Weltweit größte Studie zu Panikstörungen vereint Psychiatrie, Psychologie und Neurobiologie

Im bundesweiten Forschungsverbund „Psychotherapie bei Panikstörungen“ wird eine der weltweit größten Studien zur psychotherapeutischen Behandlung von Panikstörungen durchgeführt: 375 Patienten an mehreren klinischen Standorten in Deutschland sind an dieser Studie beteiligt. Zudem werden dabei erstmals diese Erkrankungen nicht nur auf psychologischer Ebene, sondern zusätzlich auf mehreren neurobiologischen Ebenen (Genetik, Physiologie, Bildgebung) untersucht.

„Gerade durch die in dieser Form erstmalige Zusammenarbeit und Vernetzung von psychologischen und neurobiologischen Forschungsstrategien sind wir sehr zuversichtlich, wesentliche und neuartige Erkenntnisse zur Entstehung und zur Therapie von Panikstörungen zu erhalten“, erklärte Prof. Dr. Volker Arolt, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster am Freitag (30. Mai) in Münster. Dort endete an diesem Tag das zweitägige Statussymposium des Forschungsverbundes.

An dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbund arbeiten Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden, der Berliner Charité, der Universität Greifswald, des Universitätsklinikums Würzburg, der RWTH Aachen und der Universität Münster unter der Koordination der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster zusammen.

Gegründet wurde der Forschungsverbund im Herbst 2006. Im Zentrum der gemeinsamen Forschung steht eine so genannte multizentrische klinische Studie: Dabei werden in mehreren Therapiezentren die Patienten nach einem festgelegten, einheitlichen Psychotherapieschema unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen (Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden) behandelt. Dieses einheitliche Behandlungsschema erstreckt sich über zwölf Sitzungen in acht Wochen. Dabei werden die Patienten auch gezielt einer panikauslösenden Situation ausgesetzt („Exposition“). Unterschieden wird dabei in eine Patientengruppe, die sich in Begeleitung eines Psychotherapeuten dieser Situation aussetzt und einer zweiten Gruppe, die sich ohne direkte Begleitung, aber ebenfalls nach entsprechender Vorbereitung, dieser Situation aussetzt. Durch das einheitliche Behandlungsschema können die Wissenschaftler feststellen, welche Therapieansätze besonders wirksam sind.

Verschiedene Teilprojekte
Angeschlossen an dieses zentrale Forschungsvorhaben sind verschiedene Teilprojekte des Forschungsverbundes. Unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Deckert (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Würzburg) läuft derzeit eine genetische Studie. Dabei werden von den beteiligten Patienten gezielte Gen-Abschnitte untersucht, um festzustellen, ob und welche genetischen Variationen bei den Patienten mit Panikstörungen besonders auffällig sind und welche einen Einfluss auf die Wirkung der Psychotherapie haben könnten. In einer Studie zur funktionellen Bildgebung unter der Leitung von Prof. Dr. Tilo Kircher (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, RWTH Aachen) werden durch den Einsatz modernster Magnetresonanztomographie-Verfahren Aufnahmen des Gehirns gemacht, um zu erforschen, welche Hirnareale bzw. Netzwerke bei Angst besonders aktiv sind, einer Kontrolle durch Gene unterliegen und ob die entsprechenden Aktivitätsmuster Einfluss auf den Therapieerfolg haben.

Weitere Teilprojekte des Forschungsverbundes sind eine pharmakologische Studie unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Andreas Ströhle (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Universitätsmedizin Berlin), eine multizentrische psychophysiologische Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Alfons Hamm (Institut für Physiologische und klinische Psychologie/Psychotherapie, Universität Greifswald) sowie eine zweite psychophysiologische Studie unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Alexander Gerlach (Psychologisches Institut I, Westfälische Wilhelms-Universität Münster). Auch hierbei geht es jeweils um den Einfluss auf die Wirkung der Psychotherapie.

Auf dem Gebiet der Psychotherapie ist diese fach- und standortübergreifende Zusammenarbeit eine bisher einmalige Konstellation. Im kommenden November beginnt die Auswertungsphase des Gesamtprojektes. Im Sommer 2009 wollen die Wissenschaftler die Ergebnisse präsentieren. Auch soll dann eine zweite Förderphase beantragt werden.

Bei einer Panikattacke handelt es sich um einen Anfall starker Angst, der plötzlich, wie aus heiterem Himmel über den Betroffenen hereinbricht und der Körper bestimmte Alarmsignale produziert. Während dieser Panikanfälle kommt es zu körperlichen Beschwerden wie Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Benommenheit, Hitzewallungen sowie Schmerzen oder Engegefühle in der Brust. Während einer solchen Panikattacke befürchten die Betroffenen häufig, sie könnten sterben, verrückt werden oder vollständig die Kontrolle verlieren. Die wahrgenommenen Symptome erreichen innerhalb weniger Minuten ihren Höhepunkt.

Durchschnittlich dauert es sieben Jahre, bis diese Angsterkrankungen richtig diagnostiziert werden. Arolt: „Dies liegt vor allem daran, dass sich Panikattacken oft vor allem in körperlichen Symptomen äußern und so schnell eine falsche Diagnose bzw. überhaupt keine Diagnose gestellt wird. Häufig suchen die Betroffenen viele Spezialisten für körperliche Erkrankungen auf, die ihnen wiederholte Male körperliche Gesundheit attestieren. Mit den Ergebnissen unserer Arbeit wollen wir daher auch erreichen, dass sich die Diagnosemöglichkeiten verbessern, um somit frühzeitig eine Therapie beginnen zu können.“

Weitere Informationen zu den Projekten und zur Arbeit des Forschungsverbundes aber auch zu Anlaufstellen für Menschen, die eine Therapie wünschen, gibt es im Internet unter www.paniknetz.de.

Media Contact

Stefan Dreising Universitätsklinikum Münster (UK

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