Unterbeschäftigung nimmt zu: Jeder siebte Erwerbstätige möchte mehr Arbeit

Im Rahmen eines Pressegesprächs in Frankfurt am Main hat das Statistische Bundesamt heute erstmals Monatsdaten zur Unterbeschäftigung in Deutschland aus der ILO-Arbeitsmarktstatistik veröffentlicht. Im Zeitraum von Januar 2005 bis Januar 2006 stieg der Anteil der Unterbeschäftigten an allen Erwerbstätigen um drei Prozentpunkte von 10,9% auf 13,9%. Gut jeder siebte Erwerbstätige hätte somit im Januar 2006 bei entsprechender Vergütung gern mehr gearbeitet. Im Jahresdurchschnitt 2005 empfanden sich 12,1% der Erwerbstätigen in Deutschland als unterbeschäftigt.

Wie Walter Radermacher, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, erläuterte, hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Strukturverschiebung auf dem Arbeitsmarkt vollzogen. Während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im Jahr 2004 leicht zu- und 2005 leicht abnahm, ging die Zahl voll sozialversicherungspflichtig Beschäftigter in beiden Jahren deutlich zurück.

„Diese Beobachtung spricht für die These einer Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, das abgelöst wird von ganz unterschiedlichen Formen der Erwerbsarbeit, viele davon im Bereich der marginalen Tätigkeiten, also durch geringe Arbeitszeiten oder geringe Einkommen geprägte Tätigkeiten,“ so Radermacher. Die beschriebene Entwicklung drückt sich in einer gestiegenen Dynamik des Arbeitsmarktes aus: Viele Personen, insbesondere solche in jungen Altersgruppen und mit niedrigem Qualifikationsniveau, durchleben kurzfristige Wechsel zwischen Phasen der Erwerbstätigkeit, der Beschäftigungssuche und der Inaktivität. Auf dem Arbeitsmarkt ist nach den vorliegenden Ergebnissen weitaus mehr Bewegung als es nach bisherigen statistischen Erkenntnissen anzunehmen war.

Es sind vor allem marginale Tätigkeiten, die kurzfristig ausgeübt werden oder nach denen kurzfristig gesucht wird. In diesem Zusammenhang lässt der deutliche Anstieg der Unterbeschäftigtenquote im Vorjahresvergleich darauf schließen, dass mit steigendem Anteil marginaler Erwerbstätigkeiten an der Gesamterwerbstätigkeit auch der Wunsch nach Veränderung dieser Situation wächst.

Die Unterbeschäftigtenquote als Anteil der zeitbezogen Unterbeschäftigten an allen in Deutschland lebenden Erwerbstätigen gibt Auskunft darüber, wie viele Erwerbstätige mehr Arbeitskraft anbieten als von Seiten des Arbeitsmarktes nachgefragt wird. Als zeitbezogen unterbeschäftigt im Sinne der Definition der International Labour Organization (ILO) gilt eine Person, die zwar erwerbstätig ist, jedoch den Wunsch äußert, gegen entsprechend höheres Entgelt mehr arbeiten zu wollen. Eine zusätzliche Voraussetzung ist, dass die betreffende Person für die Aufnahme einer erweiterten Erwerbstätigkeit innerhalb der nächsten zwei Wochen zur Verfügung steht.

Das hier verwendete Konzept der zeitbezogenen Unterbeschäftigung legt keine Höchstgrenze hinsichtlich der Arbeitsstunden fest, die eine unterbeschäftigte Person bisher leistet. Im Jahresdurchschnitt 2005 arbeiteten knapp 60% der Unterbeschäftigten im jeweiligen Berichtszeitraum weniger als 35 Stunden pro Woche. Viele von diesen, insgesamt fast 40% aller Unterbeschäftigten, verdienten weniger als 400 Euro im Monat. Besonders häufig von Unterbeschäftigung betroffen waren junge Menschen und Personen mit niedrigem Bildungsstatus.

Die Ermittlung der Unterbeschäftigtenquote basiert auf der Telefonerhebung „Arbeitsmarkt in Deutschland“, einer Befragung von 30 000 zufällig ausgewählten Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren. Diese Stichprobenergebnisse wurden auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Die monatliche Unterbeschäftigtenquote wird zukünftig im Rahmen der regelmäßigen Pressemitteilungen zur ILO-Arbeitsmarktstatistik veröffentlicht. Die nächste Veröffentlichung der ILO- Arbeitsmarktstatistik zum Berichtsmonat Februar 2006 erfolgt am 30. März 2006.

Weitere Auskünfte gibt: Thomas Riede, Telefon: (0611) 75-2433, E-Mail: thomas.riede@destatis.de

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