Die Rentenreformen wirken – die Deutschen gehen später in Rente

Frühverrentung rückläufig, Regelaltersrente auf dem Vormarsch – HBS und IAT stellen „Altersübergangs-Report“ vor

Zwar arbeiten die meisten Deutschen noch nicht bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren, doch haben sich die Renteneintritte in den letzten Jahren auf spätere Lebensjahre verschoben. Die im Zuge der Rentenreformen erfolgte Heraufsetzung der Altersgrenzen und die Einführung von Abschlägen bei früherem Renteneintritt beginnen somit zu wirken. Fraglich ist jedoch, ob die Betriebe mitziehen und Möglichkeiten für eine längere Erwerbstätigkeit von Älteren bieten. Das Übergangsgeschehen zwischen Erwerbsaustritt und Renteneintritt zeigt der „Altersübergangs-Monitor“ des Instituts Arbeit und Technik /Wissenschaftszentrum NRW (IAT/Gelsenkirchen), der im Rahmen eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Pilotprojektes entwickelt wurde und als eine kontinuierliche Sozialberichterstattung zum Altersübergang fortgeführt werden soll. Die Ergebnisse des Projektes werden in einer Reihe von „Altersübergangs-Reports“ veröffentlicht, deren erster jetzt erschienen ist

Wie die IAT-Wissenschaftler Dr. Matthias Knuth und Renate Büttner aufgrund einer Auswertung der Rentenzugangsstatistiken der Rentenversicherungsträger feststellen, ist ab 2002/2003 eine echte Trendwende zurück zur Rente mit 65 erkennbar. Einerseits werden – in Reaktion auf die allmählich greifenden Abschlagsregelungen – die vor 65 beziehbaren Renten nicht mehr zum frühest möglichen Zeitpunkt, sondern etwas später in Anspruch genommen. So sind z. B. bereits seit 1997 Renteneintritte mit 60 Jahren rückläufig. Auch bei der ab dem 63. Lebensjahr nutzbaren Altersrente für langjährig Versicherte erfolgen Renteneintritte zunehmend später, also mit 64. Andererseits nimmt die Inanspruchnahme vorzeitig beziehbarer Rentenarten überhaupt ab: Bemerkenswerte Rückgänge gab es hier insbesondere bei der Altersrente für Frauen (um 29 Prozent zwischen 1999 und 2003) und bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (um rund 39 Prozent zwischen 2000 bis 2003). Zu einem „Ausweicheffekt“ von Alters- auf Erwerbsminderungsrenten ist es nicht gekommen, im Gegenteil: Die Zugänge von Älteren ab 50 in Erwerbsminderungsrenten sind in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen.

Im Ergebnis ist das durchschnittliche Rentenzugangsalter der 50-69-Jährigen von 1996 bis 2003 um 12 Monate angestiegen. Die Verschiebung der Rentenzugänge um durchschnittlich ein Jahr wirkt sich auf der Ausgabenseite so aus, als ob den Rentenkassen ein ganzer Geburtsjahrgang „erspart“ geblieben wäre. Die Auswirkungen auf der Einnahmeseite hängen allerdings davon ab, ob die Rente nach einer Zeit der Beschäftigung, nach Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit angetreten wird. Immerhin könnte durch die noch junge Trendwende bei den Renteneintritten die Belastung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch die stark besetzten „Babyboomer“-Jahrgänge der 50er und 60er Jahre entschärft werden.

Eine Trendwende wäre allerdings auch in den Betrieben nötig, denn die betriebliche Personalpolitik scheint nach den Zeiten der Frühverrentungspolitik noch kaum auf die Beschäftigung Älterer eingestellt zu sein. Wenn aber die Chancen für die Erwerbstätigkeit Älterer nicht verbessert werden, könnte die Trendwende bei den Rentenzugängen von kurzer Dauer sein, so Dr. Matthias Knuth. Denn mit den weiteren Arbeitsmarktreformen wird das Warten auf eine abschlagsfreie Rente im Status der Arbeitslosigkeit unattraktiver. „Insbesondere für mittlere und höhere Einkommensgruppen wird eine mit Abschlägen bis zu 18 Prozent belegte, aber wenigstens am früheren Entgelt orientierte Rente in vielen Fällen günstiger sein als das am Existenzminimum orientierte Arbeitslosengeld II – erst recht, wenn dieses wegen der Anrechnung von Vermögen oder Partnereinkommen überhaupt nicht gezahlt wird.“ Die positive Entwicklung beim Rentenzugangsalter könnte sich so durch „Hartz IV“ noch einmal umkehren, bevor mit Ablauf des Jahres 2011 die derzeit noch ab 60 beziehbaren Frührenten ganz auslaufen.

Im Spannungsfeld von bereits beschlossenen Rentenreformen, Abbau der Lohnersatzleistungen für Langzeitarbeitlose und betrieblicher Rationalisierungspolitik sind die Orientierungsprobleme der Betroffenen schon groß genug. Forderungen nach einer weiteren Heraufsetzung der Regelaltersgrenze auf 67 oder gar 70 Jahre sind vom aktuellen Geschehen und der betrieblichen Beschäftigungspraxis so weit entfernt, dass sie letztlich nur auf eine Verschärfung der Abschlagsregelungen und damit auf eine nahezu allgemeine Rentenkürzung hinauslaufen würden. „Der Ausweg aus dem Dilemma des Altersübergangs kann nur darin bestehen, die Chancen für die Erwerbstätigkeit Älterer zu verbessern“.

Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
PD Dr. Matthias Knuth, Durchwahl: 0209/1707-186, Renate Büttner, Durchwahl: 0209/1707-254

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Claudia Braczko idw

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