Internationalisierungsstrategien deutscher Unternehmen

88 Prozent der Unternehmen nennen zusätzliches Wachstum als Hauptmotiv – Wichtigste Zielländer Polen und Tschechien, gefolgt von China und Indien – Rund 50 Prozent der Firmen planen weitere Markteintritte in Osteuropa, 42 Prozent wollen in Asien investieren – Marktwachstum entscheidendes Auswahlkriterium – 53 Prozent der Unternehmen starten mit Verkaufsniederlassung – Neben Vertrieb und Produktion werden auch Marketing, Buchhaltung, Personal, Einkauf und IT ausgelagert

Betätigen sich deutsche Unternehmen in Asien, Osteuropa oder Südamerika, zielen sie vor allem auf höheres Wachstum (88 Prozent) sowie steigenden Absatz (78 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt eine Gemeinschaftsstudie von Roland Berger Strategy Consultants und European Business School, Oestrich-Winkel (ebs), an der 120 deutsche Unternehmen verschiedener Branchen teilnahmen. Mehr als 80 Prozent der befragten Firmen expandieren nach Polen und Tschechien, 76 Prozent nach China, 73 Prozent nach Russland und Ungarn. Rund die Hälfte der Unternehmen plant, die Aktivitäten in Osteuropa weiter auszubauen. 42 Prozent beabsichtigen, in asiatischen Ländern wie China und Indien zu investieren. Ausschlaggebende Kriterien für die Wahl des Ziellandes sind Marktwachstum (79 Prozent), politische und ökonomische Stabilität (78 bzw. 76 Prozent) sowie das Erreichen einer führenden Marktposition (75 Prozent). 53 Prozent der Unternehmen gründen in den sogenannten „Emerging Markets“ zunächst eine Verkaufsniederlassung. Nach erfolgreichem Start siedeln sie dort nicht nur Produktions- und Vertriebskapazitäten an, sondern dezentralisieren auch Marketing, Buchhaltung, Personal, Einkauf und IT.

Im Rahmen der Gemeinschaftsstudie befragten Roland Berger Strategy Consultants und ebs rund 120 der 500 umsatzstärksten deutschen Unternehmen schriftlich zu ihren Markteintrittsstrategien in den „Emerging Markets“ Osteuropa, Asien und Südamerika. Die Studie wurde branchenübergreifend angelegt und umfasst kleine und mittlere Unternehmen ebenso wie internationale Konzerne. Sie wurde im August 2004 abgeschlossen.

Verlagern, um zu wachsen

Vorrangiges Ziel deutscher Unternehmen auf diesen Auslandsmärkten ist es, zusätzliches Wachstum zu schaffen (88 Prozent). 78 Prozent der befragten Firmen geben an, neue Absatzpotenziale ausschöpfen zu wollen. Die Unternehmen bevorzugen daher Länder mit dynamischen Wachstumsmärkten wie Polen, Tschechien oder China.

Als weitere Gründe für die Verlagerung nennen die Unternehmen frühe Marktpräsenz (71 Prozent) und höhere Rentabilität (70 Prozent). Die Internationalisierung ist überwiegend als langfristige Strategie angelegt.

Lediglich 40 Prozent der Unternehmen siedeln sich aufgrund niedriger Produktionskosten in Osteuropa, Asien oder Südamerika an. „Damit spielen Kostenvorteile bei der Internationalisierung eine weniger wichtige Rolle als allgemein angenommen“, erläutert Markus Strietzel, zuständiger Projektmanager aus dem Competence Center Financial Services bei Roland Berger Strategy Consultants. Allerdings weichen die Angaben der Unternehmen stark voneinander ab. Während die Firmen etwa in China eher an neuen Absatzchancen interessiert sind, schlagen in Indien, Indonesien und auf den Philippinen niedrige Produktionskosten stärker zu Buche.

Polen und Tschechien wichtigste Zielmärkte

Nach Osteuropa zieht es mehr als 98 Prozent der befragten Unternehmen. In asiatischen Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen (etwa China oder Indien) haben rund 79 Prozent der befragten Firmen investiert, in asiatischen Staaten mit höherem Durchschnittseinkommen (Hong Kong, Malaysia, Singapur, Taiwan und Südkorea) etwa 76 Prozent. In Südamerika sind 73 Prozent der Unternehmen aktiv.

Polen und Tschechien sind aus Sicht der befragten Unternehmen derzeit die wichtigsten Wachstumsmärkte. Über 80 Prozent sind dort vertreten, gefolgt von Ungarn und Russland mit je rund 73 Prozent. In China engagieren sich 76 Prozent der Unternehmen.

Weniger stark fällt die Präsenz vor allem in Südamerika aus. So haben lediglich 49 Prozent der befragten Unternehmen in Argentinien investiert, weniger als 45 Prozent in Kolumbien und Peru. Nur 17 Prozent der Firmen betrachten Südamerika als interessante Investitionsregion.

Wesentliche Auswahlkriterien

Wägen die Unternehmen zwischen möglichen Zielländern ab, halten sie vor allem starkes Marktwachstum für ausschlaggebend (79 Prozent). Mit dieser Aussage verdeutlichen sie die Stoßrichtung der Internationalisierung: im Ausland nachhaltig wachsen.

Als weitere Kriterien führen 78 Prozent ökonomische Stabilität, 76 Prozent politische Stabilität und 75 Prozent die Realisierung einer führenden Marktposition an. Darüber hinaus schätzen die Unternehmen hohes volkswirtschaftliches Wachstum (73 Prozent) sowie kaufkräftige Nachfrage (73 Prozent) als mitentscheidend ein.

Deutlich weniger wichtig sind die Verfügbarkeit von kostengünstigen Arbeitskräften (43 Prozent) oder spezifischem Know-how (38 Prozent) – ein weiteres Indiz für die eher nachrangige Bedeutung reiner Kostensenkung.

Märkte bestimmen Eintrittsstrategie

Unternehmen, die in den „Emerging Markets“ besonders stark wachsen, passen ihre Markteintrittsstrategie den Bedingungen vor Ort an. In den dynamisch wachsenden Regionen Asiens nehmen diese Firmen bevorzugt eine Pionierrolle ein und besetzen Märkte vor ihren Konkurrenten. Dagegen starten sie in den langsamer wachsenden Volkswirtschaften Osteuropas sowie Südamerikas eher zeitgleich mit den Wettbewerbern oder später in den Markt.

Weisen benachbarte Auslandsmärkte ein hohes Innovationstempo auf, entschließen sich die wachstumsstärksten Unternehmen häufig zu parallelem Markteintritt. Dabei tätigen sie vermehrt Akquisitionen, um das lokale Know-how zügig für eigenes Wachstum nutzen zu können.

53 Prozent der befragten Unternehmen öffnen zunächst eine Verkaufsniederlassung, um neue Märkte erschließen. „Da sich diese rechtlich unselbständigen Einheiten strategisch flexibel führen lassen und zudem weniger Ressourcen benötigen als etwa selbständige Tochterfirmen, werden sie den besonderen Risiken beim Start in Emerging Markets am besten gerecht“, sagt Prof. Dr. Rolf Caspers von der ebs.

Strategische Allianzen und Joint Ventures gelten besonders in Asien als geeignete Form des Markteintritts. Hier scheint sich die staatliche Förderung von Joint Ventures vor allem in China niederzuschlagen. Dagegen werden in Osteuropa vergleichsweise mehr Akquisitionen getätigt.

Umfassende Internationalisierung

Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen verlagert Produktion und Vertrieb in die „Emerging Markets“. Doch auch andere Tätigkeiten werden teilweise ins Ausland überführt: So siedeln mehr als 70 Prozent der Unternehmen auch das Marketing im Zielland an, fast 60 Prozent bauen eine lokale Buchhaltung auf, über 50 Prozent richten vor Ort Personalabteilungen ein.

Etwa die Hälfte der Unternehmen dezentralisiert zudem den Einkauf. Dies gilt vor allem in Teilen Asiens (60 Prozent) sowie in Südamerika (56 Prozent): Beide Regionen sind für deutsche Unternehmen nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch bei der Beschaffung besonders interessant.

Knapp 40 Prozent der Firmen schaffen lokale IT-Bereiche. Am wenigsten ausgeprägt ist bislang die Bereitschaft, Forschung und Entwicklung ins Ausland zu transferieren: Erst knapp ein Viertel der befragten Unternehmen unterhält F&E-Kapazitäten in Asien Osteuropa oderSüdamerika.

Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 31 Büros in 22 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. 1.630 Mitarbeiter haben im Jahr 2003 einen Honorarumsatz von über 530 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von mehr als 160 Partnern.

Media Contact

Jens Heinen Roland Berger

Weitere Informationen:

http://www.rolandberger.com

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