Studie: Sinken Billigflaggen-Öltanker wirklich häufiger?

Zwei UWH-Wirtschaftswissenschaftler untersuchen Untergänge von 1963-96.

Gerade ist der Öltanker „Prestige“ vor der galizischen Küste im 4000 Meter tiefen Atlantik versunken, da beginnt schon wieder die Diskussion um verschärfte Auflagen für Tanker unter Billigflagge. Frank Tolsdorf und Dirk Losen, zwei Wirtschaftswissenschaftler der Universität Witten/Herdecke, weisen jetzt in einer empirischen Studie, die demnächst im Wittener Jahrbuch für ökonomische Literatur 2002 erscheint, zwar nach, dass „Tanker aus Billigflaggenländer“ häufiger sinken als Tanker aus „Normalflaggenländer“. Jedoch ist der Unterschied viel geringer als man bisher vermutet hat: Zur Untermauerung ihrer These besorgte sich das Duo die Daten aller weltweit gesunkenen Tanker zwischen 1963 und 1996 – 686 insgesamt, 589, wenn man die Kriegsverluste abzieht. Die Menge des dabei von 1970 bis 1999 in die Weltmeere geflossenen Öls beträgt astronomische 5,4 Mio. Tonnen – genug, um alle Küsten Europas mit einer mehreren Zentimeter dicken Ölschicht zu überziehen. Tolsdorfs und Losens Analyse widerlegt jedoch eine These, die jetzt wieder in der Öffentlichkeit zu hören ist: Tanker aus Billigflaggenländer seien immer häufiger die Ursache für gewaltige Havarien.

Vielmehr ergibt sich ein anderer, überraschender Befund: Der stark angestiegene Ölpreis der letzten drei Jahrzehnte scheint auch Billigflaggentanker immerhin so sicher gemacht zu haben, dass sie zwar noch häufiger als andere in Havarien verwickelt sind, aber bei weitem nicht mehr so stark wie früher. Die „Untergangswahrscheinlichkeit“ von Billigflaggentanker ging vor allem in den Jahren zwischen 1978-82 um 50 Prozent zurück und sank danach weiter. Im selben Zeitraum hatte sich der Rohölpreis mehr als verdreifacht.

Daraus zieht das Forscherduo den Schluss, dass es vor allem der Markt selbst und nicht staatliche oder überstaatliche Regelungen war, der Tanker insgesamt sicherer gemacht hat. Ihr Argument: Wenn eine Tankerladung heute, inflationsbereinigt, im Durchschnitt ein Mehrfaches dessen wert ist, was sie noch vor 25 Jahren kostete, steigt auch die Bereitschaft von Reedern unter Billigflaggen wie Liberia, Panama und Griechenland mit insgesamt 41,5% der Welttonnage, in die Sicherheit ihrer Schiffe zu investieren.

Kontakt:
Frank Tolsdorf, Tel.: 02302-926564
Dirk Losen, Tel.: 02302-926579

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Christiane Bensch idw

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