Banken pfeifen auf ihre Kunden

Seit dem Jahr 2000 haben sich die deutschen Banken zu einer „Finanzindustrie“ entwickelt. Sie arbeiten heute nach dem Fließband-Prinzip, bei dem möglichst viele Standardprodukte möglichst reibungslos verkauft werden sollen. „Kurzfristiger Verkaufserfolg ist heute in Banken eindeutig wichtiger als langfristige Kundenzufriedenheit“, erklärt Thomas Breisig von der Universität Oldenburg http://www.uni-oldenburg.de .

Für ihre Untersuchung, die von der Hans-Böckler-Stiftung http://www.boeckler.de gefördert wurde, nahm das Team um Breisig die Vertriebsstrategie von 127 Groß- und Volksbanken sowie auch von Sparkassen unter die Lupe. Daneben befragten sie deren Angestellte danach, wie sich die Vertriebssteuerung auf ihren Arbeitsalltag auswirkt.

Zufriedenheit kein Wert mehr

Ziele von oben bestimmen den Alltag von Bankangestellten, so das Ergebnis der Forscher. Arbeitsabläufe und zu erreichende Mengen sind genau vorgegeben, einmal pro Woche werden Kundenanrufe, Zahl der Gespräche und Termineinhaltungen überprüft. Beratungsqualität, Erreichen guter Zwischenlösungen und Zwischenstände spielen dabei keine Rolle. Entsprechend ist auch die Kundenzufriedenheit nur mehr eine Kennzahl unter vielen.

Jeder Mitarbeiter ist ein „Profit-Center“, wobei Boni, Personalausstattungen und ganze Karrieren von der Zielerreichung und deren Kennzahl abhängen. Spielraum für Anpassung an Kundenwünsche haben Berater kaum mehr, denn Kundenbetreuung gleicht sich immer mehr den Regeln der Fließbandarbeit an. Jeder zweite Kundenkontakt soll zum Abschluss führen und Beratung darf 30 Minuten nicht überschreiten.

IT ersetzt den Kundenberater

Der Leistungsdruck für die Bankangestellten ist dadurch enorm. „Besonders brutal stiegen die Ziele jedoch durch die Verwendung von Datenbanken“, erklärt Breisig. Bei dem heutigen IT-gestützten Customer Relation Management bildet die Datenbank statt dem Betreuer das Rückgrad, was ständige Dateneingabe erfordert. Mathematische Modelle zeigen in Folge Trends, Verhaltensmuster und Vertriebspotenziale. Top-Kunden sind ausführliche Beratung wert, während Massekunden standardisierte Produkte bekommen.

„Die Banken werden vom Versprechen der IT-Anbieter gelockt, durch Computersysteme unabhängig von Erfahrung und Fingerspitzengefühl der Beschäftigten zu werden. Entsprechend hinterfragt man die explodierenden Kosten für Technik und Controlling kaum, während die Personalkosten in Folge der Schließung von Filialen und Rationalisierungen sinken“, so Breisig. Tatsächlich verdoppelten sich die IT-Kosten der Banken 1998 von ursprünglich einem Viertel bis 2005, während der Personalaufwand von 65 auf 45 Prozent sank.

Bankenkrise als Hintergrund

Erst in den vergangenen Jahren kam es zu dieser Situation. Galten deutsche Banken lange als besonders erfolgreich, standen sie um das Jahr 2000 plötzlich etwa bei Eigenkapitalrenditen oder bei den Kosten je Ertrag schlechter da als die Konkurrenz aus England oder den USA. Der Vergleich habe gehinkt, so die Experten, da US-Banken schon damals nicht nachhaltig gearbeitet hätten und Deutsche Banken nach Ende des ostdeutschen Baubooms im Übergang waren. Dennoch galt die Situation als Krise und man versuchte bis 2006, die Effizienz zu steigern und die Filialdichte zu senken.

Zwar hätte eine Steuerung, die sich am Kunden und an den Beschäftigten orientiert, durchaus gute Marktchancen, glauben die Oldenburger Forscher. Veränderungen würden jedoch auf eine weitere Verschärfung deuten, so Breisig. „Das Ideal des industralisierten Vertriebs wird auch noch in die kleineren Banken hinausschwappen. Besonders bei Sparkassen und genossenschaftlichen Banken ist noch kein Umsteuern in Sicht“, berichtet der Experte.

Details zur Studie unter http://www.boeckler.de/320_111862.html

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Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

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