Untersuchung der Uni Mannheim stellt Akzeptanzprobleme bei Rentenreform fest

Aktuelle Untersuchung des Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) der Uni Mannheim zeigt Knackpunkte und Lösungen.

Die Rentenreformkonzepte finden in Deutschland in der vorliegenden Form keine Mehrheit. Das stellen Professor Dr. Axel Börsch-Supan und seine Mitarbeiter vom Forschungsinstitut Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) der Universität Mannheim in einer aktuellen Untersuchung fest, die vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) herausgegeben wird. Sie zeigen aber, wie die Handlungsparameter gestaltet, und welche konkreten Vorurteile und Informationsdefizite abgebaut werden müssen, um die Reformbereitschaft der Bevölkerung zu erhöhen.

Zum dritten Mal nach 2000 und 2001 hat das MEA-Team der Universität Mannheim das Wissen der Deutschen über die gesetzliche Rentenversicherung und ihre Bereitschaft, schmerzhafte Reformen zu tragen, untersucht. Dafür wurden im Spätherbst 2003 2508 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger im Alter ab 18 Jahren befragt.

Mehrheit für Status quo des Sozialstaats

Der Wissensstand und auch die Reformbereitschaft haben sich zwar verbessert, aber immer noch ist die Reformresistenz in Deutschland groß. Nur 34 Prozent der Befragten sind bereit, den Umfang der sozialen Sicherung zugunsten niedrigerer Steuern und Abgaben zu reduzieren. 36 von Hundert wollen hingegen den derzeitigen Stand des Sozialstaates beibehalten (2000: 54 Prozent). 19 Prozent der Befragten wünschen sich sogar einen weiteren Ausbau der Sicherungssysteme. Betrachtet man genauer, welche Personen welche Haltung zu den Sozialsystemen einnehmen, bestätigt sich eine bekannte politökonomische These: Politische Präferenzen hängen weitgehend mit der individuellen wirtschaftlichen Situation zusammen. Ein großer Sozialstaat wird von denen unterstützt, die von ihm profitieren.

Keine Majorität für Rentenreform

Mit Hilfe der im Produktmarketing bekannten „Conjoint-Methode“ wurden in der vorliegenden Untersuchung vermutlich erstmals im Geld- und Finanzbereich „Produkteigenschaften“ finanzierbarer Rentenreformen variiert und zur Abstimmung vorgelegt. Dabei wird mit der Conjoint-Methode nicht allgemein, sondern mit konkreten Zahlen ermittelt, welchen „Preis“ die Bürger zu zahlen bereit sind, um ganz bestimmte „Produkteigenschaften“ – höhere oder niedrigere Beitragshöhe, früherer oder späterer Renteneintritt, höheres oder niedrigeres Rentenniveau – zu finanzieren. Die „Schlaraffenlandoption“ – hohe Renten, niedrige Beiträge und frühes Renteneintrittsalter – wurde damit von vornherein ausgeschlossen.

Ein Beispiel aus der Untersuchung:

Frage: Die Menschen werden immer älter, und gleichzeitig gibt es immer weniger Kinder. Deshalb sind Anpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung unausweichlich. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn das Rentenniveau so bleibt wie heute, welchem der folgenden drei Vorschläge würden Sie dann am ehesten zustimmen?

1. Das Rentenalter bleibt auf dem heutigen Stand. Die Beitragssätze steigen um 7 Prozentpunkte.
2. Das Rentenalter steigt um 2 Jahre. Die Beitragssätze steigen um 5 Prozentpunkte.
3. Das Rentenalter steigt um 4 Jahre. Die Beitragssätze steigen um 2 Prozentpunkte.

Das ernüchternde Ergebnis: Keine finanzierbare Kombination der drei Handlungsparameter Rentenniveau, Renteneintrittalter und Beitragssatz – inklusive des Reformpaketes der Rürup-Kommission – findet derzeit eine absolute Mehrheit.

Mehrheiten nur durch bessere Information

Die Lösung des Problems muss also an einer anderen Stelle liegen. Näher betrachtet gibt die Untersuchung dafür den entscheidenden Hinweis: Besser informierte Personen sind eher für realistische und daher einschneidende Reformen zu gewinnen. „Wenn zum Beispiel alle Befragten wüssten, wie hoch der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung ist, würden die Reformvorschläge der Rürup-Kommission eine solide Mehrheit von etwa 55 Prozent erhalten. Lediglich die Transfer-Empfänger würden auch mit diesem Kenntnisstand immer noch gegen die Reformvorschläge stimmen.“

Reformpolitisches Fazit

„Wieder einmal zeigt sich: Das Verständnis des Systems ist die Voraussetzung für Reformen.“ So fasst DIA-Sprecher Bernd Katzenstein den Lösungsansatz der aktuellen Studie zusammen. Folgende Tatbestände müssten der Bevölkerung besser verständlich gemacht werden:

– Mehr Eigenvorsorge und weniger Umlagefinanzierung schaffen Beitragsentlastungen für die Kinder und Enkel.
– Längere Lebensarbeitszeiten nehmen den Jüngeren keine Arbeitsplätze weg. Wenn es gelingt, die Rentenbeiträge und damit die Lohnnebenkosten zu reduzieren, dann steigt die Beschäftigung.
– Ein Drittel des Rentenbudgets wird nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuermitteln aufgebracht.
– Die Rente von morgen wird nicht durch Beiträge von heute, sondern durch die Beiträge der Kinder finanziert.

Die Studie „Akzeptanzprobleme bei Rentenreformen“ kann im Internet angefordert werden.

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Achim Fischer idw

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