Therapieansätze mit Stammzellen aus Nabelschnurblut

Mediziner aus Deutschland und USA diskutieren in Heidelberg über Therapieansätze mit Stammzellen aus Nabelschnurblut

Nabelschnurblut wird Knochenmark in wenigen Jahren als Primärquelle für Stammzellen ablösen. Diese Ansicht vertrat Prof. Dr. Joanne Kurtzberg, eine der führenden Stammzelltransplanteure in den USA, auf einem gemeinsamen Workshop am 26. September 2008 der Deutschen Gesellschaft für Regenerative Medizin (GRM) und des Universitätsklinikums Heidelberg. Der Workshop „Sources for Stem Cell Transplantations: Think across borders“ unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Anthony Ho, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Heidelberg, widmete sich insbesondere dem Potenzial von adulten Stammzellen.

Beeindruckende Behandlungserfolge stellte insbesondere Prof. Kurtzberg vor. Sie leitet als Ärztliche Direktorin das pädiatrische Blut- und Knochenmarktransplantationsprogramm des Duke University Medical Center in Durham, USA. Kurtzberg, die auf eine 15-jährige Erfahrung in der Transplantation von Nabelschnurblut zurückblickt, hat nach eigenen Angaben bereits deutlich über 500 Patienten auf diese Art behandelt. Sie stellte unter anderem ihren ersten Patienten vor: Der heute 20-Jährige hatte als Kind eine Hochdosistherapie mit anschließender Infusion von gespendetem Nabelschnurblut erhalten, weil er an der der Sandhoff-Erkrankung litt. Diese lysosomale Speicherkrankheit mit zentralnervöser Neurodegeneration führt bei den betroffenen Kindern noch vor dem zehnten Lebensjahr zum Tode.

Seither wurden von Kurtzbergs Team bereits 220 Patienten mit verschiedenen Erbkrankheiten, darunter Morbus Krabbe, Adrenoleukodystrophie sowie Morbus Hunter, mit gespendetem Nabelschnurblut behandelt. Kurtzberg berichtete darüber hinaus über 60 Patienten, bei denen die eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen unter anderem zur Behandlung von zerebraler Lähmung verwendet wurden.

Für Kurtzberg ist Nabelschnurblut bereits heute die bevorzugte Stammzellquelle. Die wichtigsten Vorteile gegenüber Knochenmark-Stammzellen sind eine höhere Vitalität, die hohe Proliferationsfähigkeit sowie die sofortige Verfügbarkeit. Im Falle einer allogenen Transplantation ist zudem eine weniger ausgeprägte Graft-versus-Host-Reaktion zu beobachten, so dass die Überlebensraten im Vergleich zu Knochenmark wesentlich günstiger ausfallen. Dies gilt auch, wenn die Gewebemerkmale des Spenders nicht zu einhundert Prozent mit denen des Empfängers übereinstimmen. Letzteres ist insbesondere dann von Vorteil, wenn kein passender Knochenmark-Spender verfügbar ist, wie Professor Dr. Rupert Handgretinger, Ärztlicher Direktor, Department für Hämatologie/Onkologie und Allgemeine Pädiatrie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen, ausführte.

Einig waren sich die Teilnehmer in dem therapeutischen Potenzial von adulten Stammzellen zur Behandlung geschädigter Zellverbände. Hier übertreffen die bisherigen Erfolge in vielen Fällen die Erwartungen, auch wenn noch nicht von einer breiten klinischen Anwendung gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang informierte Prof. Dr. Ezio Bonifacio vom DFG-Zentrum für Regenerative Therapien in Dresden über eine jetzt gestartete klinische Studie zur Therapie von Diabetes Typ 1 mit Stammzellen. Unter der Leitung des Instituts für Diabetesforschung in München sollen Patienten mit frisch manifestiertem jugendlichem Diabetes mit den eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen behandelt werden. Zur Zeit läuft die Patientenrekrutierung. Voraussetzung für eine Teilnahme ist, dass das eigene Nabelschnurblut zur Geburt aufbewahrt wurde.

Eine ähnliche Studie in den USA hatte ergeben, dass die Stammzellen offenbar eine Erneuerung der vom Immunsystem attackierten Beta-Zellen des Pankreas bewirken, so Bonifazio. Zudem enthält Nabelschnurblut regulatorische T-Lymphozyten, die eine starke immun-modulatorische Wirkung besitzen und somit der weiteren Zerstörung der Insulin-produzierenden Zellen entgegenwirken können. In der Folge zeigten die behandelten Kinder und Jugendlichen über den Zeitraum von mehreren Jahren eine konstant bessere Blutzuckereinstellung und benötigten geringere Insulinmengen als in der Vergleichsgruppe ohne Stammzelltherapie. Ob durch eine solche Therapie auch eine Heilung von Typ-1-Diabetes möglich ist, wird nach Meinung von Bonifazio nicht zuletzt von einer frühzeitigen Gabe der Stammzellen abhängen. Empfehlenswert sei daher ein früh einsetzendes Screening von Risikokindern, um mit der Stammzelltherapie nicht warten zu müssen, bis der Diabetes infolge von Stoffwechselstörungen manifest wird.

Fazit der Veranstaltung: Obwohl Nabelschnurblut in Deutschland noch relativ selten Verwendung findet, stellt es eine bedeutende Quelle für adulte Stammzellen dar. Ziel muss es sein, bei einem möglichst hohen Anteil der Geburten die Stammzellen in öffentlichen oder privaten Blutbanken einlagern zu lassen und sie somit für eine spätere therapeutische Anwendung zu bewahren.

Workshop „Sources for Stem Cell Transplantations: Think Across Borders“, Universitätsklinikum Heidelberg, 26.09.2008

Veranstalter:
Deutsche Gesellschaft für Regenerative Medizin e.V.

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Ulrike Schwemmer grm-aktuell

Weitere Informationen:

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