Mehrsprachigkeit dient als geistiger Jungbrunnen

Kinder, die mehrere Sprachen erlernen und auch praktisch anwenden, könnten im fortgeschrittenen Lebensalter unerwartete Vorteile gegenüber einsprachigen Mitmenschen haben, berichten Forscher der Tel Aviv University. Denn das Beherrschen mehrerer Sprachen könne unter Umständen die Alterungseffekte im menschlichen Gehirn abmildern. Diese These haben die Neuropsychologin Gitit Kave und ihre Kollegen vom Herczeg Institute on Aging jetzt anhand einer Studie mit 814 Senioren im Alter von 75 bis 95 Jahren belegen können.

Ältere Personen, die in ihrem Leben mehr als eine Fremdsprache erlernt haben, schnitten in Tests, die ihre kognitive Leistung überprüfen sollten, besser ab, als diejenigen, die nur ihre Muttersprache beherrschten. Personen, die mehrere Sprachen sprechen, seien im Alter häufig geistig stärker, da sie ihr Gehirn im Lauf des Lebens über das Erlernen von Sprachen mehr trainiert hätten als monolinguale Personen, meint Kave. Zudem könnten durch das Lernen von Sprachen neue neuronale Verbindungen im Gehirn aufgebaut werden, die den positiven Effekt noch verstärken.

„Zahlreiche Studien haben bisher belegen können, dass durch gesteigerte kognitive Aktivität – also kulturelle oder soziale Aktivität sowie auch die Beschäftigung mit Naturwissenschaften – diese Fähigkeiten bis ins hohe Alter beibehalten werden können“, erklärt Cordula Nitsch, Professorin für Neuroanatomie an der Universität Basel, im Gespräch mit pressetext. Darunter falle unter anderem auch das Erlernen von Fremdsprachen. Um dem geistigen Alterungsprozess entgegenzuwirken sei es aber generell nötig, das plastische Potenzial, das das Gehirn als Grundlage für jegliches Lernen besitzt, durch stete Beanspruchung und Training zu erhalten. „Dabei besteht wohl die beste Arte und Weise die kognitiven Fähigkeiten zu schulen darin, einen großen Bekanntenkreis zu haben, mit dem man interessante und tiefgründige Gespräche führen kann.“

In der israelischen Studie wurden Senioren nach ihrem Fremdsprachenschatz befragt – welche Sprache sie am besten beherrschen und in welcher sie am meisten sprechen – und kognitiven Tests unterzogen. Die ersten Erhebungen wurden 1989 durchgeführt und im Verlauf der nächsten zwölf Jahre zweimal wiederholt. Dabei fanden die Forscher heraus, dass je mehr Sprachen ein Mensch beherrscht, die kognitive Leistung – also Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Lernfähigkeit, Abstraktions- und Erinnerungsvermögen – im Alter umso besser ist. Zwar habe auch der Bildungsstand etwas mit der geistigen Fitness zu tun, die Anzahl der gesprochenen Sprachen aber habe größere Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten als der Bildungsstand allein. „Wir haben zudem herausgefunden, dass Mehrsprachigkeit vor allem bei denjenigen eng mit der kognitiven Leistung verbunden war, denen überhaupt keine oder nur wenig schulische Bildung zuteil wurde“, ergänzt Kave.

Dennoch sei auch durch diese Erkenntnisse eine Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht gänzlich gesichert. „Die Studie hat sich mit dem Resultat auseinandergesetzt, nicht mit der Ursache“, erklärt Kave. „Es gibt keine todsichere Methode das geistige Altern aufzuhalten. Aber eine zweite oder dritte Sprache zu erlernen, könnte die guten Jahre verlängern“, rät Kave. Eine Frage zukünftiger Forschung sei es, herauszufinden, inwiefern das Erlernen von Sprachen Potential habe, die mentale Fitness zu verlängern und wie das Sprechen mehrerer Sprachen sich über längere Zeit auf das Gehirn auswirke.

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Claudia Misch pressetext.schweiz

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