Ultrakurze Schnappschüsse von Atombewegungen

Zum Start des Sommersemesters richtet das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) die erste gemeinsame Forschergruppe mit der Universität Potsdam ein.

Die Leitung der Gruppe übernimmt der Physiker Professor Dr. Matias Bargheer, der am 1. April 2009 zum W3-Professor für „Ultraschnelle Dynamik kondensierter Materie“ an der Universität Potsdam (UP) ernannt wird. Diese Berufung der UP in Kooperation mit dem HZB und dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung steht für die enge Verbindung von Universität und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen des neuen Potsdamer Forschungsnetzwerks „pearls“.

Die Finanzierung der Gruppe durch das HZB, zu der ein Doktorand und zwei Postdocs gehören, ist auf fünf Jahre angelegt. Im Sinne der Verbundidee von „pearls“ (s.u.) werden sich die Postdocs der Gruppe an der Be-treuung externer Nutzer an den Beamlines von Bessy II beteiligen.

Professor Bargheer (36) wird an der Synchrotronquelle BESSY II des HZB ein Experiment nach einem völlig neuen Konzept aufbauen, mit dem er Molekülbewegungen in der atomaren Dimension abbilden kann. Zu diesem Zweck erhält er Messzeit an der entsprechenden Beamline an BESSY II. An dem neu aufgebauten Experiment können Nanostrukturen aus fester oder weicher Materie untersucht werden. Die Forscher wollen vor allem wissen, wie sich die atomaren Bausteine bewegen und welche Kräfte beispielsweise zum Auslösen von Atomschwingungen beitragen. Diese Erkenntnisse sollen helfen, speziellen Funktionen wie Ferromagnetismus oder Supraleitung zu erklären.

Das neue Konzept des gebürtigen Münsteraners Bargheer basiert auf der Nutzung ultraschnell schaltbarer Röntgenspiegel. Solche Spiegel haben nur für eine sehr kurze Zeit ihre spiegelnden Eigenschaften. In diesem Zustand reflektieren sie die Röntgen-Pulse des Synchrotrons. Damit werden alle Atome der Probe in einem ultrakurzen Schnappschuss abgelichtet. Kurz vorher werden die Atome von einem starken Laserpuls gleichzeitig zu einer Bewegung veranlasst.

Nach nur etwa einer Nanosekunde hat die Anregungsenergie die Probe verlassen und die Atome, Moleküle oder Festkörper befinden sich wieder in ihrem ursprünglichen Zustand. An der Synchrotronquelle BESSY II kann diese Messung eine Million Mal pro Sekunde wiederholt werden. So erhält man eine Serie sehr präziser Schnappschüsse und damit einen Film, der den molekularen Bewegungsablauf zeigt.

Die Konstellation der Gemeinsamen Forschergruppe bietet für alle Einrichtungen Vorteile. Die Universität Potsdam kann ihren Studenten und Doktoranden ein hoch attraktives, international wettbewerbsfähiges Lehr- und Forschungsumfeld bieten, etwa durch einen besseren Zugang zu den herausragenden experimentellen Möglichkeiten an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II und der Neutronenquelle BER II des HZB. Mit Professor Bargheer hat die Universität einen herausragenden jungen Wissenschaftler und Hochschullehrer für die Studierenden gewonnen. Das HZB als außeruniversitäre Forschungseinrichtung profitiert von der engeren Vernetzung mit der Potsdamer Universität und gewinnt mit Professor Bargheer einen exzellenten Wissenschaftler zur Betreuung und Weiterentwicklung der Forschungseinrichtungen an den Großgeräten.

Zur Person Professor Bargheer:

Matias Bargheer studierte Physik an der Universität Konstanz, in New Jersey/USA sowie an der Freien Universität Berlin (FU). 2002 wurde er an der FU Berlin promoviert und erhielt für seine Arbeit den „Joachim-Tiburtius-Preis für hervorragende Dissertationen an den Berliner Universitäten“. Anschließend ging er ans Berliner Max-Born-Institut und wurde 2006 zum Juniorprofessor für Experimentalphysik an der Universität Potsdam berufen, unterstützt vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. 2007 wurde er mit dem Gustav-Hertz-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für „bahnbrechende Arbeiten in der Entwicklung und Anwendung der Röntgenbeugung im Femtosekunden-Bereich“ ausgezeichnet.

pearls o Potsdam Research Network

Führende Forschungseinrichtungen haben sich im Januar 2009 auf Initiative der Universität Potsdam (UP) zu einem bundesweit einmaligen Verbund unter dem Namen „pearls o Potsdam Research Network“ zusammengeschlossen. Ziel der insgesamt 21 „Perlen“ ist es, die Wissenschaftsregion Potsdam im nationalen und im globalen Wettbewerb um Forschungsgelder und um exzellente Nachwuchswissenschaftler erfolgreich zu positionieren. „Pearls“ erleichtert multilaterale Kooperationen über Institutionen und Fächergrenzen hinweg, vor allem in den Erd- und Biowissenschaften. Zu den Partnern der Universität Potsdam gehören das Who ist Who der deutschen Wissenschaftsorganisationen: die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mit drei Instituten, die Leibniz-Gemeinschaft mit sieben Instituten, sieben Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, drei Institute der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sowie das Hasso-Plattner-Institut (HPI) für Softwaresystemtechnik.

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