Berechenbarer Ausnahmezustand – Evakuierung von Großstädten und Ballungsgebieten

Eine Forschergruppe des Zentrums für Logistik und Verkehr (ZLV) der Universität Duisburg-Essen entwickelt derzeit ein neues Evakuierungsmodell und geht dabei ein Grundproblem des Ernstfalles an: die überaus schwierige Regelung der Verkehrsströme von Menschen und Fahrzeugen.

Fachliche Beratung erhalten die Wissenschaftler um ZLV-Direktor Prof. Dr. Alf Kimms vom NRW-Innenministerium und von den Feuerwehren Duisburg und Köln. Die Finanzierung des auf drei Jahre angelegten Projekts übernimmt die WestLB Stiftung Zukunft NRW.

Bevor ein dichtbesiedeltes Gebiet großflächig geräumt wird, muss schon einiges passieren. Die Explosion eines Kraftwerks oder einer Industrieanlage, eine schwere Überflutung, ein Anschlag – das sind denkbare Szenarien. Sie sind zum Glück bislang nicht eingetreten, doch was wäre wenn…? Ein Ausnahmezustand für die betroffene Großstadt, ihre Menschen und die Rettungskräfte. Straßen, die – ohnehin schon überfüllt – noch voller würden. Hunderttausende Menschen, die nur raus wollten aus der Stadt; andere, die rein müssten, um zu helfen. Und das in möglichst kurzer Zeit. Chaos in dieser Situation, das wäre fatal.

Natürlich existieren Krisenpläne für den Fall der Fälle, aber keine systematisch berechneten, wie Prof. Kimms erklärt. Als Experte für Operations Research beschäftigt er sich mit der Optimierung von Strukturen und Abläufen. Das heißt, er erarbeitet für ein reales Problem ein mathematisches Modell und Rechenverfahren, um es zu lösen. „Bei dem Projekt geht es um zwei verschiedene Aspekte: Minimierung der Evakuierungszeit und Maximierung der Evakuiertenzahl in einer bestimmten Zeitspanne“, so Kimms. „Dazu müssen bestimmte Straßen zur Einbahnstraße erklärt und Verkehrströme aus unterschiedlichen Richtungen koordiniert werden.“

Um ein allgemeingültiges Modell zu entwickeln, analysieren und simulieren die Wissenschaftler detailliert die Verkehrsflüsse der verschiedenen Personengruppen. „Fußgänger, Autofahrer, Einsatzkräfte bewegen sich teils in entgegen gesetzte Richtungen“, so Projektmitarbeiterin und Mathematikerin Sarah Bretschneider. „Dennoch darf es nur zu möglichst wenigen Konflikten kommen, jede Sekunde zählt ja bei einer Evakuierung.“ Auch ein Thema: Sammelstellen, von denen Fußgänger, etwa mit Bussen, weiter aus der Gefahrenzone gebracht werden können.

Die Bedingungen für eine Großevakuierung und die vielen kritischen Situationen, die es zu berücksichtigen gilt, erarbeiten die UDE-Wissenschaftler in Gesprächen mit den Fachleuten und Praktikern von Feuerwehren und des Innenministeriums. Die weitere Arbeit leisten sie dann am Computer. Die Methoden des Operations Research anzuwenden, ist eine aufwändige wie hoch komplizierte Rechenleistung. Bis Anfang 2011 soll das mathematische Modell stehen. Dann könnte Evakuierung im Wortsinn berechenbar sein.

Weitere Informationen: Sarah Bretschneider, Tel. 0203/379-1855, sarah.bretschneider@uni-due.de

Media Contact

Ulrike Bohnsack idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-duisburg-essen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer