Babysimulatoren: Zwischen Kinderwunsch und Kinderschutz

Junge Mädchen sollen durch die Simulatoren erste Erfahrungen im Umgang mit einem Kind sammeln können. Gleichzeitig zeichnet der Simulator die Versorgungsleistung und die Umgangsfehler der Probanden mit den Baby-Attrappen auf.

Die Simulatoren wurden in den USA entwickelt und haben in Deutschland seit 2000 eine erstaunlich starke Verbreitung und öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Doch der Einsatz der Babysimulatoren erweist sich unter pädagogischen Gesichtspunkten in der Praxis als mangelhaft. Zu diesem Ergebnis kommt die Oldenburger Pädagogin Prof. Dr. Anke Spies in ihrer Untersuchung „Zwischen Kinderwunsch und Kinderschutz – Babysimulatoren in der pädagogischen Praxis“. Die Studie, die in Zusammenarbeit mit der Psychologin Lalitha Chamakalayil entstand, liefert erstmals empirische Daten und Befunde zur pädagogischen Arbeit mit Babysimulatoren in Deutschland.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, ob Mädchen in der Berufsorientierungsphase durch den Simulator unterstützende Impulse für die Familienplanung erhalten können. Spies' Ergebnisse zeigen, dass der ursprünglich als innovativ und produktiv eingeschätzte Einsatz von Babysimulatoren problematische Konsequenzen hat – mit noch unabsehbaren Folgen: Unter dem Schlagwort „Prävention“ werden – meist mit der unausgesprochenen Intention der Abschreckung – bevorzugt Mädchen in niedrig qualifizierenden Bildungsgängen mit dem Simulator konfrontiert. „Das Projekt Babysimulator ist darauf ausgerichtet, dass die Mädchen an den Anforderungen des Simulators scheitern und die sozial erwünschte Einsicht formulieren, einen etwaigen Kinderwunsch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben“, so Spies.

Das Problem der Babysimulation liege darin, dass die Mädchen systematisch überfordert sowie öffentlich beschämt und zum Teil mit massiver Verunsicherung zurückgelassen werden. Neben einer oftmals belastenden Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Angst, den Einstieg in das Berufsleben zu verpassen, würden durch die Simulation auch familiäre Perspektiven in Zweifel gezogen.

Spies kritisiert, dass beim Einsatz der Babysimulatoren keine individuellen Entwürfe für frühe Schwangerschaften und einen Umgang damit aufgezeigt werden. Dies wird durch die Kooperationspraxis zwischen Jugendhilfe und Schulen untermauert: Anstatt biografische Verläufe mit früher Elternschaft zu normalisieren und ein durchaus notwendiges Unterstützungsangebot (bis hin zur Teilzeitausbildung) aufzuzeigen, werden diese Biographien entwertet und tabuisiert. Der Lerneffekt des Babysimulators, die „gute Absicht“, die mit dem Simulatoreneinsatz verfolgt werde, könne eher Zugänge zu Hilfesystemen verschließen und sei damit keineswegs dem Kinderschutz dienlich.

Für die Untersuchung wurden Mädchen unterschiedlicher Bildungsgänge vor Beginn und mit deutlichem zeitlichem Abstand zur Simulationserfahrung in Gruppendiskussionen zu Themen wie Mutterschaft und Lebensplanung befragt. Eine bundesweite Fragebogenerhebung ermittelte quantitative Daten zu Verbreitung, Konzepten und Kooperationsansätzen, die durch 28 Leitfadeninterviews mit PädagogInnen aus der Praxis angereichert wurden. Zusätzlich wurde die Studie durch eine differenzierte Analyse der Daten des Statistischen Bundesamtes zu Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen bei Minderjährigen ergänzt.

Spies, Anke: „Zwischen Kinderwunsch und Kinderschutz – Babysimulatoren in der pädagogischen Praxis“, VS-Verlag, Wiesbaden.

Kontakt: Prof. Dr. Anke Spies, Institut für Pädagogik, Tel.: 0441/798-2283, E-Mail: anke.spies@uni-oldenburg.de

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Gerhard Harms idw

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