Träge Miniroboter fliegen aus der Kurve

Pfad eines 3D-gedruckten Mini-Roboters. HHU / Christian Scholz

Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) nutzen einfache, angetriebene Miniroboter, um die Bewegung kleiner aktiver Teilchen wie Bakterien in einem Medium zu studieren. In der Ausgabe der Zeitschrift Nature Communications vom 4. Dezember 2018 berichten sie, welche Auswirkungen Trägheitskräfte und -momente auf diese Teilchen haben.

Unter der „Brownschen Molekularbewegung“ versteht man das zufällige Bewegungsbild mikroskopisch kleiner Teilchen, die in einem Medium ständig von umgebenden Molekülen angestoßen werden.

Albert Einstein erklärte diese Zusammenhänge zum ersten Mal theoretisch und fand dabei heraus, dass das Bewegungsmuster eines idealisierten Mikroteilchens – entgegen der alltäglichen Erfahrung – nicht von seiner Masse abhängt. Sogar sogenannte „aktive Materie“ – also Teilchen wie Bakterien, die über einen eigenen Antrieb verfügen – sollte sich so verhalten.

Seit Isaac Newton ist aber bekannt, dass jedes Teilchen mit endlicher Masse eine Trägheitskraft erfährt, die der Änderung seiner Bewegung entgegen wirkt. Außerdem besitzen ausgedehnte Körper ein Trägheitsmoment, welches der Änderung der Rotation widersteht. Diese Faktoren machen die Berechnung der Bewegung aktiver Teilchen deutlich komplizierter, weshalb sie in Berechnungen meist vernachlässigt werden.

Physiker vom Institut für Theoretische Physik II der HHU um Dr. Christian Scholz und Institutsleiter Prof. Dr. Hartmut Löwen gaben sich mit dieser Vereinfachung nicht zufrieden und konnten nun erstmals theoretisch und experimentell zeigen, dass die Trägheit für aktive Teilchen relevant ist.

In Nature Communications beschreiben sie, dass – wie bereits Einstein herausfand – die Masse für die Bewegung nach einiger Zeit unwichtig wird. Neu ist aber, dass das Trägheitsmoment die Bewegung für alle Zeit beeinflusst. „Ein massives Teilchen kann nicht mehr leicht seine Ausrichtung ändern und bewegt sich so länger in eine Richtung“, erläutert Prof. Löwen.

Ein entscheidender Durchbruch ist bei der Studie die experimentelle Untersuchung der Brownschen Bewegung der aktiven Teilchen. Albert Einstein mutmaßte seinerzeit, dass diese kaum jemals im Experiment direkt zu beobachten sei. Dies lösten die Düsseldorfer Forscher, indem sie stattdessen ein makroskopisches Teilchen nutzten:

Einen kleinen, einfachen Roboter, der durch die Vibration des Untergrunds angetrieben werden kann. Durch mikroskopische Unebenheiten im Untergrund wird die Bewegung gestört, so dass Geschwindigkeit und Orientierung des Teilchens fluktuieren – wie durch die Stöße mit andere Teilchen in der Brownschen Molekularbewegung. Seine Bewegungen untersuchten sie mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras.

Die Videos zeigen, dass die Roboter sich nur dann so verhalten, wie von der Theorie vorhergesagt, wenn man ihre Trägheit berücksichtigt. „Bei genauem Hinschauen erkennt man zum Beispiel, dass die Roboter wie Rennwagen von alleine um die Kurve driften; ihre Trägheit sorgt dafür, dass sie quasi aus der Kurve fliegen“, merkt Dr. Scholz an.

Die Ergebnisse der Düsseldorfer Physiker haben praktische Bedeutung, denn das Trägheitsmoment lässt sich zur Bewegungskontrolle von Lebewesen und Fahrzeugen nutzen. Dies wird besonders dann interessant, wenn die äußeren Umstände nicht beeinflussbar sind, wie zum Beispiel bei Luftturbulenzen oder Kollisionen mit Nachbarteilchen.

Will man deshalb ein agiles Objekt haben, das leicht um Kurven kommt, so baut man es klein beziehungsweise verlagert seine Masse nach innen. Die Bewegung wird dagegen umso stabiler, je weiter außen die Masse ist oder je größer ein Objekt ist.

Christian Scholz, Soudeh Jahanshahi, Anton Ldov, Hartmut Löwen, Inertial delay of self-propelled particles, Nature Communications 9, 5156 (2018).
DOI: 10.1038/s41467-018-07596-x

Media Contact

Dr.rer.nat. Arne Claussen idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.hhu.de/

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