Radiowellen aus dem Weltraum genauer empfangen

Über 13 Meter Durchmesser hat die Empfangsschüssel des Radioteleskops im spanischen Yebes. © Instituto Geográfico National

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg entwickelten zusammen mit spanischen Projektpartnern – dem Instituto Geográfico Nacional und der University of Cantabria – einen leistungsfähigen Hochfrequenzverstärker für Radioteleskope, die auf der Erde installiert sind.

Er ist besonders rauscharm und hilft, die Erde vom Weltraum aus genauer zu vermessen als bisher: Die Positionen von Radioteleskopen sollen sich zukünftig auf etwa einen Millimeter genau bestimmen lassen. Das wäre zehnmal genauer als bisher. Die Wissenschaftler nutzen dabei Radiowellen, die von astronomischen Objekten ausgesendet und von den Radioteleskopen empfangen werden. Je genauer die Wissenschaftler die Positionen der Teleskope bestimmen können, desto exakter können sie anhand dieser Informationen verschiedene Eigenschaften der Erde vermessen.

»Durch ihren räumlichen Abstand – sie sind auf der ganzen Erde verteilt – empfangen die Teleskope die Radiowellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten«, erklärt Dr. Mikko Kotiranta, Wissenschaftler am IAF. Bedeutend für die Abstandsermittlung ist die Präzision, mit der die Zeitdifferenzen vermessen werden können. Dabei kommt es auf jede Pikosekunde an.

Das ist der Billionste Teil einer Sekunde. Basierend auf mehreren Messungen ist es beispielsweise möglich, die Länge des Tages, die Bewegung der Erdplatten, der Pole und der Erdachse sehr genau zu ermitteln. »Dieses Wissen wird unter anderem dazu genutzt, die Umlaufbahnen von Satelliten genauer zu bestimmen«, sagt Kotiranta.

Die hierbei genutzten Radiowellen stammen von Quasaren. Das sind riesige schwarze Löcher im Zentrum der Galaxien, die mehrere Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Die Quasare, wie alle andere astronomische Objekte, sind in Bewegung durch das Weltall. Wegen ihrer enormen Entfernung scheinen sie jedoch von der Erde aus betrachtet still zu stehen.

Zusätzlich erscheinen sie uns als punktförmige Objekte, weshalb sie ideale Fixpunkte zur Vermessung der Erde sind. Die Radiowellen kommen allerdings in sehr schwacher Signalstärke bei den Teleskopen an. Das liegt an dem langen Weg, den sie durch den Weltraum zurücklegen. Ein weiteres Hindernis, um die Signale fehlerfrei zu empfangen, sind elektromagnetische Störgeräusche.

Denn alle Körper, deren Temperatur über dem absoluten Nullpunkt – 0 Kelvin beziehungsweise minus 273 Grad Celsius – liegen, erzeugen elektromagnetisches Eigenrauschen. Nur am absoluten Nullpunkt würde aus elektromagnetischer Sicht vollkommene Ruhe herrschen. »Die Regel lautet: Je kälter, desto weniger Rauschen«, so Kotiranta.

Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler ein Vorgängermodell dieses Verstärkers in eine besonders kalte Kühltruhe gesteckt. In ihr herrschen 22 Kelvin. Das entspricht minus 251 Grad Celsius. Extreme Bedingungen, denen elektrotechnische Bauteile wie Transistoren nicht gewachsen sind. Oder doch? Um das herauszufinden, entwickelten die Forscher des IAF ein mathematisches Modell.

Es zeigt an, wie Hochfrequenzschaltungen entworfen sein müssen, um auch unter extrem kalten Bedingungen zu funktionieren. Im Reinraum und im Labor fertigten sie zusammen mit den Projektpartnern darauf aufbauend einen Mikrowellenverstärker und testeten ihn bei unterschiedlichen Temperaturen.

Die Ergebnisse nutzten sie, um das Modell weiter zu verfeinern, so dass die Vorhersage des Modells besser den gemessenen Daten entsprach. Mit dem aktualisierten Modell wurde ein neuer Verstärkerprototyp entworfen. Solange bis schließlich ein rauscharmer Verstärker entstand, der alle notwendigen Voraussetzungen erfüllte: Er funktioniert einwandfrei bei sehr niedrigen Temperaturen und sein elektromagnetisches Eigenrauschen ist auf ein Minimum reduziert.

Die Technologie ist bei einem neu errichteten Radioteleskop des Instituto Geográfico National im spanischen Yebes im Einsatz. »Momentan laufen dort bereits erste Tests«, sagt Kotiranta. Die Projektpartner planen, ihn ab diesem September für geodätische Zwecke zu nutzen und beispielsweise die Bewegung von Erdplatten zu messen.

Der Bau dreier weiterer großer Teleskope  – jedes von ihnen hat einen Durchmesser von über 13 Metern – ist bereits im Gang. Sie sollen auf den Azoren und den Kanarischen Inseln im Atlantik entstehen und bis Ende 2015 bzw. 2016 in Betrieb gehen.

Die vier neuen Teleskope sollen Teil des weltweiten Weltraumteleskopnetzes VGOS (VLBI2010 Global Observing System) werden. »Die meisten Teleskope stammen aus den 1970er und 1980er Jahren. Ihre Technik ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. Die neue Generation wird wesentlich leistungsfähiger sein und genauere Daten über die Erde liefern«, ergänzt Kotiranta.

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Sonja Kriependorf Fraunhofer Forschung Kompakt

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