regel keine Motivationsprobleme bei den Teilnehmern“, betont die Wissenschaftlerin.

Das Dilemma beim Wissensaustausch in Firmendatenbanken hat die Forscherin in zahlreichen Versuchen mit simulierten Arbeitsgruppen nachgestellt: Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, Gehälter und Provisionen im Akkord zu berechnen. Pro errechnetem Betrag erhielt der Einzelne 30 Cent gutgeschrieben. Die Ergebniseingabe in eine Datenbank wurde nicht honoriert, doch wurden diese Daten im zweiten Versuchsteil von anderen Teilnehmern benötigt. Das Interesse des Einzelnen stand also gegen das Interesse der Gruppe: „Man bekam im Versuch mehr Geld, wenn man nichts in die Datenbank eingegeben hat. Wenn allerdings alle so dachten, hatte schließlich niemand Informationen“, fasst Ulrike Creß zusammen. Etwa 30 Prozent der Versuchspersonen erwiesen sich als reine „Trittbrettfahrer“, die praktisch keine Eingaben in die Datenbank machten und so ihren persönlichen Gewinn maximierten. Etwa jeder Fünfte gab den überwiegenden Teil seiner Ergebnisse ein, die Hälfte der Probanden verfolgte eine Mischstrategie, um den eigenen Zeitaufwand gering, das persönliche Ergebnis aber möglichst hoch zu halten.

Die Wissenschaftlerin hat nun in weiteren Experimenten versucht, das Dilemma der Versuchspersonen über unterschiedliche Bonussysteme zu lösen. Die Versuche waren so angelegt, dass jeweils sechs von ihnen suggeriert wurde, in einer Gruppe zusammenzuarbeiten. „Generell ist man kooperativer, wenn man weiß, dass andere die eigenen Informationen brauchen“, erklärt Ulrike Creß. Der Versuch, Eintragungen in die Datenbank zu honorieren, führte zu einer größeren Zahl, aber schlechterer Qualität der Einträge. „Wenn man ’Datenmüll’ vermeiden will, ist es sinnvoller, den Eintrag erst beim späteren Abruf der Information zu belohnen“, sagt die Medienpsychologin. Erhalten die Versuchsteilnehmer eine Vorgabe zur gewünschten oder üblichen Zahl der Einträge in die Datenbank – etwa „zehn Beiträge pro Tag“ oder „pro Tag zehn Minuten lang Informationen eingeben“ – bleiben die Teilnehmer zwar meist unter der Vorgabe, tragen aber mehr Informationen ein, wenn die Vorgaben höher sind: „Andererseits wirken Vorgaben aber auch nach oben als Ankerpunkt.“ In weiteren Versuchsdurchgängen wurde die Anonymität reduziert, indem Bilder der Teilnehmer im System präsentiert wurden. „Die Reaktionen waren gemischt: wenn wenig Gruppenbewusstsein vorhanden war, machten die Bilder der Anderen die Versuchsteilnehmer kooperativer. Wer aber sowieso schon die Gruppe im Blick hatte, sieht diese durch die Präsentation der einzelnen Mitglieder nicht mehr als homogen an, dann sind die Bilder kontraproduktiv.“

Aus den Experimenten hat die Forscherin Regeln für die Praxis bei der Nutzung netzbasierter Datenbanken formuliert. Zum Beispiel konnte sie folgern, dass es sinnvoll ist, Bilder zum An- und Abschalten in die Datenbank einzubringen. „Auch eine Funktion, mit der man sehen kann, was alles in der Datenbank enthalten ist, sollte flexibel sein. Ist die Datenbank am Anfang fast leer, wirkt eine solche Rückmeldung negativ. Sind später viele hilfreiche Daten eingegeben worden, aber positiv“, sagt Ulrike Creß. Projektkoordinatorin Korinna Bauer setzt hinzu: „Es wird also erforscht, welche Tools – also Werkzeuge – eine solche Datenbank beinhalten sollte. Manche Daten sollten einem großen Kreis zur Verfügung stehen, aber andere nur einzelnen Personen.“ Um die Qualität der Einträge hoch zu halten, wären nach Ansicht von Ulrike Creß auch Ratings denkbar, bei denen die Nutzer der Informationen Angaben zu deren Qualität machen. Im Experiment wurde Geld als Anreiz geboten, in der Praxis müssten es Ansehen, Zeitersparnis oder Kostensenkung sein. Trotz aller Anreize lassen sich nach den Erfahrungen der Medienpsychologin jedoch nicht alle „Trittbrettfahrer“ zu Mitarbeitern wandeln, die stärker den Gewinn und das Fortkommen der Gruppe im Blick haben als ihren eigenen Vorteil. Doch zumindest lässt sich ihre Zahl so stark reduzieren, dass sich eine gemeinsam genutzte Datenbank im Wissensmanagement eines Unternehmens auszahlt. (6718 Zeichen)

Nähere Informationen:

Dr. Ulrike Creß, ulrike.cress@uni-tuebingen.de, Tel. 07071-979 346, Psychologisches Institut
Korinna Bauer, k.bauer@iwm-kmrc.de, Tel. 07071/979-339
DFG-Schwerpunktprogramm „Netzbasierte Wissenskommunikation in Gruppen“, Institut für Wissensmedien, Konrad-Adenauer-Straße 40, 72072 Tübingen, Fax 07071/979-100

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Michael Seifert idw

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