Studie zeigt: Verlagerung von Dienstleistungen ins Ausland ist kein Selbstläufer

Kein Wunder, versprechen Beratungen doch Kostensenkungen von bis zu 50 Prozent. Allerdings ist ein erfolgreiches Offshoring von Dienstleistungen in der Tat kein Selbstläufer. Dies zeigen Rückverlagerungen der Dienstleistungserstellung ins Inland.

Ernüchternd sind die Ergebnisse einer US-Studie: 78 Prozent jener Unternehmen, die bereits eigene Erfahrungen mit Offshoring gemacht haben, mussten sich bei mindestens einem oder gar mehreren Projekten zum Abbruch entschließen. Ist Offshoring wirklich die Lösung für Kostenprobleme in globalisierten Märkten? Welche Probleme erwarten Unternehmen bei der Verlagerung der Dienstleistungserstellung ins Ausland?

Und warum geht die Rechnung beim Offshoring häufig nicht auf? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Lehrstuhl für Controlling von Professor Hoffjan an der Technischen Universität Dortmund. Gemeinsam mit seinem Doktoranden Michael Brandau hat er dazu Unternehmen aus Deutschland, Schweiz und Osteuropa befragt, die bereits Erfahrungen mit Offshoring gemacht haben.

Warum verlagern Unternehmen die Dienstleistungserstellung in Niedriglohnländer? Der wichtigste Grund ist eindeutig die „Kostensenkung“. In einem Unternehmen wurden z.B. Einsparungen von ca. 30 Prozent durch das Offshoring der Transaktionsabwicklung im Rechnungswesen erzielt.

Allerdings lassen sich die Vorteile niedriger Kosten bei der Dienstleistungserstellung vielfach nur in Kombination mit entsprechend qualifiziertem Personal realisieren. Die Studie zeigt: Viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen suchen im Ausland auch qualifizierte Fachkräfte. So steht das Motiv „Zugang zu Experten / Know-how“ beim Offshoring an zweiter Stelle.

Welche Tätigkeiten werden in Niedriglohnländer verlagert? Hier zeichnet sich ein klarer Trend zur Verlagerung wissensintensiver Dienstleistungen ab, z.B. Auftragsentwicklung von Software. Dienstleistungen mit direktem Kundenkontakt, z.B. Call Center, werden hingegen wesentlich seltener offshore erbracht.

In welchem Umfang werden Dienstleistungen offshore erstellt? Es werden seltener komplette Geschäftsfunktionen oder Projekte verlagert. Vielmehr ist eine Tendenz zur Vergabe von Teilleistungen in Niedriglohnländer erkennbar. Im Rechnungswesen wird z.B. die Buchung und Dateneingabe im Offshore-Center durchgeführt, wohingegen die Verantwortung für die Richtigkeit der Daten und das Business Know-how in den Ländergesellschaften verbleiben.

Welches Geschäftsmodell wählen die Unternehmen beim Offshoring? Die Hälfte der befragten Unternehmen sehen Offshoring als dauerhaftes strategisches Investment an und gründen daher im Ausland eigene Tochtergesellschaften (35 Prozent) oder Joint Ventures (20 Prozent). Bei der firmeninternen Verlagerung werden die Auslandstöchter teilweise zu Profit Centern ausgebaut, da Unternehmen versuchen, die Erfolgsfaktoren von Offshore-Anbietern zu kopieren und selbst zu nutzen. Nur 45 Prozent der Unternehmen entscheidet sich hingegen für das Geschäftsmodell „Offshore-Outsourcing“.

Welche Probleme treten bei der Verlagerung von Dienstleistungen in entfernte Regionen auf? Die Schwierigkeiten betreffen primär die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern am Firmensitz und den Mitarbeitern am Offshore-Standort, weshalb Fehlinterpretationen auftreten und die Leistungsanforderungen von den Offshore-Mitarbeitern nicht verstanden werden. Dies gilt vor allem wenn zur Dienstleistungserstellung komplexe, nicht standardisierte Tätigkeiten notwendig sind.

Missverständnisse werden oft nur verspätet kommuniziert und die Mitarbeiter am Offshore-Standort stellen generell weniger Rückfragen oder geben nur zögerlich Feedback. Dies lässt sich auch auf ein anderes Hierarchieverständnis der Offshore-Mitarbeiter in bestimmten Kulturkreisen zurückführen. Weiterhin hat das Länderrisiko, dem Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Ausland ausgesetzt sind, eine große Bedeutung. Insgesamt wurden die Probleme und Risiken von den Unternehmen bei der Projektplanung zum Teil erheblich unterschätzt.

Die Konsequenzen lassen in den meisten Fällen nicht lange auf sich warten: Nacharbeiten und versteckte zusätzliche Steuerungs- und Kommunikationskosten. Um diesen Überraschungen vorzubeugen, würde sich der Einsatz des Controllings anbieten. In einigen Unternehmen beschäftigt sich das Controlling aktuell jedoch gar nicht mit dem Offshoring. Mitunter wird dem Controlling nicht die notwendige Kompetenz zugesprochen, spezielle Projekte mit technischem, entwicklungsbasierten Charakter, wie z.B. die Programmierung von Software, überprüfen zu können. Folglich werden auftretende Probleme erst mitten in den Projekten bzw. nach Beginn des Offshoring bemerkt. Hier müssen die Unternehmen dann improvisieren, da vorab keine Szenarien zur Problemlösung entwickelt werden.

In den Expertenbefragungen gab es kein Anzeichen dafür, dass vor der Verlagerungsentscheidung eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt wird. Offensichtlich glaubt man, die Kosten bereits durch die vertragliche Gestaltung, z.B. Fixpreisverträge, im Griff zu haben – ein Trugschluss, wie sich häufig zeigt.

Die versteckten Kosten der Offshoring-Aktivitäten werden nur unzureichend in den Unternehmen abgebildet, so dass über die tatsächlichen Ersparnisse des Offshoring aktuell nur spekuliert werden kann. Dazu Michael Brandau von der Technischen Universität Dortmund: „Da Controllingstrukturen fehlen, können die Unternehmen nicht genau feststellen, welcher Teil der Einsparungen durch Kommunikationsprobleme und die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten wieder zu Nichte gemacht wird.“

Von den niedrigen Lohnkosten im Ausland euphorisiert, scheinen einige Unternehmen die kaufmännische Vorsicht zu vernachlässigen. Ohne fundierte Informationen wird die Reise ins Ausland schnell zum Blindflug. Keine Wunder also, dass manche Unternehmen beim Offshoring unangenehme Überraschungen erleben. Mögliche Kommunikationsprobleme und dadurch verursachte versteckte Kosten sollten schon im Vorfeld der Verlagerung auf den Radarschirmen der Unternehmen erscheinen und in Planungsrechnungen einbezogen werden.

Kontakt:
Lehrstuhl für Controlling und Unternehmensrechnung
Prof. Dr. Andreas Hoffjan
Telefon: 0 231 7553140
Telefax: 0 231 7553141
E-Mail:Andreas.Hoffjan@uni-dortmund.de

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