Hilft Hirnstimulation bei Tinnitus?

Tübinger Forscher untersuchen neue Behandlungsmethode. Tinnitus-Betroffene können sich ab sofort für Studie anmelden.

„Tinnitus“ – Woher kommt das ständige Pfeifen, Summen, Zischen oder Rauschen, unter dem fast 3 Millionen Menschen allein in Deutschland leiden? Mit internationaler Unterstützung der amerikanischen Tinnitusgesellschaft (ATA) und gefördert durch die Tübinger Universität erforschen die Neurowissenschaftler Christian Gerloff und Christian Plewnia, welche Rolle das Gehirn für die Entstehung von Tinnitus spielt. Mit einer in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Annals of Neurology“ veröffentlichten Untersuchung konnten sie zeigen, dass bei einigen Patienten Hirnareale, in denen normalerweise die Verarbeitung von Tönen und Sprache stattfindet, auch an der Wahrnehmung von Tinnitus entscheidend mitbeteiligt sind. Dabei hat eine gezielte kurzzeitige Abschwächung der Hirnaktivität in diesen Arealen bei einigen Patienten zu einer vorübergehenden Abnahme des Tinnitus geführt. Untersuchungen sollen jetzt zeigen, ob sich durch diesen völlig neuen Ansatz die Lautstärke von Tinnitus verringern lässt und wie lange günstige Effekte bestenfalls anhalten.

Die Forscher vermuten, dass in vielen Fällen fehlgerichtete Anpassungsvorgänge des Gehirns nach Hörschädigung für die quälenden Geräusche verantwortlich sind. Ähnlich wie beim Phantomschmerz, bei dem Patienten Schmerzen in einem amputierten – also nicht mehr vorhandenen – Körperglied empfinden, können Patienten selbst nach Entfernung des Innenohrs weiterhin ein dauerndes störendes Ohrgeräusch – Tinnitus – aus diesem nicht mehr vorhandenen Ohr wahrnehmen. Die beiden Tübinger Wissenschaftler gehen davon aus, dass genau diese Empfindung ihren Ursprung im Gehirn selbst haben muss, und versuchen nun, durch eine gezielte Hirnstimulation die fehlerhafte Aktivität der betreffenden Hirnregionen zu normalisieren. Diese Untersuchungen sollen zeigen, ob sich durch diesen völlig neuen Ansatz die Lautstärke von Tinnitus verringern lässt und wie lange günstige Effekte bestenfalls anhalten.

Um dabei möglichst präzise vorzugehen, werden die Zielregionen für die Stimulation mit bildgebenden Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und der Kernspintomographie festgelegt. Dann wird mit einem sog. Neuronavigationssystem eine magnetische Spule genau über dem Zielareal positioniert und das Areal durch wiederholte Entladung der Magnetspule in seiner Funktion beeinflusst. Bei dieser Form der Stimulation handelt es sich um die transkranielle Magnetstimulation (TMS), eine Methode, die seit mehreren Jahren für diagnostische Zwecke in der Neurologie verwandt wird und bei der die Zellen der Hirnrinde durch die Schädeldecke hindurch mit starken Magnetimpulsen beeinflusst werden. Operative oder andere belastende Eingriffe sind dazu nicht nötig.

Ansprechpartner für nähere Informationen

Universitätsklinikum Tübingen
und Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung
Priv.-Doz. Dr. med. Christian Gerloff, Oberarzt der Neurologischen Klinik
Dr. med. Christian Plewnia, Assistenzarzt
Hoppe-Seyler-Str. 3, D-72076 Tübingen
Tel. 07071 / 29-80412, -5260
E-mail: christian.gerloff@uni-tuebingen.de

Patienten, die an dieser etwa vier Wochen dauernden Studie teilnehmen möchten, können unter der Nummer 07071 / 29-86119 nähere Informationen erhalten.

Media Contact

Dr. Ellen Katz idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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