Vom Kampf gegen den Glimmstängel

Tabak ist die weitest verbreitete Droge in Deutschland – auch unter Jugendlichen: „Nach aktuellen Daten rauchen rund 20 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen“, berichtet Dr. Daniela Piontek, die nach ihrem Psychologiestudium an der TU Chemnitz zum Thema „Tabakkonsum bei Jugendlichen und erwachsenen Risikopopulationen. Einflussfaktoren und Ansätze zu Prävention und Intervention“ promovierte.

Betreut wurde ihre Arbeit von Prof. Dr. Udo Rudolph, Inhaber der Professur Allgemeine Psychologie und Biopsychologie. Warum fangen Jugendliche an zu rauchen? Was können Schulen unternehmen, um die Zahl der qualmenden Schüler zu verringern? Diesen Fragen näherte sich Piontek durch eine Befragung an 40 weiterführenden Schulen im Freistaat Bayern.

Ihre Dissertation – die mit der Bestnote „summa cum laude“ bewertet wurde – basiert auf einer Studie vom Institut für Therapieforschung in München, wo Piontek seit 2004 arbeitet, durchgeführt in Kooperation mit dem Kultusministerium und dem Gesundheitsministerium in Bayern sowie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Im zweiten Teil der Arbeit untersuchte die 27-jährige TU-Absolventin das Rauchverhalten von drei erwachsenen Risikogruppen: Alkoholabhängige, Mütter und Patienten, deren Gesundheit unter dem Tabakkonsum schon deutlich gelitten hat.

Rauchverbot an Schulen zahlt sich aus

„Wir haben erstmals in Deutschland systematisch die Tabakpolitik an Schulen untersucht und mit den Einflüssen anderer sozialer Systeme kombiniert“, schätzt Piontek die Bedeutung der Studie ein. Befragt wurden die Schulleiter oder Suchtbeauftragten zur Rauchpolitik an ihren Einrichtungen sowie rund 3.000 Schüler zu ihrem Rauchverhalten und ihrem sozialen Umfeld, also ihrer Familiensituation und ihrem Freundeskreis.

Zur Zeit der Datenerhebung – im Sommer 2005 – gab es in Bayern noch kein allgemeines Rauchverbot an Schulen. Dieses wurde erst im Schuljahr 2006/2007 gesetzlich eingeführt – zu recht, wie Piontek einschätzt: „Unsere Studie hat ergeben, dass ein Rauchverbot zu einem niedrigeren Risiko führt, dass Schüler anfangen zu rauchen. Denn den Jugendlichen wird dadurch klar gemacht, dass das Rauchen nicht erwünscht ist – sowohl unter den Schülern als auch unter den Lehrern – und dass es keine Ausnahmen gibt.“

Eben diese Konsequenz sei sehr wichtig und deshalb auch eine wichtige Errungenschaft der inzwischen in vielen Bundesländern eingeführten Rauchverbote an Schulen: „Schon vorher gab es oft ein Rauchverbot für Schüler, zumindest für die jüngeren, aber die Lehrer durften rauchen, wenn auch in abgetrennten Räumen. Für die Schüler entstand dadurch ein merkwürdiges Bild und es gab mehrdeutige Botschaften – keine guten Voraussetzungen dafür, dass ein Jugendlicher nicht anfängt zu rauchen“, so Piontek.

Eine noch größere Vorbildfunktion als die Lehrer und die Eltern hat jedoch der Freundeskreis, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Wichtig dabei sind vor allem das Rauchverhalten des besten Freundes und die Zahl der rauchenden Freunde. Auch positive Vorbildfunktionen können im Freundeskreis ausgelöst werden: Wenn aus einer Clique ein Mitglied aufhört zu rauchen, kann dies eine Initialzündung sein, die auch andere Gruppenangehörige dazu bewegt, nicht mehr zu qualmen.

Und was kann nun eine Schule unternehmen, um den Tabakkonsum unter Schülern gering zu halten? „Es braucht eine Kombination aus strukturellen und personenorientierten Maßnahmen“, sagt Piontek und erklärt: „Neben einem konsequenten Rauchverbot müssen die Widerstandsfähigkeit und die Lebenskompetenz der Jugendlichen geschult werden. Sie müssen lernen, Versuchungen zu widerstehen, wenn sie etwa eine Zigarette angeboten bekommen. Ihnen müssen Möglichkeiten vermittelt werden, wie sie in einer solchen Situation reagieren können und wie es ihnen gelingt, standhaft zu bleiben.“

Rauchen als Stressbewältigung

Während die Forscher bei Jugendlichen versuchen, die Zahl der Rauch-Anfänger zu reduzieren, zielen sie bei Erwachsenen hauptsächlich auf die Entwöhnung. Vor allem, wenn die Raucher zu einer der drei Risikogruppen gehören, die Piontek in ihrer Doktorarbeit untersuchte: alkoholabhängige Patienten in der stationären Rehabilitation – hier sind rund 80 Prozent und damit überdurchschnittlich viele der Betroffenen Raucher -, Mütter, die neben ihrer eigenen Gesundheit auch die ihrer Kinder negativ beeinflussen, und Patienten, die an chronischen Krankheiten leiden, die durch das Rauchen ausgelöst wurden.

Bei diesen drei Gruppen ist eine Rauchentwöhnung einerseits besonders wichtig – andererseits aber auch besonders schwierig: „Das Rauchen wird von diesen Personen häufig zur Stressbewältigung eingesetzt. Sie haben Schwierigkeiten mit ihrer Gesundheit, sind dadurch belastet und haben gelernt, durch das Rauchen ihren Stress zu reduzieren oder auch Nebenwirkungen von Medikamenten abzumildern“, erklärt Piontek und ergänzt: „Vor allem bei Alkoholikern kommt noch der kommunikative Aspekt hinzu: In den Suchtrehakliniken treffen sich die Raucher etwa in speziellen Inseln auf dem Klinikgelände und haben hier eine Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Sie gehören zu einer Gruppe, was für sie sehr wichtig ist.“

Vor einem Tabakentwöhnprogramm muss bei diesen Zielgruppen deshalb zunächst die Motivationsarbeit stehen. Und auch nach der Entwöhnung sind diese Personengruppen problematischer als andere: „Die Aufrechterhaltung der Abstinenz ist extrem schwierig. Wir haben in unserer Studie die telefonische Nachsorge als einen Ansatz untersucht, der helfen könnte, die Abstinenz länger durchzuhalten. Hier wären aber noch weitere Studien wünschenswert, um genauer herauszufinden, was tatsächlich am meisten wirkt“, blickt Piontek in die Zukunft. Die besten Chancen, dauerhaft vom Zigarettenqualm los zu kommen, habe jedenfalls, wer Unterstützung aus seinem sozialen Umfeld erhält und wer andere Möglichkeiten findet, Stress zu bewältigen.

Die Ergebnisse der Studie werden auch einfließen in das Angebot der Raucherambulanz Chemnitz, die seit Anfang 2008 Entwöhnungskurse für Erwachsene und jugendliche Raucher durchführt. „Mittelfristig sollen Spezialkurse etwa für Schwangere und deren Partner oder für Patienten mit Lungen-, Herz-Kreislauf- oder Gefäßkrankheiten angeboten werden. Darüber hinaus planen wir regelmäßige Auffrisch-Kurse sowie unentgeltliche Ehemaligentreffen der rauchfreien Teilnehmer“, sagt Prof. Dr. Stephan Mühlig, Inhaber der Professur Klinische Psychologie an der TU Chemnitz, Leiter der Raucherambulanz und Gutachter der Dissertation von Daniela Piontek.

Weitere Informationen erteilt Dr. Daniela Piontek, Telefon 089 360804-82,
E-Mail piontek@ift.de.

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Katharina Thehos idw

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