Journalisten schreiben zu oft voneinander ab

Das Internet hat gravierende Auswirkungen auf die journalistische Arbeitsweise. Insbesondere die Schnelligkeit der Informationsbeschaffung und die Vielfalt der dort zu findenden Inhalte bieten erhebliche Vorteile. Doch aus veränderten Arbeitsbedingungen in Redaktionen erwachsen auch Risiken und Qualitätsmängel.

Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, die erstmals großflächig das Thema Online-Recherche in deutschen Zeitungs-, Fernseh-, Hörfunk- und Internetredaktionen unter die Lupe genommen hat.

Demnach findet eine Überprüfung von Online-Quellen nur selten statt. Zudem greifen Journalisten bei ihrer Recherche im Netz zu oft auf andere journalistische Erzeugnisse zurück anstatt auf Primärquellen wie etwa Webseiten von politischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Einrichtungen.

„Das Internet bietet Journalisten eine Reihe von Vorteilen“, erklärt Marcel Machill, Studienautor und Professor für Journalistik an der Universität Leipzig, im Gespräch mit pressetext. Einfachere und schnellere Recherchemöglichkeiten seien aber nur eine Seite der Medaille, mit dem Einzug des Internets in den journalistischen Alltag seien auch einige Gefahren verbunden.

„Am meisten beunruhigt uns, dass Journalisten, wenn sie online recherchieren, zu viel von Kollegen abschreiben“, betont Machill. Computergestützte Recherche mache es Medienschaffenden noch einfacher, schnell nachzuschauen, was die Kollegen zu einem aktuellen Thema erarbeitet haben. „Einen gewissen Grad an Selbstreferentialität gab es im Journalismus schon immer. Doch durch das Internet nimmt dessen Anteil deutlich zu“, ergänzt Machill.

Diese Entwicklung berge die Gefahr, dass es aufgrund des Abschreibens zu einer zunehmenden Vereinheitlichung der Berichterstattung komme. „Ein kreativer Ansatz geht so oft im journalistischen Mainstream unter“, kritisiert Machill.

Laut der Untersuchung ist das Telefon nach wie vor das wichtigste Rechercheinstrument für Journalisten. „Das hängt aber auch von der Art des Medienunternehmens und der Recherche ab. Bei Online-Journalisten etwa liegt eindeutig das Internet vorne“, räumt Machill ein.

Besonders gefragt seien Internet-Suchmaschinen, allen voran Google. Wer dort beispielsweise zu einem aktuellen journalistischen Thema als Experte unter den ersten zehn Treffern gelistet ist, habe größere Chancen von Journalisten interviewt zu werden. Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen von Journalistenseite mit strukturellen Gründen wie personellen Engpässen und Zeitmangel im Redaktionsalltag.

„Journalisten sollten mit offenem Auge und Herzen an eine Recherche herangehen. Bewusstseinsmachung wäre in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt“, meint Machill.

Gemeinsam mit seinem Forschungsteam vom Lehrstuhl für Journalistik II hat Machill insgesamt 34 Medienangebote wie Tageszeitungen, öffentlich-rechtliche und private Hörfunk- und TV-Sender oder redaktionelle Onlineangebote untersucht. „Unsere Untersuchung ist die am breitesten angelegte Journalisten-Studie, die es derzeit gibt“, stellt Machill fest. Über 600 Journalisten sind hierfür schriftlich befragt und 235 bei ihrer Arbeit beobachtet worden. „Ich glaube, dass in Zukunft die Schere zwischen Qualitäts- und Copy-Paste-Journalismus weiter auseinander gehen wird. Die Qualitätsmedien werden aber erkennen, dass ihr Publikum nur dann gehalten werden kann, wenn sie originär arbeiten“, so Machill abschließend.

Media Contact

Markus Steiner pressetext.deutschland

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