Saarbrücker Physiker wollen supraleitende Folien entwickeln

Das unter Leitung von Dr. Michael Koblischka durchgeführte Projekt der Arbeitsgruppe „Nanostrukturforschung und Nanotechnologie“ von Professor Uwe Hartmann wird von der VolkswagenStiftung in der Initiative „Experiment!“ 18 Monate lang mit insgesamt 100.000 Euro gefördert. Die Initiative unterstützt grundlegend neue Ideen mit ungewissem Ausgang.

Das Projekt ist eines von 19 Vorhaben, die in der diesjährigen Ausschreibungsrunde aus insgesamt 630 Anträgen ausgewählt wurden.

Supraleiter, die bei Abkühlung den elektrischen Widerstand verlieren und verlustfrei Strom leiten können, sind seit rund hundert Jahren bekannt. Allerdings benötigen die klassischen Supraleiter, die aus Metallen bestehen, Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius), was sie für viele Anwendungen wirtschaftlich unattraktiv macht.

In den 1980er Jahren wurden die ersten Hochtemperatur-Supraleiter entdeckt, die den verlustfreien Transport von Strom schon bei vergleichsweise höheren Temperaturen um minus 200 Grad Celsius erlauben. Sie werden mit flüssigem Stickstoff gekühlt, der kostengünstig und leicht verfügbar ist. Da sie aus Keramiken bestehen, sind sie jedoch äußerst starr und spröde und daher nur eingeschränkt technisch einsetzbar.

Um biegsame keramische Supraleiter herzustellen, haben Professor Uwe Hartmann und sein Team an der Saar-Universität erstmals das Verfahren des Elektrospinnens benutzt, das bisher fast nur für Kunststoffe (Polymere) eingesetzt wurde. Dabei werden flüssige Vorläuferverbindungen (Präkursoren) durch eine feine Düse gepresst, die unter elektrischer Spannung steht.

So entstehen hauchdünne Fäden, die mit einem Durchmesser von 100 Nanometern oder weniger tausendmal dünner sind als ein menschliches Haar. Dieses Geflecht feiner Fasern wird während einer Nachbehandlung erhitzt, so dass Supraleiter in der richtigen Zusammensetzung entstehen: Sie bestehen aus Yttrium, Barium, Kupfer und Sauerstoff (abgekürzt: „YBCO“) oder ähnlichen Verbindungen. „Das Geflecht aus Hochtemperatur-Supraleitern ist deutlich ressourcenärmer als die herkömmlichen Keramiken und vor allem sehr biegsam“, erklärt Uwe Hartmann.

In ihrem neuen Projekt „Supraleitende Folien“ wollen die Saarbrücker Forscher nun noch einen Schritt weiter gehen: Das Geflecht aus Nanodrähten soll in eine Kunststofffolie eingebettet werden, die „biegsam und dünn wie eine Frischhaltefolie ist und in jeder Größe hergestellt werden kann“, so Hartmann.

Solche Folien wären eine völlig neue Klasse von supraleitenden Materialien, da sie die Vorteile der Supraleitung – den verlustfreien Energietransport – mit der Flexibilität und dem geringen Gewicht einer Folie verbinden könnten. Einsetzbar wären sie beispielsweise als flexible supraleitende Kabel oder als elektromagnetische Abschirmmaterialien, beispielsweise in der Medizintechnik oder in der Weltraumtechnik. 

Doch noch sind die Forschungen hierzu ganz am Anfang: „Die Herausforderung für uns besteht nun darin, Kunststoffe zu finden, die bei Temperaturen um minus 200 Grad Celsius biegsam sind und nicht mit den Supraleitern reagieren“, erläutert Uwe Hartmann das Ziel des von der Volkswagen-Stiftung prämierten Forschungsprojekts.

Mit der Förderinitiative „Experiment!“ unterstützt die VolkswagenStiftung grundlegend neue Forschungsvorhaben mit hohem Forschungsrisiko, zu denen es bisher kaum Vorarbeiten gibt. Mit der frei verwendbaren Anschubfinanzierung von 100.000 Euro können Forscher während einer Phase von 18 Monaten erste Anhaltspunkte für die Tragfähigkeit ihres Konzeptes gewinnen. Weitere Infos zur Förderinitiative: http://www.volkswagenstiftung.de/foerderung/herausforderung/experiment.html

Kontakt:
Prof. Dr. Uwe Hartmann
Institut für Experimentalphysik
Tel. 0681 302-3798, -3799
E-Mail: u.hartmann@mx.uni-saarland.de

Dr. Michael R. Koblischka
Tel.: 0681 302-4555
E-Mail: m.koblischka@mx.uni-saarland.de, m.koblischka@gmail.com

Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-Codec (IP-Verbindung mit Direktanwahl oder über ARD-Sternpunkt 106813020001). Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681 302-4582) richten.

Media Contact

Gerhild Sieber Universität des Saarlandes

Weitere Informationen:

http://www.uni-saarland.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Essen, Kontaktpflege oder Erkunden

Wie das Gehirn zwischen Verhaltensweisen umschaltet. Wie schaltet unser Gehirn zwischen verschiedenen Verhaltensweisen um? Eine aktuelle Studie liefert nun eine erste Antwort auf diese zentrale neurowissenschaftliche Frage. Die Forschenden untersuchten…

Sensorische Werkzeugeinleger

… ermöglichen Qualitätskontrolle in Echtzeit beim Kunststoffspritzgießen. Die ökonomische und ökologische Herstellung von Bauteilen mittels Kunststoffspritzguss erfordert eine hohe Prozesssicherheit. Dazu ist eine genaue Erfassung und Überwachung relevanter Parameter wie…

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Partner & Förderer