Gemeinwohlsicherung als Herausforderung: Studie zu Auswirkungen der Privatisierung

Gemeinwohlsicherung als Herausforderung: Neue Difu-Studie beleuchtet Veränderungen bei der kommunalen Aufgabenwahrnehmung infolge von Privatisierung und Liberalisierung am Beispiel des Ver- und Entsorgungsbereichs

Das traditionelle Bild der Kommune, die mit verfassungsrechtlichem Auftrag als allumfassende Hüterin die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ erledigt, ist überholt. Die kommunale Aufgabenwahrnehmung hat sich durch Auslagerungen und Privatisierungen stark verändert. Diese Übernahme von Aufgaben durch Private ist für Kommunen und Bürger vor allem im Bereich des kommunalen Umweltschutzes deutlich: in der Versorgung mit Energie, Gas und Wasser sowie der Entsorgung von Abfall und Abwasser. Mit der Privatisierung ist jedoch auch ein Wandel im Bereich der kommunalen – öffentlichen und demokratisch legitimierten – Verantwortung bei der Aufgabenerfüllung und -gewährleistung verbunden. Welche Auswirkungen diese Entwicklung haben wird und welche Chancen und Gefahren sie für die Städte und Gemeinden birgt, ist derzeit offen.

In der aktuellen Studie „Gemeinwohlsicherung als Herausforderung – Umweltpolitisches Handeln in der Gewährleistungskommune“ untersuchte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), welche Mindestvorgaben für die Privatisierung kommunaler Aufgaben zu stellen sind. Nach Ansicht der Autoren bestimmt der Art. 28 Abs. 2 GG nicht nur ein Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Aus der im Grundgesetz bewusst dezentral zugewiesenen öffentlichen Aufgabenwahrnehmung lassen sich auch Mindestvorgaben für die gemeindliche Entscheidungssteuerung im Sinne einer „Selbstverwaltungspflicht“ ableiten. Der demokratisch-politischen Funktion der kommunalen Selbstverwaltung im Staatsaufbau und der damit verbundenen „Letztentscheidungsverantwortung“ der legitimierten Entscheidungsträger für die örtlichen Angelegenheiten kommt demnach eine wichtige Aufgabe zu. Je nach Grad der Privatisierung und Art der gemeindlichen Aufgabe sind Abstufungen der gemeindlichen Entscheidungs- und Einwirkungspflichten zu beachten. Die Möglichkeiten zur Steuerung der mit der Aufgabenwahrnehmung betrauten Gesellschaften sollten daher von der Kommune genutzt werden. Insbesondere fachpolitische Vorgaben der Gemeinde müssen in der Aufgabenerfüllung durch Private sichtbar werden, sei es im Vorfeld der Aufgabenbeschreibung im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen, in darauf folgenden Qualitätsanforderungen oder über Aufgaben begleitende kommunalpolitische Handlungsaufträge.

Angesichts der zunehmenden Zahl von Aufgabenabtretungen an private Akteure wird künftig vor allem eine Frage von zentraler Bedeutung sein: In welchem Maß und mit welchen Instrumenten können die Kommunen und ihre legitimierten Entscheidungsträger die ihnen vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgaben der örtlichen Angelegenheiten noch effektiv wahrnehmen? Dieser Frage widmet sich ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung. Neben einer Gewährleistungsverantwortung bei Fremderstellung hat die Kommune bei pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben auch eine „Auffangverantwortung“. Grundlegende Voraussetzung zur Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung sind hinreichende Wissens- und Problemverarbeitungskapazitäten zur strategischen Steuerung. Die jeweils unterschiedlichen Kompetenzen der Kommunen zur Wahrung der gebotenen Einflussnahme und zur Gewährleistung einer gemeinwohlorientierten Erbringung öffentlicher Aufgaben durch Dritte, erfordern jeweils individuell zu ziehende „Verantwortungssicherungs-Grenzen“ in den Gewährleistungskommunen. Da jedoch davon ausgegangen werden muss, dass die Übertragung von kommunalen Aufgaben auf Private stets auch die Abgabe von Know-how und Entscheidungskompetenzen mit sich bringt, wird künftig besonders darauf zu achten sein, geeignete Verfahren und Instrumente anzuwenden, die die Einflussnahme der legitimierten öffentlichen Entscheidungsträger absichern und qualifizieren.

Die Studie entstand im Rahmen der Arbeiten des Forschungsverbundes netWORKS und wurde gemeinsam mit Prof. Dr. jur. Stephan Tomerius, Fachhochschule Trier Umwelt-Campus Birkenfeld, erstellt. Sie ist in der Reihe netWORKS-Papers als Nummer 8 erschienen. Für Kommunen stehen diese Veröffentlichungen in einer begrenzten Auflage kostenlos zur Verfügung und können über das Deutsche Institut für Urbanistik bezogen werden. Interessenten aus Wissenschaft und Forschung sowie der übrigen Fachöffentlichkeit können sich die Texte kostenlos aus dem Internet von der Projektplattform www.networks-group.de/veroeffentlichungen herunterladen.

Der Forschungsverbund netWORKS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts „Sozial-ökologische Forschung“ gefördert (Laufzeit: 11/2002-10/2005).

Weitere Informationen:

Dipl.-Sozial-Ökonom Jens Libbe, Telefon 030/39001-115
Dipl. Soz. Jan Hendrik Trapp, Telefon: 030/39001-240
E-Mail: networks@networks-group.de

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Sybille Wenke-Thiem idw

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