Sternentstehung ohne Zukunft: NGC 253 und die Grenzen des galaktischen Wachstums

Abbildung 1: Falschfarbendarstellung der Daten, die ALMA bei Beobachtungen der Starburst-Galaxie NGC 253 aufgenommen hat. Die Farbe gibt die Intensität des empfangenen Lichts an, von schwachem Leuchten bei blauer bis hin zu starkem Leuchten bei rötlicher Färbung. Diese und ähnliche Visualisierungen haben den Astronomen dabei geholfen, das Ausströmen von molekularem Wasserstoffgas aus den Sternentstehungsregionen in den Zentralbereichen von NGC 253 nachzuweisen. Das hier gezeigte Bild ist Titelbild der Ausgabe vom 25. Juli 2013 der Fachzeitschrift 'Nature'.<br><br> Bild: E. Rosolowsky (University of Alberta)<br>

Nun konnte eine Astronomengruppe, zu der auch Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie gehört, die ersten detailreichen Bilder dieser Art selbstlimitierenden galaktischen Verhaltens aufnehmen: molekulares Gas, Rohmaterial der Sternentstehung, das aus den Sternentstehungsgebieten in der Sculptor-Galaxie (NGC 253) strömt.

Die Studie, die das jüngst in Betrieb genommene Verbundteleskop ALMA in Chile nutzt, wird am 25. Juli 2013 in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Galaxien – Systeme aus bis zu Hunderten Milliarden von Sternen wie unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße – sind die Grundbausteine des Kosmos auf großen Skalen. Ein wichtiges Ziel der Astronomie ist es, zu verstehen, wie sich Galaxien ausgehend von den ersten Protogalaxien kurz nach dem Urknall bis heute entwickelt haben. Eine entscheidende Frage dabei: Was bestimmt, wie viele Sterne in einer Galaxie entstehen?

Ein wichtiger Teil der Antwort sind Mechanismen, die zukünftige Sternentstehung behindern können. Paradoxerweise gehört dazu auch die Sternentstehung selbst: Bilden sich neue Sterne, dann ist ein gewisser Anteil davon sehr massereich. Massereiche Sterne leuchten sehr hell, und ihre intensive Strahlung führt zu »Sternwinden«: Gas- und Plasmaströme vom Stern weg, die stark genug sein können, um Gas gänzlich aus der Galaxie hinaus zu treiben. Außerdem beenden massereiche Sterne ihr verhältnismäßig kurzes Leben in spektakulären Explosionen (Supernovae) und schleudern dabei ihre äußeren Schalen in den Weltraum hinaus – zusammen mit etwaigem Material, das der Explosion in die Quere kommt. Auf diese Weise können Episoden starker Sternentstehung, sogenannte »Starbursts«, die Bildung zukünftiger Sterngenerationen stark behindern. Molekulares Gas, das aus der Galaxie hinaus geschleudert wurde, kann schließlich nicht mehr als Rohmaterial für neue Sterne dienen. Es gibt Grenzen des galaktischen Wachstums.

So weit, so gut. Was allerdings bislang fehlte, war der direkte Nachweis, dass Starbursts in der Tat starke molekulare Gasausflüsse erzeugen können. Diese Lücke konnte jetzt geschlossen werden: durch Beobachtungen eines Astronomenteams um Alberto Bolatto (University of Maryland, College Park), das sich die Starburst-Galaxie NGC 253 genauer angesehen hat.

NGC 253, auch bekannt als Sculptor-Galaxie, ist eine Spiralgalaxie im Sternbild »Bildhauer« (lat. Sculptor) am Südsternhimmel. Mit einer Entfernung von elf Millionen Lichtjahren ist sie einer unserer näheren galaktischen Nachbarn und die uns nächste von der Südhalbkugel aus sichtbare Starburst-Galaxie. Mit dem Verbundteleskop ALMA visierten die Astronomen die Zentralregion der Galaxie NGC 253 an – und fanden in der Tat molekulares Gas, das senkrecht zur galaktischen Scheibe ausströmt!

Bolatto, Erstautor der Studie, mit der die Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Nature vorgestellt werden, erklärt: »Die Gasmenge, die wir messen, zeigt deutlich, dass einige sternbildende Galaxien mehr Gas ausspucken als sie aufnehmen.« Die Astronomen schätzen, dass NGC 253 jedes Jahr Gas mit einer Gesamtmasse von neun Sonnenmassen auswirft. Das ist rund dreimal soviel wie die Gesamtmasse der Sterne, die jedes Jahr in NGC 253 neu entstehen. (Diese Masse wiederum ist um ein Vielfaches größer als die aller Sterne, die jährlich in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, entstehen.)

Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie, ein Ko-Autor der Studie, fügt hinzu: »Für mich ist das ein Paradebeispiel dafür, wie neue Instrumente die Zukunft der Astronomie bestimmen. Wir haben die Starburst-Region in NGC 253 und andere nahgelegene Starburst-Galaxien fast zehn Jahre lang untersucht. Aber bevor es ALMA gab, hatten wir keine Chance, derart feine Details zu sehen.« Dabei nutzten die Beobachtungen von Bolatto und seinen Kollegen eine frühe Konfiguration von ALMA mit nur 16 Antennen. »Es ist aufregend, sich auszumalen, was uns die komplette ALMA mit ihren 66 Antennen über diese Art von Materieströmen zeigen wird«, schließt Walter.

Kontakt

Fabian Walter (Koautor)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg
Telefon: (+49|0) 6221 – 528 225
E-Mail: walter@mpia.de
Dr. Markus Pössel (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg
Telefon: (+49|0) 6221 – 528 261
E-Mail: pr@mpia.de

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