Jahresarbeitszeiten im internationalen Vergleich

Institut Arbeit und Technik untersucht internationale Jahresarbeitszeitstatistiken

Die deutschen Jahresarbeitszeiten sind im europäischen Vergleich keineswegs besonders kurz. Nach Berechnungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) liegt Deutschland mit einer gewöhnlichen Jahresarbeitszeit Vollzeit-Beschäftigter von 1760 Stunden an 7. Stelle der (im Jahr 2002 noch) 15 EU-Länder und Norwegen. Sechs Länder weisen eine niedrigere gewöhnliche Jahresarbeitszeit als Deutschland auf. Am kürzesten wird mit 1689 Jahresstunden in Frankreich gearbeitet, am längsten mit 1962 Stunden in Großbritannien. Das geht aus dem soeben erschienenen IAT-Report 2004-03 „Jahresarbeitszeiten als Standortindikator?“ hervor.

In der aktuellen Debatte um eine vermeintlich notwendige Verlängerung der Arbeitszeiten werden internationale Vergleiche fragwürdig genutzt, kritisiert der IAT-Wissenschaftler Dr. Sebastian Schief. Die OECD-Statistik der Jahresarbeitszeiten ist nach eigener Aussage der Organisation nicht für Niveauvergleiche zwischen Ländern geeignet, wird aber als Beleg für die vermeintliche „Faulheit der Deutschen“ herangezogen. Die OECD-Zahlen, die von Land zu Land unterschiedlich berechnet werden, beziehen oft die Teilzeitbeschäftigten ein, was bei hoher Teilzeitquote eines Landes zu niedrigeren Jahresarbeitszeiten führt. So würde Deutschland nach den OECD-Daten bei den Jahresarbeitszeiten den vorletzten Platz belegen – nur in den Niederlanden wäre die Jahresarbeitszeit noch kürzer. Zwischen der Jahresarbeitszeit der Niederlande und der Griechenlands liegen 500 Stunden.

Dieser Abstand schrumpft auf 200 Stunden, wenn die Jahresarbeitszeiten allein für Vollzeit-Beschäftigte berechnet werden. Das IAT schlägt einen Indikator vor, nach dem die Jahresarbeitszeiten international vergleichbar berechnet werden können: Basis sind die Arbeitszeiten von Vollzeitkräften nach den Daten der Europäischen Arbeitskräftestichprobe, bereinigt um die Anzahl der Urlaubs- und Feiertage im jeweiligen Land. Die so berechnete „gewöhnliche Jahresarbeitszeit“ – die übrigens überall über der tarifvertraglichen Arbeitszeit liegt – kommt zu deutlich anderen als den in der OECD-Statitik präsentierten Ergebnissen und gewährleistet dabei eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Ländern.

In der Diskussion, ob die Deutschen wieder länger arbeiten müssen, um den Standort Deutschland attraktiver zu machen, ist allerdings auch dieser Vergleich wenig aussagefähig. „Jahresarbeitszeiten sind als Standortindikator sehr problematisch, die Dauer der Arbeitszeit allein – ohne Berücksichtigung von Produktivität und Arbeitsorganisation – ist als Maßstab für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft völlig unzureichend“, so Dr. Sebastian Schief. Kurze Arbeitszeiten können als „Produktivitätspeitsche“ dienen, wohingegen lange Arbeitszeiten Anlass zur Zeitverschwendung geben oder dazu führen können, dass die Arbeitsleistung absinkt. Zudem können kürzere Arbeitszeiten im Zusammenhang mit einer intelligenten Arbeitsorganisation lange Betriebszeiten ermöglichen.

Für weitere Fragen steht ihnen zur Verfügung:
Dr. Sebastian Schief, Durchwahl: 0209/1707-152

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Claudia Braczko idw

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