Belastende Arbeitsbedingungen: Viele Beschäftigte glauben nicht, bis zur Rente durchzuhalten

Wer mit großen Belastungen und wenig Freiraum tätig ist, äußert wenig Hoffnung auf ein langes Arbeitsleben. So glauben 60 Prozent der Arbeitnehmer, bei denen im Job körperliche und psychische Belastungen zusammenkommen (das ist bei 8 Prozent aller abhängig Beschäftigten der Fall) nicht daran, dass sie ihre Tätigkeit bis zur Rente fortführen können.

Die meisten Beschäftigten in anstrengenden Berufen sorgen sich, wie lange sie durchhalten. Mit gutem Grund, sagen Falko Trischler und Markus Holler vom Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (Inifes).* Die Wissenschaftler werteten mehrere Studien und Umfragen aus, um die langfristigen Folgen von Arbeitsbelastungen zu bestimmen. Ihre von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Expertise zeigt: Nicht nur schwere und einseitige körperliche Arbeit zehrt an der Gesundheit und erzwingt häufig ein vorzeitiges Ende des Erwerbslebens. Auch psychische Belastungen und ein Mangel an Autonomie beeinträchtigen auf Dauer Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.

Belastende Arbeit ist in der Bundesrepublik nach wie vor weit verbreitet, betonen die Wissenschaftler. Seit Ende der 70er Jahre ist der Anteil der körperlich schwer arbeitenden Beschäftigten in Westdeutschland nur noch wenig zurückgegangen. Gut jeder fünfte Beschäftigte muss beispielsweise an seinem Arbeitsplatz schwere Lasten heben – 1979 waren es kaum mehr. Nach der Wiedervereinigung waren körperlich anstrengende Arbeiten in Ostdeutschland noch weiter verbreitet. Der Anteil der Betroffenen sank zunächst stark, pendelte sich dann aber etwas oberhalb des West-Niveaus ein. In Bauberufen, der Altenpflege oder bei Installateuren etwa fallen anstrengende körperliche Aufgaben an. Wer über Jahre eine anstrengende und einseitige Tätigkeit ausübt, leidet später nachweislich häufig an Schmerzen an Knie, Hüfte, Rücken oder Armen.

„Aber auch Arbeitshetze und Zeitdruck, unwürdige Behandlung und geringe Wertschätzung stehen deutlich in Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden“, fügen die Forscher an. Und psychische Belastungen haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. So sind zwischen 50 und 60 Prozent der Beschäftigten heute mit hohem Termindruck und/oder monotonen Tätigkeiten konfrontiert.

Die Beschäftigten sehen die Gefahren und passen ihre Zukunftserwartungen an die Arbeitsbedingungen an. Umfragen ergaben: Wer einen belastungsarmen Arbeitsplatz hat, rechnet meist noch mit einem langen Arbeitsleben. Lediglich 14 Prozent dieser Gruppe erwarten, nicht bis zum Rentenalter im Beruf bleiben zu können. Beschäftigte, die im Job körperlich gefordert sind, haben hingegen deutlich häufiger Zweifel: 39 Prozent rechnen nicht damit, bis zur Rente arbeiten zu können, ermittelte Inifes. Verbinden sich körperliche Belastungen mit Stress, dann steigt die Quote der Skeptiker auf 60 Prozent. Und geht körperliche und psychische Belastung einher mit einem Mangel an Freiräumen, dann gehen sogar 78 Prozent der betroffenen Beschäftigten davon aus, nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter durchzuhalten.

Ein Mangel an beruflicher Autonomie spielt für die Einschätzung der Betroffenen ebenso eine Rolle wie körperliche und psychische Belastungen. Von den Beschäftigten, die im Arbeitsalltag Freiräume vermissen, aber nicht von körperlichen und seelischen Lasten geplagt werden, zweifelt jeder vierte daran, bis zum Rentenalter im Beruf bleiben zu können. Unzureichendes Entgelt und fehlende Anerkennung wirken sich nochmals negativ aus, so Trischler und Holler.

*Quelle: Markus Holler, Falko Trischler: Einflussfaktoren auf die Arbeitsfähigkeit, Arbeitspapier Nr. 3 des Projektes Gute Erwerbsbiographien

Infografik im Böckler Impuls 18/2010: http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2010_18_1.pdf

Ansprechpartner in der Hans-Böckler-Stiftung

Dr. Sebastian Brandl
Abteilung Forschungsförderung
Tel.: 0211-7778-194
E-Mail: Sebastian-Brandl@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
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