Erstmals EU-weit vergleichbare Daten zu Armut

Danach waren in Deutschland im Jahr 2004 13% der Bevölkerung armutsgefährdet; das sind etwa 10,6 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren. Die Armutsgefährdungsquote – das ist nach EU-Definition der Anteil der Personen, der mit weniger als 60% des mittleren Einkommens auskommen muss – liegt in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) bei 17%, im früheren Bundesgebiet bei 12%.

„Armutsrisiken sind vor allem Arbeitslosigkeit und fehlende Bildungsabschlüsse“, so der Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, Walter Radermacher, bei einem Pressegespräch in Berlin.

Über 40% der Arbeitslosen und jeweils ein Viertel der Personen ohne abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung sind armutsgefährdet, aber nur 5% der Erwerbstätigen. Die neue Statistik wird seit dem Jahr 2005 in allen Ländern der Europäischen Union sowie in Norwegen und Island erhoben. Sie bietet erstmals vergleichbare Daten zu Armut und Lebensbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten. Derzeit sind allerdings noch keine Daten anderer Länder für das Erhebungsjahr 2005 verfügbar.

Zur Berechnung der Armutsgefährdungsquote wird nach dem europäischen Standard zunächst das von allen Haushaltsmitgliedern tatsächlich erzielte Haushaltseinkommen herangezogen. Dieses wird auf die Personen des Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel verteilt („bedarfsgewichtetes Äquivalenzeinkommen“), der berücksichtigt, dass Personen in einem Haushalt durch das Zusammenleben Einspareffekte bei den laufenden Kosten erzielen. Um das mittlere Einkommen zu ermitteln, wird der Median (Zentralwert) des Äquivalenzeinkommens verwendet (ausführliche Erläuterung im Methodenanhang). Menschen mit Armutsgefährdung müssen im Alltag auf viele grundlegende Dinge verzichten: Mehr als die Hälfte der Armutsgefährdeten in Deutschland können es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen oder unerwartete Ausgaben zu bewältigen (zum Beispiel eine defekte Waschmaschine zu ersetzen). Und 14% der armutsgefährdeten Menschen leben in Haushalten, in denen aus Kostengründen im Winter an der Heizung gespart werden muss.

Armutsgefährdung behindert auch den Zugang zur Gesundheitsversorgung: Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen halten nach Selbsteinschätzung mehr als ein Fünftel der Armutsgefährdeten (und immerhin 7% der nicht Armutsgefährdeten) davon ab, einen Arzt oder Zahnarzt aufzusuchen, wenn sie krank sind. Zugleich schätzen Armutsgefährdete ihren eigenen Gesundheitszustand wesentlich schlechter ein: 63% der nicht Armutsgefährdeten, aber nur 48% der Armutsgefährdeten geben an, eine gute oder sehr gute Gesundheit zu haben. Ohne soziale Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Kindergeld wäre fast ein Viertel (24%) der Bevölkerung armutsgefährdet. Dabei profitieren verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich von sozialen Transferleistungen: Bei Alleinerziehenden und Familien mit Kindern wird durch Sozialtransfers die Armutsgefährdungsquote jeweils fast halbiert. So sind Alleinerziehende vor Sozialtransfers zu 56% armutsgefährdet, nach Sozialtransfers „nur“ noch zu 30%. Detaillierte Ergebnisse zu LEBEN IN EUROPA enthält die Pressebroschüre „Armut und Lebensbedingungen – Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA für Deutschland 2005“, die zusammen mit umfangreichen Tabellen im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes (http://www.destatis.de) unter dem Pfad „Presse – Presseveranstaltungen“ kostenlos abgerufen werden kann.

Weitere Auskünfte gibt: Ulrike Timm, Telefon: (0611) 75-4608, E-Mail: ulrike.timm@destatis.de

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