Mercer-Analyse "Service im Maschinenbau" / Ungenutzte Chancen im Servicegeschäft

– Bis zu 50 Prozent des Ertragspotenzials werden verschenkt
– Wachstum des Basisgeschäfts meist unter 2 Prozent
– Service erfordert einen Umbau des Geschäftsmodells

Eine aktuelle Mercer-Analyse von 200 Maschinenbau-Unternehmen belegt, dass die Ertrags- und Wachstumspotenziale der Branche vor allem im Servicegeschäft liegen. Die Gewinne im Maschinenbau entstehen nur noch zum kleineren Teil durch den Verkauf neuer Maschinen. Den Löwenanteil erzielt das Folgegeschäft mit Dienstleistungen wie Diagnose, Wartung, Teileverkauf, Beratung oder Betrieb der Maschine im Auftrag des Kunden. Der deutsche Maschinenbau, so die Analyse, nutzt die Chancen des Servicegeschäfts bisher nur zu rund einem Viertel und verschenkt 30 bis 50 Prozent seiner möglichen Erträge.

Um 4,6 Prozent konnte der Umsatz im deutschen Maschinenbau in den letzten 5 Jahren zulegen. Davon sind aber weniger als 2 Prozent dem reinen Maschinenverkauf zuzuordnen, wie die Mercer-Analyse „Service im Maschinenbau“ zeigt. Mehr als die Hälfte des Wachstums der Branche kommt aus dem Servicegeschäft. Beim Ertrag ist der Anteil des Services noch höher: Während das Maschinengeschäft eine Umsatzrendite von durchschnittlich 2,3 Prozent bringt, erreicht der Service häufig mehr als 10 Prozent Rendite: Bei Ersatzteilen sind es 18 Prozent, bei Beratungsleistungen 16 Prozent und bei Reparatur und Umbau 11 Prozent. Instandhaltung und Gebrauchtmaschinenhandel liegen mit 9 und 8 Prozent Umsatzrendite ebenfalls deutlich über dem Neumaschinengeschäft. Bei Aufbaumontage, Inbetriebnahme und Abnahme wird dagegen in der Regel nichts verdient – sie fungieren als Dreingaben für den Neumaschinenverkauf und sind ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr der Maschinenbau noch an seinem traditionellen Geschäftsmodell haftet.

Service könnte die Hälfte des Umsatzes erreichen

Wie die Mercer-Analyse von 200 Maschinenbauern zeigt, nutzen die meisten Unternehmen das im Service liegende Wachstums- und Ertragspotenzial bislang nur sehr wenig: Bei fast drei Viertel aller Maschinenbauer liegt der Serviceumsatz unter 20 Prozent. Die Spitzen- Performer der untersuchten Gruppe erwirtschaften dagegen durchweg zwischen 40 Prozent und 60 Prozent ihres Umsatzes im Service. Dieselbe Analyse zeigt, dass die meisten Maschinenbauer ihre Servicepotenziale nur zu 25 Prozent ausschöpfen: Reparatur, Wartung, Ersatzteile und Schulungen werden zwar kontinuierlich weiterentwickelt, die Unternehmen bleiben jedoch die alten. Sie behalten ihr ausschließlich auf Entwicklung, Produktion und Verkauf neuer Maschinen ausgerichtetes Geschäftsmodell bei und versäumen so, innovative Leistungsbündel zu schnüren.

„Mehr und mehr wird Service zum Kerngeschäft vieler erfolgreicher Maschinenbauer“, sagt der Mercer Maschinenbau-Experte Peter Baumgartner. „Das angestammte Maschinengeschäft wird nur noch benötigt, um die Basis der beim Kunden aufgestellten Maschinen sicherzustellen. Die Gewinnpotenziale liegen in den wertschöpfenden Leistungen, die im Anschluss verkauft werden können.“

Umbau des Geschäftsmodells notwendig

Um die Chancen des Servicegeschäfts in vollem Ausmaß zu nutzen, muss das Geschäftsmodell radikal umgebaut werden. Führende Investitionsgüterhersteller zeigen, wie es geht: Der Schwerpunkt dieser Unternehmen liegt nicht mehr auf der Herstellung, sondern auf den nachgelagerten Dienstleistungen und Ersatzteilen. So hat GE Aero Engines, ein bedeutender Hersteller von Flugzeugtriebwerken, sein Servicegeschäft zwischen 1995 und 1998 von 29 Prozent des Umsatzes auf 55 Prozent gesteigert. Das traditionelle Wartungsgeschäft baute GE durch mehrere Akquisitionen aus und erweiterte es durch innovative Dienstleistungen wie etwa die Fernüberwachung während des Flugs. Ferndiagnosen wurden in den Markt eingeführt und das Geschäft durch Finanzierungslösungen abgerundet.

Ähnliche Strategien verfolgen auch andere führende Investitionsgüterhersteller: IBM macht inzwischen fast 60 Prozent seines Umsatzes durch Servicegeschäft, bei GE Medical (medizinische Geräte) sind es 50 Prozent. Aber auch viele mittelständische Unternehmen haben den Schritt vom reinen Hersteller zum kombinierten Herstellungs- und Serviceunternehmen erfolgreich beschritten: So erzielt Kone (Aufzüge, Hafenausrüstung) 58 Prozent seines Umsatzes im Service, Hanover Compressor (Kompressoren) 72 Prozent und Zeppelin (Baumaschinen) 50 Prozent.

„Profitable Services müssen die Wirtschaftlichkeit des Kunden erhöhen“, sagt der Autor der Studie, Mercer-Berater Thomas Kautzsch. „Ein Teil der so vom Kunden eingesparten Mittel verbleibt dann in Form von höheren Service-Erträgen beim Maschinenbauer. Zudem steigt in der gesamten Wirtschaft die Outsourcing-Bereitschaft der Kunden, und technische Möglichkeiten, wie etwa die Ferndiagnose über Internet, eröffnen interessante neue Service-Perspektiven.“

Hohe Margen bei Service-Angeboten

Neben den hohen Service-Margen von 8 bis 18 Prozent gibt es noch eine Reihe weiterer Gründe, die das Servicegeschäft attraktiv machen: So ist der Kapitalbedarf für Services deutlich geringer. Sie benötigen fast kein Anlagevermögen und die Risiken sind entsprechend niedriger. Auch sind Service-Umsätze weniger stark zyklisch, in einigen Branchen verhält sich der Service aufgrund von mehr Nachrüstungen und Umbauten sogar antizyklisch. Richtig angelegt, ermöglichen Servicekonzepte eine hervorragende Möglichkeit zur strategischen Absicherung der Kundenbeziehung. Die Heidelberger Druckmaschinen AG erreicht dies beispielsweise durch Druckfarben- Management, langjährige Full-Service-Verträge mit Fernunterstützung, Arbeitsfluss-Optimierung über alle Produktionsstufen bis hin zur Druckereiplanung.

Einen Anhaltspunkt dafür, wie wachstumsstark der Service ist, liefern die Service-Unternehmen WIG Industrieinstandhaltung GmbH, eine ThyssenKrupp-Tochter, und DIW Deutsche Industriewartung AG, eine Voith-Tochter. Sie erreichten in den letzten Jahrzehnten zweistellige Wachstumsraten mit Management, Wartung, Montage und Umbau von Industrieanlagen. Diese Unternehmen zeigen einerseits, welche Chancen ein Großteil der Maschinenbauer verpasst. Andererseits stellt ihr Erfolg eine erhebliche langfristige Bedrohung für Maschinenbau-Unternehmen dar. Sollten die technischen Dienstleister weiter wachsen und – wie von vielen prognostiziert – in einigen Jahren das technische Management für komplette Werke übernehmen, so werden sie die Maschinen- und Ersatzteil-Käufer der Zukunft.

Die Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf den Maschinenbau wären erheblich: Bei einem zentralen Einkauf großer Service-Anbieter für mehrere Werke in ganz Europa gerieten die Preise weiter unter Druck, gerade für Ersatzteile. Aber auch der Service und seine Preise würden von diesen Unternehmen besser kontrolliert werden können. Die traditionellen Kundenbeziehungen und Abhängigkeiten der Branche wären durch eine solche Entwicklung ebenfalls betroffen – eine Erfahrung, die viele Werkzeughersteller bereits mit Full- Service-Anbietern machen mussten. Solche Full-Service-Anbieter übernehmen mehr und mehr den Einkauf für große Produktionswerke, beispielsweise in der Automobilzulieferindustrie. Sie reduzieren so den Kundenzugang für die bisherigen Lieferanten und bringen die Preise unter Druck, um für ihre Kunden die versprochenen Einsparungen zu erreichen und den eigenen Ertrag zu sichern.

Maschinenbauer in alten Denkmustern verhaftet

Die Mercer-Analyse zeigt eine Reihe von Gründen auf, warum Maschinenbauer ihre Chancen im Servicegeschäft nicht besser nutzen:

– Wenige Unternehmen kennen die Chancen, die sich ihnen im Service bieten. Ihre eigenen Erfahrungen im meist margenschwachen Geschäft der Montage, Inbetriebnahme und Schulung sowie ihre auf Maschinenverkauf ausgerichtete Struktur und Kundenbetreuung verhindern die Durchsetzung innovativer Service-Gedanken.

– In der Regel erfordert das Erschließen der Service- Potenziale ein eigenständiges, zweites Geschäftsmodell: Der Service besitzt andere Erfolgsfaktoren als der traditionelle Maschinenbau. Eine zu starke Vermischung von Service- und Neumaschinengeschäft kann beide Felder beeinträchtigen.

– Der Service hat traditionell einen geringen Stellenwert bei Maschinenbauern. Das Thema kommt selten in der Aus- und Weiterbildung vor und steht ganz hinten auf der Agenda, wenn sich das Management trifft. Auch ist das Servicegeschäft meist der am wenigsten transparente Zweig bei Maschinenbau-Unternehmen – ein Widerspruch zur großen Bedeutung dieses Geschäftsfelds.

– Maschinenbau-Unternehmen haben oft ein traditionelles Investitionsverständnis: Kapital wird in neue Produkte, Hallen und Maschinen gesteckt. Die Entwicklung und Einführung neuer Services erscheint weniger greifbar – obwohl die Rückflüsse einer solchen Investition in den meisten Fällen deutlich höher und risikoloser sind als im angestammten Geschäft.

– In vielen Unternehmen gibt es zudem organisatorische Barrieren für die Entwicklung des Servicegeschäfts: Bestehende Servicefunktionen sind in Unterfunktionen anderer Abteilungen zersplittert, zumeist gedacht als „Erfüllungsgehilfen“ des Maschinengeschäfts. So wird ihre Ertragskraft nicht transparent, das Servicedenken leidet und Service-Anliegen werden nicht wichtig genommen. Folgerichtig fehlen in einem solchen System auch eigenständige Karrierepfade und Anreizsysteme.

„Wer die Chancen im Service nutzen will, muss sich Gedanken um den Nutzen seiner Maschinen beim Kunden machen“, sagt Mercer-Experte Baumgartner. Wie arbeitet der Kunde mit den Maschinen? Welche seiner Probleme lösen und welche verursachen sie? Und: Was kann außerhalb der Maschinentechnologie noch getan werden, um dem Kunden in diesem Bereich Zeit, Kosten oder Arbeitsgänge einzusparen? Die meisten Maschinenbauer kennen ihre Kunden gut genug, um schnell erste Antworten auf solche Fragen zu finden. So entstehen oft mehrere Optionen für Servicegeschäfte. Die Ansätze mit dem höchsten Potenzial müssen dann konsequent weiterverfolgt werden. In einem ersten Pilotprojekt werden Erfahrungen darüber gesammelt, wie beim Kunden echte Verbesserungen entstehen und welche Art von Geschäftsmodell dafür notwendig ist. Es muss kritisch bewertet werden, welche Erträge das neue Service-Geschäftsmodell erwarten lässt und welche Risiken damit verbunden sind.

„Nicht jeder Maschinenbauer hat bereits eine Kultur, mit der ein Servicegeschäft florieren kann. Die notwendigen Service- Organisationen werden deshalb so unterschiedlich sein, wie die gefundenen Kundenlösungen,“ resümiert Mercer-Berater Kautzsch. Eine Gemeinsamkeit aber haben alle erfolgreichen Servicemodelle: Sie ermöglichen den Kunden messbare Verbesserungen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit, von denen der Maschinenbauer profitiert – durch bessere Margen und geringere Auftragsschwankungen.

Sechs Erfolgsfaktoren für das Servicegeschäft im Maschinenbau

1. Schaffen von echtem Kunden-Mehrwert durch intelligente Services

2. Schnüren von komfortablen Leistungsbündeln

3. Abtrennen des Servicebereichs vom Maschinen-Neugeschäft

4. Entwickeln einer originären Dienstleistungs-Mentalität im Unternehmen

5. Bereitschaft für substanzielle Investitionen in Dienstleistungen

6. Transparenz der im Service erzielten Umsätze und Erträge

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Weitere Informationen:

http://www.mercermc.de

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