Vorhang auf für junge Sterne

NGC 3603 und das umgebende Sternentstehungsgebiet (hochaufgelöste Version siehe die unten genannte Online-Version der Pressemitteilung) <br>Bild: ESO

NGC 3603 ist einer der hellsten kompakten Sternhaufen der Milchstraße und enthält eine Vielzahl junger, massereicher Sterne. Die ihn umgebenden Gas- und Staubwolken beherbergen sowohl das erdnächste aktive Sternentstehungsgebiet als auch den massereichsten bislang bekannten Stern unserer Heimatgalaxie.

Aus den Gas- und Staubwolken um NGC 3603 bilden sich laufend neue Sterne. Solche hochaktiven Sternenstehungsgebiete kennen die Astronomen vornehmlich aus fernen Galaxien, können sie dort allerdings aufgrund der großen Entfernung nicht im Detail untersuchen. Das Sternentstehungsgebiet um NGC 3603 ist mit einer Entfernung von 22.000 Lichtjahren das erdnächste Beispiel einer solchen Region; aus den hier möglichen detaillierten Untersuchungen gewinnen die Astronomen wichtige Erkenntnisse, die sich auf die entfernteren Vertreter der Gattung übertragen lassen.

Die Form des Nebels kommt durch die intensive Strahlung und durch die Teilchenströme der jungen, massereichen Sterne zustande, die er enthält. Sie treiben die Gas- und Staubwolken auseinander und geben so den Blick auf eine Vielzahl hell leuchtender Sterne im Inneren frei. Die Zentralregion des Sternhaufens NGC 3603 enthält tausende von Sternen aller Art (vgl. die ESO-Pressemitteilung 16/99). Die meisten davon davon besitzen weniger oder genau soviel Masse wie die Sonne. Den spektakulärsten Anblick bieten allerdings die besonders massereichen Sterne des Haufens, die dem Ende ihres Lebens zugehen: mehrere blaue Überriesen, die sich in einer Raumregion mit einem Volumen von weniger als einem Kubiklichtjahr zusammendrängen, und drei so genannte Wolf-Rayet-Sterne – besonders helle und massereiche Sterne, die große Mengen an Materie in den Weltraum schleudern, bevor sie als Supernova explodieren. Vorangehende Beobachtungen mit dem SINFONI-Instrument [1] am VLT der ESO haben gezeigt, dass einer dieser Sterne mehr als 120 Mal soviel Masse besitzt wie die Sonne – der massereichste Stern, den wir in unserer Heimatgalaxie kennen [2].

Die Aufnahmen zeigen eine Art Familienfoto mit Sternen in allen Entwicklungsstadien – von neu geborenen und jungen bis hin zu erwachsenen Sternen und solchen, die sich dem Ende ihres Lebens nähern. Dabei haben alle diese Sterne in etwa das gleiche Alter von rund einer Million Jahren – verglichen mit dem Alter unserer Sonne und unseres Sonnensystems (rund 5 Milliarden Jahre) ein bloßer Augenblick in der Geschichte des Kosmos. Dass sie sich trotz des einheitlichen Alters in so unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden, liegt an ihren stark unterschiedlichen Massen: Massereiche Sterne brennen heiß und sehr hell, und sie haben ihren Kernbrennstoff in viel kürzerer Zeit verbraucht als ihre weniger massereichen, kühleren und weniger hellen Geschwister.

Das neu veröffentlichte Bild wurde mit dem FORS-Instrument am VLT auf dem Cerro Paranal in Chile aufgenommen. Es zeigt den Sternhaufen samt seiner Umgebung, und macht insbesondere die Details der strukturreichen Gas- und Staubwolken sichtbar.

Endnoten

[1] SINFONI ist ein Infrarotspektrograf, der von der ESO, dem Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching und dem Niederländischen Forschungszentrum NOVA entwickelt und 2004 am VLT installiert wurde.

[2] Der betreffende Stern, NGC 3603-A1, ist Teil eines Doppelsternsystems, dessen zwei Partner sich alle 3,77 Tage einmal umkreisen. Er hat eine Masse von schätzungsweise 116 Sonnenmassen, sein Doppelsternpartner immerhin eine Masse von 89 Sonnenmassen.

Hintergrundinformation

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, und VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

Kontakt

Markus Pössel (ESO Science Outreach Network)
Haus der Astronomie/Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (06221) 528-261
E-Mail: eson@mpia.de
Henri Boffin
ESO
Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6222
Email: hboffin@eso.org

Media Contact

Dr. Markus Pössel idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer