Auf der Spur der Antimaterie im Universum

Im Vordergrund steht dabei die Suche nach Antimaterie, wie sie im Rahmen von kosmologischen Modellen als Relikt aus dem Urknall erwartet wird. Außerdem sollen durch AMS-02 Fragen nach der Natur der dunklen Materie beantwortet werden. Wissenschaftler aus Aachen und Karlsruhe betreuen das Experiment federführend für Deutschland.

Am 29.04.2011 ist der letzte Start der Raumfähre Endeavour geplant, der vorletzte Flug im Rahmen des US-amerikanischen Space Shuttle Programms. Die Endeavour wird zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. Mit an Bord ist ein Experiment der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, das Alpha Magnetic Spectrometer AMS-02.

Das AMS-02-Spektrometer

Der 4 m große und fast 7000 kg schwere AMS-02-Detektor wurde von einer internationalen Kollaboration mit 56 Forschungsinstituten aus 16 Ländern in enger Zusammenarbeit mit der NASA konzipiert. Wesentliche Komponenten des AMS-02-Instruments wurden von der RWTH Aachen und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gebaut. Die Forschungsarbeiten werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert.

Antimaterie

Das AMS-02-Spektrometer ist für die kosmische Strahlung so etwas wie das Hubble Space Telescope für die sichtbare Komponente des Universums. Durch die präzise Vermessung der kosmischen Strahlung erhoffen sich Astroteilchenphysiker, der Natur der unsichtbaren „dunklen“ Materie auf die Spur zu kommen, und die Frage, ob es auch Galaxien aus Antimaterie im Universum gibt, endgültig beantworten zu können. Antimaterie kann nur außerhalb der Erdatmosphäre nachgewiesen werden, weil sich Antiteilchen aus dem Weltall sofort mit den Teilchen in der Luft vernichten. Im dichten Plasma des frühen Universums entstand wenige Minuten nach dem Urknall praktisch die gesamte Materie des Universums. Die spannenden Fragen sind nun: „Wurde am Anfang des Universums auch Antimaterie in gleicher Menge produziert, wie man es aus Beschleunigerexperimenten erwarten würde? Und wurde diese Antimaterie durch Annihilation mit der Materie komplett vernichtet?“

„Wenn man auch nur einen Antihelium-Atomkern mit dem AMS-Detektor nachweisen würde, wäre dies ein starkes Indiz dafür, dass es Galaxien aus Antimaterie gibt“, sagt Prof. Wim de Boer, der am KIT Kosmologie und Teilchenphysik lehrt und die AMS-Gruppe leitet. Diese „Anti-Galaxien“ müssten sich allerdings weit entfernt von den uns bekannten Galaxien befinden, da sich beide Systeme sonst auslöschen würden. „Denkbar wäre, dass größere Mengen Antimaterie unmittelbar nach dem Urknall in eine andere Richtung geschleudert wurden und damit eine Reaktion mit der sichtbaren Materie verhindert wurde“, erläutert de Boer. „Ein Antikohlenstoff-Atomkern, bestehend aus sechs Antiprotonen und sechs Antineutronen, wäre noch spektakulärer, weil man solche schwere Kerne nicht in Kollisionen herstellen kann. Diese können nur in kollabierenden Sternen aus Antimaterie „gebacken“ werden.“

Dunkle Materie

Eine zusätzliche Quelle für Antimaterie könnte die Annihilation oder Vernichtung der dunklen Materieteilchen sein. Denn diese Teilchen, die sich bisher nur durch ihre Gravitationskraft bemerkbar machen, sind elektrisch ungeladen und können daher ihre eigenen Antiteilchen sein. Daher können die dunklen Materieteilchen sich gegenseitig durch Annihilation auslöschen, wenn sie aufeinanderprallen. Dies wäre eine Erklärung für die geringe Anzahl dieser Teilchen im Vergleich z. B. mit Lichtteilchen (Photonen). Bei der gegenseitigen Vernichtung entstehen wieder gleiche Mengen von Teilchen und Antiteilchen, die sich als zusätzliche Komponenten in den Energiespektren der kosmischen Strahlung bemerkbar machen können.

„AMS-02 ist ein hochempfindliches Teilchenspektrometer, mit dem wir auf der ISS nicht nur jedes einzelne Teilchen oder Antiteilchen aufgrund seiner Masse und Ladung identifizieren können, sondern auch mit hoher Genauigkeit deren Energiespektren vermessen können“, führt Prof. Wim de Boer weiter aus.

AMS-02-Start und technische Herausforderungen

Zwei Stunden nach dem Start wird Dr. Andreas Sabellek vom Institut für Experimentelle Kernphysik des Karlsruher Instituts für Technologie als „Payload Commander“ im Mission Control Center der NASA in Houston den AMS-02-Detektor erstmals im All in Betrieb nehmen. Dabei wird er auch den wichtigsten deutschen Beitrag zum AMS-Detektor, den Übergangsstrahlungsdetektor zur Positronenidentifizierung, einschalten, um dessen Zustand und vor allem dessen Temperatur während des zweitägigen Fluges zur ISS kontrollieren zu können.

Die Besonderheit dieses Raumfahrtexperiments ist, komplexe, sehr empfindliche Teilchendetektoren so zu bauen, dass sie den mechanischen Belastungen bei Start und Landung und den thermischen Belastungen im All standhalten: Die ISS umläuft die Erde einmal in 90 Minuten, wobei die Außenseite des Detektors Temperaturschwankungen zwischen -30 und +60 Grad Celsius erfährt. Durch die thermische Mehrlagen-Isolation um den ganzen Detektor variiert die Temperatur im Inneren nur um wenige Grad. Weitere Herausforderungen sind die Minimierung der Stromaufnahme der Detektoren sowie die intelligente Komprimierung der erzeugten großen Datenmengen, um sie zur Erde übertragen zu können. Hier hat das KIT mit der Entwicklung raumfahrtqualifizierter Ausleseelektronik, die gleichzeitig die Daten reduziert, einen wichtigen Beitrag geliefert.

Raumfahrtqualifizierung

Bevor AMS-02 zur ISS geflogen wird, wurde der gesamte Detektor erfolgreich im großen Weltraumsimulator des Technologiezentrums der European Space Agency ESA in den Niederlanden und in unterschiedlichen Teilchenstrahlen des Europäischen Beschleunigerlabors CERN in Genf getestet. Dabei wurde gezeigt, dass der für den Betrieb im Weltraum konzipierte, komplexe Teilchendetektor allen gestellten Anforderungen entspricht. Damit ist AMS-02 bestens vorbereitet, um mindestens bis 2020 die mit Spannung erwarteten Messungen der kosmischen Strahlung an Bord der Internationalen Raumstation zuverlässig durchzuführen.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: www.kit.edu

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Prof. Dr. Wim de Boer
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Monika Landgraf idw

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