Synchrone Quantensprünge bei Elektronen-Einfang in hochgeladene Ionen

Abb. 1: Schema der di- (a) und trielektronischen (b) Rekombination in kohlenstoffartigen Ionen (sechs Elektronen plus das eingefangene). K und L bezeichnen die beteiligten elektronischen Schalen des Ions. Grafik: MPI für Kernphysik<br>

Dabei kann die freigesetzte Energie auf gebundene Elektronen des Ions resonant übertragen werden. Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik haben in theoretischen und experimentellen Studien gezeigt, dass dieser Prozess in einigen Fällen effizienter erfolgt, wenn statt zwei, etwa drei oder gar vier Elektronen daran beteiligt sind.

(Phys. Rev. Lett. 29.09.2011 online)

Hochgeladene Ionen sind hungrig nach Elektronen, da ihnen viele davon fehlen. Sie kommen nur in sehr heißen Umgebungen bis zu einigen Millionen Grad vor, z. B. im Kosmos im Inneren von Sternen oder deren Atmosphären, in Sternexplosionen oder in der Umgebung dessen, was davon übrig bleibt – Neutronensterne oder Schwarze Löcher – wenn diese Materie ansaugen. Sie bevölkern aber auch heiße technische Plasmen, wie sie z. B. in Fusionsexperimenten vorliegen. Sie tragen dort zu Kühlmechanismen bei, die für die Kontrolle des Plasmas wichtig sind. Trifft nämlich ein schnelles Elektron aus dem Plasma auf ein Ion, so kann es von diesem unter Aussendung eines Röntgenphotons eingefangen werden (radiative Rekombination). Dem Plasma gehen also schnelle geladene Teilchen, die magnetisch eingefangen werden können, verloren und es kühlt sich ab, während die neutralen Röntgenquanten das dünne Plasma praktisch ungehindert verlassen können. Für die Steuerung der Plasmatemperatur sind daher Kenntnisse des Rekombinationsverhaltens von hochgeladenen Ionen von großer Wichtigkeit.

Neben dem rein radiativen Einfang besteht auch die Möglichkeit, dass beim Einfang die freigesetzte Energie auf ein gebundenes Elektron übertragen und dieses in einen höheren Zustand angeregt wird. Die ist genau dann möglich wenn die Anregungsenergie dieses Quantensprungs der Summe von Bewegungs- und Bindungsenergie des eingefangenen Elektrons entspricht – man spricht hier von einem resonanten Prozess, der dielektronischen Rekombination, da zwei Elektronen daran teilnehmen (Abb. 1a). Etwa vorhandene weitere gebundene Elektronen spielen die Rolle eines Zuschauers. Beim Rücksprung kann ein Röntgenquant freigesetzt werden – das Ion stabilisiert sich auf diese Weise und behält seine um eine Einheit verringerte Ladung. Zugleich wird das Plasma wie bei der radiativen Rekombination gekühlt.

Nun ist es auch denkbar, dass mehr als zwei Elektron bei dieser Quantenspringerei mitspielen, und dies wurde in neueren Experimenten auch für bis zu vier Elektronen beobachtet: tri- (Abb. 1b) und quadruelektronische Rekombination. Es entspricht durchaus der Erwartung, dass die Prozesse höherer Ordnung, die mehrere Elektronen einbeziehen, unwahrscheinlicher sind. Rechnungen von Zoltán Harman aus der Abteilung von Christoph Keitel am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik ergaben aber, dass die Stärke der mehrelektronischen Rekombination hin zu leichteren Elementen stark zunimmt. Dieser systematische Trend sagt sogar voraus, dass für leichtere kohlenstoffartige Ionen dielektronische Rekombination von der trielektronischen übertroffen wird (Abb. 2).

Diese einigermaßen überraschende Vorhersage wurde nun am gleichen Institut durch neue Messungen der Gruppe um José Crespo in der Abteilung von Joachim Ullrich am Beispiel kohlenstoffartiger Eisen-, Krypton- und Argonionen eindrucksvoll bestätigt (Abb 2). Die Ionen werden hierzu in einer Elektronstrahl-Ionenfalle (EBIT) erzeugt und ihre Röntgenemission in Abhängigkeit von der Elektronenenergie untersucht. Die erwähnten Rekombinationsprozesse zeigen sich dabei als Resonanzen, also einer erhöhten Ausbeute an Röntgenstrahlung bei einer bestimmten Elektronenenergie.

„Es ist eine Art Wettbewerb“, erklärt Zoltán Harman. „Zwar ist die Anregung mehrerer Elektronen beim Einfang unwahrscheinlicher, dafür hat ein so mehrfach angeregtes Ion mehr Möglichkeiten, sich durch Röntgenemission zu stabilisieren.“ Dieser Effekt überwiegt letztlich und ist in der Theorie direkt nachvollziehbar, da die einzelnen Schritte des Prozesses separat analysiert werden können, was im Experiment nicht ohne weiteres möglich ist. Die Ergebnisse demonstrieren auch, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit von Theorie und Experiment auf diesem Gebiet ist. Als nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, wie sich der Trend zu leichteren Elementen fortsetzt. Die Daten für Silicium sind bereits gemessen und werden derzeit ausgewertet.

Originalveröffentlichung:

C. Beilmann, P. H. Mokler, S. Bernitt, C. H. Keitel, J. Ullrich, J. R. Crespo López-Urrutia and Z. Harman:
Prominent Higher-Order Contributions to Electronic Recombination,
Physical Review Letters, 107, 143201 (2011)
doi: 10.1103/PhysRevLett.107.143201

Media Contact

Dr. Bernold Feuerstein Max-Planck-Institut

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