TU Dresden nutzt Raumstation ISS als Sprungbrett für die Wissenschaft

Bild zeigt alle Weltraum-Missionen des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik Tino Schmiel / ILR / ESA

Sobald die Raumstation erreicht ist, warten die kleinen Satelliten mit ihren Weltraumexperimenten noch ungefähr einen Monat an Bord auf ihren eigentlichen Einsatz. Von der ISS aus werden der Nano-Satellit SOMP2 mit seinen drei Experimenten sowie die 14 weiteren FIPEXnano-Experimente in ihren finalen Orbit entlassen.

Kurze Zeit später liefert der Satellit die ersten Messdaten aus dem Weltraum. Vom Boden aus müssen die Forscher dann die Daten abfangen, dafür bleiben pro Überflug nur fünf bis acht Minuten. SOMP2 erfasst u.a. die restlichen Partikel im Weltraum und testet neue Nanomaterialien.

SOMP2 ist ein Nano-Satellit, den Studenten, Doktoranden und Wissenschaftler der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden gemeinsam entwickelten. „SOMP2“ steht dabei für Student On-Orbit Measurement Project und soll die Restatmosphäre in der Umgebung des Satelliten messen. Er ist 20x10x10 cm³ groß und wiegt etwas weniger als 2 Kilogramm.

SOMP2 beherbergt drei wissenschaftliche Experimente: FIPEXnano, TEG und CiREX. Er wird die Erde so schnell umrunden, dass der Satellit 16-mal am Tag einen Sonnenaufgang sieht. Was so romantisch klingt, ist allerdings eine große Herausforderung an die Materialien und die Elektronik.

Die maßgeblich um Dr. Tino Schmiel an SOMP2 mitarbeitenden Wissenschaftler Yves Bärtling, Christian Schunk, Elisabeth Abbe, Alexander Zwiebler und Tom Henschel können daher die ersten Signale kaum erwarten. „Nur kurze Zeit nachdem SOMP2 von der Raumstation in 415 Kilometer Höhe entlassen wird, aktivieren sich die Systeme selbständig, die Solarzellen laden die Batterien und wenn alle Systeme funktionieren, beginnt die Wissenschaftsphase der Mission.“ so Yves Bärtling, der die technische Entwicklung von SOMP2 koordinierte. Dann endlich können die ersten Zustands-Daten auf der Erde empfangen und aufgezeichnet werden.

Mit FIPEXnano ist ein kleines Sensorsystem im SOMP2 und in den weiteren 14 Satelliten verbaut, welches bei mindestens 600°C die restlichen Gase im Weltraum in der so genannten Thermosphäre misst. In dieser Zone, die sich in 80 bis 600 Kilometer Höhe befindet, treten Gastemperaturen von 1000 Grad auf. Bisher ist zu wenig über die Dynamik der Zusammensetzung dieser Atmosphärenschicht bekannt. Wissenschaftler sprechen daher oft von der Ignorosphäre anstatt der Thermosphäre.

Das Experiment leistet somit einen wichtigen Beitrag für die Atmosphärenmodellierung. Anhand der gesendeten Daten können Klimavorhersagen optimiert und neue Atmosphärenmodelle erarbeitet werden. „Die Sensoren von FIPEXnano sind winzig klein, nur 3 mal 3 Millimeter groß. Die Vorgänger waren bereits 2008 auf der Internationalen Raumstation ISS im Einsatz – damals noch so groß wie Streichhölzer. Sie wurden soweit miniaturisiert, dass sie nur einen Bruchteil der elektrischen Leistung benötigen.

Nun ist FIPEXnano in der Lage, Gase bei nur einem Einhunderttausendstel des Druckes auf der Erde zu erfassen“, so Dr. Tino Schmiel – Leiter des Forschungsfeldes Kleinsatelliten und Spin-off Technologien am Institut für Luft- und Raumfahrt. Das Experiment CiREX testet mehrere Nanomaterialien aus dem Dresdner Forschungsraum auf ihre Einsatzfähigkeit in der harschen Umgebung des Weltraumes. SOMP2 erzeugt mit hochleistungsfähigen Solarzellen Strom, auf den die Experimente angewiesen sind. Zusätzlich haben die Wissenschaftler sogenannte thermoelektrische Materialien (TEG) verbaut. Mit ihnen wird getestet, ob zukünftig auch aus Wärme von der Sonne und der Elektronik innerhalb des Satelliten Strom erzeugt werden kann. Für zukünftige Missionen ein wichtiger Aspekt.

„Es bleibt sehr spannend – gerade auch für die vielen Studenten, die Tag und Nacht am Bau und Test des Satelliten mitwirkten. Das Risiko ist hoch – immerhin ist es ein Ausbildungsprojekt“, schwärmt Prof. Dr. Martin Tajmar, Direktor des Institutes für Luft- und Raumfahrttechnik. „Die Studenten standen vor großen Herausforderungen, die Systeme müssen im sehr rauen Weltraum funktionieren und den Start überleben. SOMP2 gab die einmalige Möglichkeit, praxisnah vieles zu erlernen“.

So haben die Mitarbeiter und Studenten nahezu jede Komponente selbst entwickelt: die Struktur, das Energiesystem, die Mikrokontrollersoftware, das Kommunikationssystem, die Thermalkontrolle und vieles mehr. Der Satellit wurde außerdem an verschiedenen Instituten der Fakultät Maschinenwesen von den Studenten auf Herz- und Nieren getestet. Er musste hohe Vibrationen, Schocklasten, extreme Temperaturen, Strahlung und Hochvakuum überstehen. SOMP2 ist nun fit für die Mission. „Die härteste Prüfung, die ein Raumfahrtingenieur bestehen muss, ist vor dem so genannten NASA Safety Board“, so Dr. Tino Schmiel. „Unsere Studenten haben mit SOMP2 die Freigabe für einen Start zu einem bemannten System – der Raumstation – erhalten. Mehr geht nicht!“

Das Vertrauen in die Dresdner Entwicklung ist gegeben. Nicht umsonst haben andere Satellitenbauer das Dresdner Experiment FIPEXnano in ihre Nano-Satelliten verbaut. FIPEXnano startet gleichzeitig auf weiteren 14 Satelliten des so genannten QB50 Netzwerkes – ein internationales Konsortium verschiedener Satellitenentwickler. Die Satelliten für die FIPEXnano-Mission stammen von Instituten aus Russland und den USA, der Ukraine, China und Taiwan, Australien, Israel, Indien und mehrere aus Europa.

Diese FIPEXnano Systeme analysieren dann die restlichen Gase im erdnahen Weltraum an 14 verschiedenen Positionen zur gleichen Zeit. Die Ergebnisse sollen die stetigen zeit- und ortsabhängigen Veränderungen in der höheren Atmosphäre erfassen, um besser das Weltraumwetter vorhersagen zu können. Weitere Systeme sind für einen Start mit der indischen PSLV-Rakete bereits ausgeliefert.

Die damit verbundenen Forschungsprojekte wurden durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Europäische Weltraumorganisation (ESA), die EU und die Industrie finanziert.

Informationen für Journalisten:
Dr.-Ing. Tino Schmiel
Leiter des Forschungsfeldes Kleinsatelliten und Spin-off Technologien
Tel.: +49 (0) 351 463-38287
Mobil: 0171 – 99 49 760
tino.schmiel@tu-dresden.de

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Kim-Astrid Magister idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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