Handyuser wollen niedrige Gebühren statt Extrafunktionen

Marktstrategien gehen am Kunden vorbei

Handytelefonierer geben niedrigeren Gebühren eindeutig den Vorzug gegenüber erweiterten Handyfunktionen, für die sie höhere Zahlungen in Kauf nehmen müssen. Dies geht aus einer Untersuchung von Capgemini und der Hochschule INSEAD hervor. Demnach unterschätzen Mobilfunkanbieter in Europa die Tatsache, dass ihre Kunden lieber billiger telefonieren und einfache Dienste bevorzugen. Indem sie die Bedürfnisse ihrer Kunden falsch einschätzen verschenken die Anbieter mögliche Umsätze, heißt es in der Studie.

40 Prozent würden auf Online-Rechnung umsteigen und 36 Prozent einen reinen Internetvertrieb akzeptieren. Ebenso meinen 79 Prozent bei niedrigeren Preisen genau so viel mobil zu telefonieren wie übers Festnetz. Etwa die Hälfte würde sogar ganz auf die Telefonsteckdose in den eigenen vier Wänden verzichten. In der europaweit angelegten Studie werden Kundenbedürfnissen und Angebote der Mobilfunkanbieter gegenübergestellt und dadurch Wachstumspotenziale für Mobilfunkanbieter aufgezeigt.

„Die Anbieter sind zu sehr darauf bedacht, ihren Wettbewerbern über Funktionen wie MMS oder Unified Messaging Marktanteile abzuringen und vernachlässigen dabei den simplen Wunsch der Kunden nach günstigen Verbindungspreisen“, erläutert Susanne Söffge, Vice President Telecom, Media & Entertainment bei Capgemini. Die mangelnde Kundenorientierung äußert sich auch darin, dass 54 Prozent der Handynutzer mit Rechnungsstellung sowie 78 Prozent der Prepaid-Nutzer sich ein einfacheres Zahlungsmodell wünschen.

Eine Marktanalyse der Düsseldorfer Beratungsgruppe insieme network sieht die Strategien der Mobilfunkanbieter sogar noch kritischer. „Lässt man die Geschichte des digitalen Mobilfunks Revue passieren, so fällt grundsätzlich auf, dass die Erfolge in der Branche eher zufälliger Natur waren und nicht auf strategischer Marktplanung basierten. Von 1992, dem Start der GSM-Mobilfunknetze in Deutschland, bis zum Jahr 2000 war das enorme Wachstum der Teilnehmerzahlen im Mobilfunk eher ein Selbstläufer. Jahr für Jahr hatten die Zuwachszahlen selbst die optimistischsten Prognosen und Planungen der Netzbetreiber übertroffen. Der aktive Beitrag der Anbieter bestand im Wesentlichen aus der Einführung der Prepaid-Karte und einer Vielzahl von Tarifoptionen – also Variationen von Preis und Rechnungsstellung. Gleiches gilt für SMS. In Deutschland 1995 von E-Plus eingeführt und zunächst sogar kostenfrei, entwickelte sich SMS zu einem geradezu sagenhaften Umsatzbringer. Bei keinem anderen Telekommunikations-Service erzielt ein Byte Daten solche Erlöse wie in Form einer SMS. Die Anwender erzeugen die Inhalte selbst und die Netzbetreiber sorgen nur für den Transport. Alle weiteren Produkte, die der Mobilfunk bislang hervorbrachte, stellten sich als Flop heraus“, bemängelt der TK-Experte Ralf Sürtenich von insieme network.

Diese Negativ-Serie habe mit WAP begonnen, dem ersten Protokoll für Datenanwendungen. Zu langsam, zu instabile Verbindungen, zu geringe Verbreitung. Bei schnelleren Datenübertragungen schieden sich sogleich die technologischen Geister, mit HSCSD, GPRS und Edge tauchten in kurzer Zeit gleich mehrere Standards auf. Instant Messaging, in Japan unter den Namen iMode ein Renner, wurde in Deutschland von E-Plus in der Hoffnung eingeführt, den japanischen Erfolg auch nur ansatzweise wiederholen zu können.

„Der Dienst blieb auch nur ein Nischenprodukt. Die MMS als multimedial aufgebohrte SMS mit der Möglichkeit, in Verbindung mit Kamera-Handys Fotos zu versenden, war trotz aller Analysten-Beschwörungen so wenig erfolgreich, dass in diesem Sommer binnen weniger Wochen alle Mobilfunknetzbetreiber ihre MMS-Preise dramatisch senkten. Auf der Linie der Konvergenz von Mobilfunk mit anderen Diensten liegt auch der Download von stark komprimierten Musiktiteln zu überteuerten Preisen. Er zählt derzeit zu den beliebtesten Versuchballons der Mobilfunkbranche. Die mobile Videotelefonie über UMTS ist der nächste Versuch, fröhlich kolportiert ungeachtet der Tatsache, dass Anwendung schon im Festnetz mit ISDN scheiterte“, sagt Sürtenich. Abgesehen von technischen Problemen bleibe es ohnehin sehr fragwürdig, ob mobil telefonierende Anwender sich beim Telefonieren sehen wollen und können, etwa beim Autofahren, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkauf im Supermarkt.

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Gunnar Sohn pressetext.deutschland

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